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Sniper Ghost Warrior 3

Sniper Ghost Warrior 3

Unsere Autorin Anne hat sich im georgischen Spielplatz von CI Games ausgetobt, doch ein Volltreffer ist dem Studio mit dem Spiel leider nicht gelungen.

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Im Zeitalter der Open World-Spiele zieht auch Entwickler CI Games nach und lässt uns im bergigen Georgien frei umherwandern. Bei Sniper Ghost Warrior 3 übernehmen wir die Rolle von Jonathan North, der den dort ansässigen Widerstand im blutigen Bürgerkrieg unterstützt. Zusätzlich gilt es die Geheimnisse hinter der Entführung seines jüngeren Bruders, Robert North, aufzudecken. Mit detailreicher Waffen-Mechanik und einer frei erkundbaren Welt versuchen die Entwickler die Spielreihe zu erweitern, bei der Ausführung hakt es jedoch noch an einigen Stellen.

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Neue Spiele scheinen eine offene Welt und Crafting-Elemente zu brauchen, doch Sniper Ghost Warrior 3 hätte darauf ehrlich gesagt verzichten können.

Kaum werden wir in die Spielwelt geworfen, schon fällt der erste Mangel auf: die Charaktere. Denn diese wirken mit plumpen Sprüchen sofort unangenehm und sorgten in meinem Spielverlauf oft für unpassende Momente, die mich peinlich berührt zurück ließen. Statt interessante Persönlichkeiten darzustellen, macht sich das Spiel sofort an eine klischeehafte Rollenverteilung. Zwar suchen wir verzweifelt unseren kleinen Bruder, der laut eigenen Aussagen alles ist, was wir noch an Familie haben, von all diesen Emotionen bekommen wir Spieler jedoch nichts mit. Stattdessen spielen wir Mr. Coolguy und machen über jede schreckliche Situation Witze. Das wirkt sich bereits in den ersten Stunden auf die Immersion aus, denn mit solch einen Protagonisten kann ich mich nur schwer anfreunden, geschweige denn identifizieren.

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Seit dem Release von Sniper Ghost Warrior 2 sind bereits vier Jahre vergangen, in dieser Zeit hat sich einiges getan in der Spieleindustrie. Survival-Spiele erlebten ein Hoch, jedes Spiel musste ein Crafting-System besitzen und auch offene Spielwelten werden mittlerweile in vielerlei Hinsicht als Notwendigkeit angesehen. Mit dem dritten Ableger der Spielreihe möchte das Studio diesen Ansatz ebenfall verfolgen, verfährt sich dabei jedoch gewaltig. Denn die Spielwelt ist vielleicht offen, doch damit sich diese auch glaubwürdig anfühlt, gehört noch mehr dazu, als die unsichtbaren Barrieren eines Schlauchlevels herauszunehmen. Statt uns beispielsweise während unserer Erkundung auf interessante Gespräche mit den Bewohnern einzulassen, oder spannende Notizen zum Geschehen in der Spielwelt zu finden, treffen wir stets auf dieselben Settings.

Zuerst schalten wir die Feinde aus, im Anschluss sichern wir den Außenposten oder befreien mit einem Knopfdruck die Geiseln. Diese verlieren ein paar Worte und verschwinden einfach spurlos aus der Spielwelt. Wir können uns auf der Karte zwar frei bewegen und die Landschaft erkunden, doch dazu fehlt einfach die Motivation. Wieso sollte ich mich durch drei fast identische Lager kämpfen, nur um nach mehreren Kilometern generischen Waldstückes die exakt selbe Situation vorzufinden? Statt uns mit einer Geschichte zu fesseln oder auf verlassene Gebäude zu stoßen, die uns mehr zu den Ereignissen verraten, finden wir bei unserer Reise Sniper Ghost Warrior 3 lediglich umher springende Rehe und ein weites Sichtfeld voller Bäume.

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Mit der Drohne markieren wir Gegner aus der Ferne, haben wir anschließend ein freies Schussfeld, kann der Spaß beginnen.
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Nun haben die meisten Fans der Reihe wahrscheinlich ohnehin kein geschichtliches Meisterwerk erwartet, diesen Ansatz muss ja auch nicht jedes Spiel verfolgen. Nichtsdestotrotz ist es auch für einen taktischen Action-Shooter wie Sniper Ghost Warrior 3 wichtig, dass wir uns als Teil der Spielwelt fühlen. Das Motiv unseres Protagonisten verliert schnell an Glaubwürdigkeit und geht flöten, dadurch entsteht ein Bruch in der Immersion und lässt (zumindest mich) unbeeindruckt vom Rest der Geschichte.

