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Scott Pilgrim gegen die Welt: Das Spiel

Scott Pilgrim gegen die Welt

Der helle Wahnsinn. Nein, anders kann man es nicht ausdrücken. Dieses Spiel ist der helle Wahnsinn. Absolut verrückt. Aber im Grunde, wenn man ein bisschen etwas über den Film oder den Comic weiß, doch so konsequent. Es erscheint logisch, dass ein Spiel zu Scott Pilgrim gegen die Welt sich eben genau so spielt, dass es so ausschaut, sich so anfühlt.

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In Scott Pilgrims Leben läuft nicht alles ganz rund. Er hat keinen Job, aber Bassist in einer mittelmäßigen Band names Sex Bob-Omb. Aber er hat Charme und begegnet dem Mädchen seiner Träume. Allerdings ist die nicht ganz leicht zu haben. Nicht etwa, weil sie sich ziert. Nein, viel mehr sind es die sieben Exfreunde von Ramona Flowers, die etwas gegen das junge Glück haben. Nun kennt sich zwar Scott auch ein wenig mit abgelegten Beziehungen aus, dass hier ist aber eine ganz andere Liga.

Ziel dieser abgedrehten, völlig wahnsinnigen Meute von ehemaligen Liebhabern ist es, Scott Pilgrim das Lebenslicht auszupusten. Mit dabei sind düstere, vampir-ähnliche Gestalten, brutale Skateboarder, vegane Rockstars bis hin zu gruseligen Zwillingen. Sie alle gilt es zu besiegen, wenn er mit Ramona wirklich zusammen sein will. Und das zumindest scheint er kaum zu bezweifeln.

Scott Pilgrim gegen die Welt: Das Spiel
Woran erinnert das bloß gleich? - Referenzen gibt es in dem Spiel zuhauf.

Nun muss man wissen, dass der Film auf einem Comic basiert. Das zur Grundlage genommen hat sich auch Ubisoft, als sie sich an die Arbeiten für das Spiel machten. Das Design der Charaktere stand also schon fest. Dass es aber eine astreine zweidimensionale Pixelwelt werden würde, das ist ein wenig Auslegungssache. Tatsächlich ist dieses Spiel eine schnörkellose Hommage an eine längst vergangene Zeit. Ein Sidescroll-Action-Titel mit ordentlichen Prügeleinlagen.

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Scott Pilgrim gegen die Welt: Das Spiel gewährt uns eine Zeitreise in die späten Achtziger und frühen Neunziger. Grobe Pixel erinnern an eine längste vergessene Konsolen-Generation ohne Analog-Stick, Bewegungssteuerung und Touchpad. Dazu tönen kaum auszuhaltende Klänge aus den Boxen, die so sehr im Ohr beißen, dass man immer mehr davon möchte. Spontane Erinnerungen an viele noch heute so vertraute, simple Melodien werden hier wach - und selbst wenn es nur die von Super Mario Bros. oder Tetris sind.

Man schnüffelt ein wenig, begutachtet das Spiel skeptisch wie ein Hund, der uns lange nicht mehr gesehen hat. Doch nach ein paar vorsichtigen Kämpfen im ersten Abschnitt wird mit feuchten Augen klar, das hier ist real und kein Traum. Da hat nicht jemand einfach nur ein fesches Intro im alten Stil programmiert, sondern uns ein ganzes Spiel geschenkt.

Ok, dem Nerd Scott Pilgrim so zu begegnen, war nicht völlig abwegig. Und doch ist es bewegend, dass gefallene Kämpfer blinkend verschwinden und plötzlich einige Münzen aufpoppen, die darauf warten, eingesammelt zu werden. Man spürte auf einmal eine ganze Flut von Erinnerungen auf sich niederprasseln, wenn alle Gegner besiegt sind und plötzlich der gesperrte Bildschirmbereich freigegeben ist und man seinen Weg nach rechts weiter fortsetzen kann. "Weißt du noch, damals..."

