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Williams Pinball Classics

Williams Pinball Classics

Eigentlich ist es eine verfluchte Schande, einen Flipper in einem Videospiel zu simulieren. Das raubt dem Spiel seine Seele, denn es wird aus dem korrekten Kontext gerissen. Entführt aus der Kneipe und der Spielhalle, wo das Münzengrab zumeist in der Nähe der Toiletten oder irgendwo in schummerigen Ecke sein perfides Schattendasein fristet.

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Einen Flipper im echten Leben zu meistern, dass erfordert Gefühl und Stehvermögen. Man muss den Lauf der Kugel möglichst korrekt vorhersehen können. Man muss die immer gleiche Bewegung korrekt absolvieren können, um die Kugel ins gewollte Ziel zu schicken. Man muss am Tisch ruckeln und ihn schieben, um das Wegrollen der Metallkugel ins Aus zu verhindern, ohne das empfindliche Innere zu sehr zu stören. Tilt will schließlich niemand lesen, der gerade den Punktezähler so weit nach oben getrieben hat, dass das Freispiel in greifbare Nähe gerückt ist. Derweil wabert der Zigarettenrauch von einem selbst oder der des Typen nebenan in der Luft herum und beißt in den Augen, während man am Flipper steht.

All diese Erfahrungen kann Flippern als Videospiel nicht bieten. Und doch ist Williams Pinball Classics ein gutes Spiel, auch eine gute Simulation. Die 13 Flipper sind allesamt Klassiker aus verschiedenen Epochen. Zwölf sind von Anfang an verfügbar, nämlich Funhouse, Medieval Madness, Gorgar, Space Shuttle, Firepower, Black Night, Taxi, No Good Gofers, Whirlwind, Pin*Bot, Tales of the Arabian Nights und Sorcerer. Den Uralt-Flipper Jive Time schaltet man frei, indem man in einer Turnier-Challenge die anderen Flipper hintereinander spielt und auf allen einen bestimmten Score erreicht. Was nicht wirklich schwierig ist.

Die Flipper selbst sind allesamt toll umgesetzt. Die Optik ist allerdings nur auf den HD-Konsolen wirklich überzeugend, dort dann aber dafür so richtig. Der Schimmer der Metallkugel ist fast ein bisschen magisch umgesetzt, der klackende Sound ausgewiesen authentisch und vor allem die originalen Punktezähler sind super. Oben links lassen die sich einblenden und zeigen etwa bei Medieval Madness die geliebten Mini-Pixelanimationen in orangefarben-schwarzer Optik.

Williams Pinball Classics
Die Flipper selbst sind allesamt toll umgesetzt. Die Optik ist allerdings nur auf den HD-Konsolen wirklich überzeugend.
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Auch andere Details sind klasse, etwa die zufällig auftauchenden Hänger der Flipper und dass man sogar den Spielhallenbesitzer rufen kann, damit er die Kugel zurücksetzt. Oder das stumpfe Ticken der Kugel gegen eine Gummibande, das hört sich einfach so spürbar echt an. Überhaupt ist das Zusammenspiel aus Sound (wenn der üble Soundtrack ausgestellt ist) und Spielgefühl gut gelungen. Das hier spielt sich fast wie ein echter Flipper, nur ohne die äußeren Umstände eben.

Zehn verschiedene Perspektiven in Kombination sind möglich und bieten eine jeweils veränderte Draufsicht auf die Dinge. Generell kann man entweder in einer totalen Draufsicht spielen oder sich für die Kombination aus der Totalen und einem nahtlosen Zoom nach oben entscheiden. Das ist auf manchen Geräten einfach besser, nervt aber bei schnellen Bällen über die äußeren Rampen. Unterm Strich aber ist das Flipper-Erlebnis nahezu so gut wie am echten Gerät, nur eben ohne die haptischen und olfaktorischen Genüsse einer echten Spielhalle. Eine klinisch reine Simulation eben, die auch ausspart, dass sich die Kugeln auf einem Flipper mit dem Monaten ihre Bahnen fräsen.

Was am Ende total nervt und dem Spiel einen großen teil seines Spielspaßes raubt, sind die miesen Achievements bzw. Trophäen und vor allen Dingen die lieblos integrierten Onlineranglisten. Gerade Flippern lebt eigentlich nur vom Highscore und dem Verewigen von drei Buchstaben auf dem Gerät. Warum genau dieses Feature so spartanisch, versteckt und schlecht integriert wurde, ist völlig unverständlich. Man kann seinen Onlinescore niemals direkt nach einem Match sehen, muss dafür erst ganz raus bis ins Startmenü. Und dann lädt die Liste ewig...

Am Ende ist Williams Pinball Classics trotzdem ein rundum gelungene Flipper-Simulation. Es bietet für einen anständigen Preis schnellen Zugriff auf 13 tolle Flipper, die verschiedene Spielstile und Flipperkonzepte bieten - auch wenn die Langzeitmotivation wegen der schlechten Vergleichbarkeit doch schon ziemlich leidet. Süchtig macht es mich trotzdem, aber ich bin auch ein echter Flipper-Fan. Wer das nicht ist, braucht das Spiel hier sicher nicht...

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Tolle umgesetzte Flipper, hohe Authentizität von Optik und Sound, macht süchtig
-
Keine anständigen Onlineranglisten, wenig Umfang
overall score
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Eigentlich ist es eine Schande, einen Flipper in einem Videospiel zu simulieren. Williams Pinball Classics ist trotzdem gut.



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