Was bei den gestellten Dialogen und der leeren Spielwelt verloren geht, gewinnt das Spiel jedoch wieder zurück, mit dem eigentlichen Knackpunkt des Spiels: dem Scharfschützen-Gameplay. Das gestaltet sich abwechslungsreich und lässt uns mehr als zufrieden zurück, wenn dieser perfekte Schuss gelingt und wir mit einer blutigen Killcam belohnt werden. Zuvor ist es meist nötig, die Lage mit unserer Drohne auszuchecken, um die verschiedenen Gegnertypen (Scharfschützen, leicht oder auch stark ausgerüstete Feinde) ausfindig zu machen und somit taktisch gegen sie vorzugehen. Finden wir erst Mal eine erhöhte Position, von der aus wir eine gute Sicht auf das Geschehen haben, ohne selbst dabei gesichtet zu werden, beginnt der eigentliche Spaß.

Der Titel des Spiels besteht nicht nur aus dem Wort "Sniper" sondern auch "Ghost" und "Warrior". Es ist diese Dreifaltigkeit, die wir auch in den verschiedenen Fähigkeitsbäumen von Jonathan wiederfinden, mit dem wir unseren Protagonisten an unseren eigenen Wünsche anpassen dürfen. Während der Weg des Snipers recht offensichtlich ist, handelt es sich bei dem Geist-Zweig um eine unauffällige, taktische Herangehensweise. Hierbei lesen wir Spuren, hacken Überwachungskameras und schleichen uns vorsichtig an die Gegner heran, um diese lautlos auszuschalten. Bei dem Krieger-Zweig verfolgen wir eher das Haudrauf-Prinzip und stellen uns mit starker Rüstung und noch stärkeren Waffen direkt in das Sichtfeld der Feinde, um diese niederzumetzeln.

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Sniper Ghost Warrior 3Sniper Ghost Warrior 3
Eine offene Welt muss mehr sein als Schlauchlevel, deren Mauern retuschiert wurden.

Da Spiele heutzutage nicht mehr ohne Crafting-Komponente überleben können, finden wir auch in CI Games' neuestem Titel eines vor. Einen wirklichen Grund das System zu verwenden gibt es jedoch kaum, denn beim Looten der Leichen oder der Umgebung finden wir oft ausreichend Munition. Nach Abschluss einer Mission haben wir stets ausreichend Geld übrig, um uns einfach unsere Ausrüstung zu kaufen. Für unser Equipment gibt es zusätzlich Modifikationen, mit denen wir beispielsweise die Aufnahmekapazität unserer Magazine aufbessern oder unser Zielfernrohr mit verschiedenen Größen ausrüsten können. Einen großen Unterschied bei der Verwendung dieser Hilfsmittel habe ich allerdings nicht bemerkt, also sind die Mods im Endeffekt nur dazu da, um das Menü unnötig zu verstopfen.

Sniper Ghost Warrior 3 teilt sich mit vielen anderen Spielen heutzutage dasselbe Problem: Sie wollen alles auf einmal sein. Der Action-Shooter hätte auch gut ohne eine "offene" Welt funktioniert, wenn nicht sogar noch um einiges besser. Denn erst mit der Erkundung der Spielwelt fällt auf, wie platt die Geschichte hinter den Gebrüdern North tatsächlich ist. Sogenannte "Schlauchlevel" müssen nicht immer etwas Schlechtes sein, das zeigen Spielereihen wie Uncharted. Der Versuch dem Spieler mehr Möglichkeiten zu geben, geht in diesem Fall nach hinten los und demoralisiert uns vielmehr, als uns anzuregen.

Das Potential der Serie ist definitiv vorhanden, doch wie es scheint, haben die Entwickler selbst keine direkte Vision, wofür ihr Spiel eigentlich stehen soll. Dinge wie das Crafting-System und die Einführung einer offenen Welt, beißen sich mit den klischeehaften Charakteren und dem Setting, sodass der Gesamteindruck des Spiels sehr unbalanciert wirkt. Wer sich an guten Waffen-Handling und einen schönen Scharfschützen-Simulator erfreut, der ist mit Sniper Ghost Warrior 3 anständig bedient. Eine tiefschürfende Geschichte, interessante Charakter oder ereignisreiche Spielwelten, darf man in Georgien jedoch leider nicht erwarten.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Schöne Optik; Gutes Waffen-Handling; Ausgereifte Scharfschützen-Mechanik
-
Klischeehafte Charaktere; Leblose Spielwelt; Lange Ladezeiten auf den Konsolen
overall score
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