Scott Pilgrim gegen die Welt: Das Spiel
Die Endgegner sind die sieben Exfreunde. Sie alle verfügen über besondere Kräfte, die nicht von dieser Welt sein können.
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Das Spiel gibt sich aber auch wirklich viel Mühe, ein heimeliges Gefühl zu erzeugen. Die Charakterauswahl zwischen den vier wählbaren Figuren Scott Pilgrim, Ramona Flowers, Steven Stills und Kim Pine erinnert an jene von Super Mario Bros. 2. Die Oberweltkarte wiederum, die alle Abschnitte miteinander verbindet, hat ohne Zweifel starke Ähnlichkeit mit der von Super Mario Bros. 3. Drei Schwierigkeitsgrade gibt es übrigens. Und einen Vier-Spieler-Koop-Modus.

Koop-Modus. Heute bauen sie ihn wieder alle ein, die Entwickler. Und sie tun so, als sei das die große Innovation, das nächste große Ding. Vier-Spieler-Modi, die waren bis zum Nintendo 64 eigentlich nicht wirklich vorgesehen und nur umständlich über Zusatz-Hardware realisierbar. Aber zu zweit spielte man eigentlich fast immer solche Action-Spiele. Und auch Scott Pilgrim gegen die Welt: Das Spiel soll offensichtlich mit mehreren Leuten gespielt werden, denn das heute weichgespülte Spielerherz wird dankbar über Mitstreiter sein, die den Schwierigkeitsgrad angenehmer gestalten.

Wirklich verzweifeln muss allerdings niemand, denn über das eingenommene Geld lässt sich der Charakter verbessern und so besser gewappnet in den nächsten Kampf ziehen. Gegen Bares lassen sich in diversen Shops stilechte Gegenstände erwerben, von denen manche eben nicht nur die Lebensenergie oder die Mutanzeige für Spezialangriffe wieder auffüllen, sondern auch Angriff, Verteidigung und ähnliches verbessern. Damit man an Geld kommt, besucht man diverse Level einfach immer wieder und so streckt das Spiel künstlich die Spielzeit. So lange man Spaß am Spiel hat und Grafik und Sound nicht überdrüssig wird, stellt das natürlich kein Problem dar. Aber man kann es niemandem verdenken, wenn er dann doch lieber Fortschritte machen will.

Scott Pilgrim gegen die Welt: Das Spiel
Bis zu vier Spieler können durch die Level stürmen. Im Hintergrund übrigens die Einkaufsstraße, in dessen Geschäften man Geld gegen Nützliches tauschen kann.

Ein Erfahrungspunkte-System gibt es ebenfalls, darüber erlernt der Charakter diverse praktische Moves, deren Einfachheit anfangs ein wenig an Ninja Gaiden erinnert und man sich durchaus noch Mühe gibt, den richtigen Move zur richtigen Zeit einzusetzen - im Vier-Spieler-Modus gleicht das Ergebnis dann vielleicht doch eher Smash Brothers. Obendrauf gibt es neben abwechslungsreichen Abschnitten überall hübsch versteckt kleine Geheimnisse und versteckte Passagen. Auch das etwas, was schon damals gang und gäbe war und natürlich nicht fehlen darf. Und wenn jeder einmal tief in sich hineinschaut, der zur Zeit von 8bit- und 16bit-Konsolen groß geworden ist, dann erinnert er sich mit Sicherheit auch an Spiele wie Teenage Mutant Hero Turtles oder Double Dragon.

Das Spiel mit dem 2D-Design von Paul Robertson und dem Sound der Chiptune-Band Anamanaguchi ist ein gefundenes Fressen für die Gestrandeten jener Generation, als Videospiele noch etwas Nerdiges, Freakiges hatten. Kinder der Neuzeit stören sich sehr wahrscheinlich an der altbackenen Präsentation, dem leicht erhöhten Schwierigkeitsgrad und einem fehlenden Online-Modus. Die verfügbare Demo sollte bei bei der Entscheidung helfen, ob das Spiel für Spaß sorgt oder nicht. Für jene, die dabei sind, dann noch einen Tipp zum Schluss: Stürzt die Konsole doch mal ab, hilft es im Grunde nicht mehr, einfach in den Schlitz zu pusten wie damals in die Module. Heute muss einfach nur schnöde neugestartet werden. Wer sich aber trotzdem vor die Konsole kniet und mit Nachdruck in den Laufwerksschlitz pustet, verschafft sich zumindest ein gutes Gefühl.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Retro pur, leichter Einstieg, bis zu Vier-Spieler-Koop
-
Später Aufleveln nötig, kleine Bugs
overall score
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