Die Frage, die sich zu allererst aufdrängt, ist die nach dem warum. Warum sollte jemand Motorstorm nicht mehr vorm großen HD-Fernseher spielen, sondern sich stattdessen am kleinen Bildschirm der PSP quälen? Es brauchte eine Weile, bis wir hinter das Geheimnis kamen. Inzwischen aber stellt sich ernsthaft die Frage, warum die PS3 mit einem Nachfolger bedacht wurde, bevor der Handheld zum Zug kam. Nein, wirklich, Motorstorm: Arctic Edge fesselt. Irgendwie. Also noch einmal ganz von vorn.
Skeptisch wird das Festival gestartet, der Karrieremodus von Motorstorm: Arctic Edge. Glücklicherweise nervt keine langweilige Pseudostory. Der Einstieg erfolgt direkt ins erste Rennen. Auf dem Wolfpack Mountain düst der Buggy über die Piste. Die Steuerung fühlt sich entsprechend luftig an. Er gleitet über die karge Strecke, teilweise liegt noch Schnee. Im Ohr ist The Prodigy, und die Optik gefällt, für eine PSP wohlgemerkt. Obwohl es nicht fehlerfrei durch das erste Level geht, folgt der Sieg mit großem Vorsprung. So geht es in den nächsten Rennen weiter. Snowgod Canyon mit dem Rally-Auto, Mud Bowl mit dem zackigen Motorad und so weiter und so fort. Langsam fühlt sich der Boost gut an, der kurz nach dem Start zur Verfügung steht. Die Fehlerquote sinkt und es gibt ohne Probleme den ersten Stern, für den beispielsweise in diesem Fall eine bestimmte Zeitvorgabe geschlagen werden muss.
Damit schaltet sich das erste Geschwindigkeitsrennen frei: Jedes Zieltor, dass wir dort passieren, schenkt kostbare fünf Sekunden. Ist die Zeit abgelaufen, ist das Rennen verloren. Die Strecke Gold Rush kennen wir eigentlich. Merken aber, dass die Anordnung der Zieltore Neues offenbart. So manche Abkürzung wird erst jetzt deutlich, wo es sonst eher der Nase nach geht. Im dichten Fahrerfeld ist dies in der Regel die Nase der anderen. Die künstliche Intelligenz ist nämlich etwas lästig. Wagt sie es doch tatsächlich, einem das Leben schwer zu machen. Als beispielsweise gerade Chemical Brothers die Füße wippen lässt und wir mit dem Schneemobil auf Hochgeschwindigkeit einen mächtigen Lkw wollen, bremst dieser plötzlich auf völlig gerader Strecke. Resultat ist ein spektakulärer Auffahrunfall, frei nach Cobra 11. Den Brummifahrer kratzt das freilich nicht. Er gibt einfach wieder Gas.
Innovativer als die Geschwindigkeitsrennen sind die ebenfalls freischaltbaren Zeitbombenrennen. Vier Fahrer sammeln Punkte mit jeder Sekunde, die sie unterwegs sind. Je weiter vorn ein Fahrer liegt, desto mehr Punkte sammelt dieser. Wer zuerst die 999 Punkte erreicht, ist Sieger des Rennens. Was uns dabei besonders fasziniert, ist die Tatsache, dass ein kontinuierlicher zweiter Platz auch zum Sieg führen kann. Dazu muss der Fahrer an der Spitze zwischendurch nur mal Mist bauen und auf Platz drei oder vier abrutschen.
Genauso lohnt es sich, nicht nur an den Sieg an der Ziellinie im Auge zu haben. Die ist ohnehin nur imaginär. Schnell auf den ersten Platz vorarbeiten und dort festbeißen. Das Rennen auf der Log Jam zum Beispiel ließ sich nur in einen Sieg verwandeln, weil wir den Fahrer in seinem Buggy von der Fahrbahn gedrängt haben. Ein Durchreichen auf die hinteren Plätze war unvermeidlich, aber der Punktegefährlichere dafür kurzfristig ausgeschaltet. Ja, Sieg!
Je tiefer wir in das Spiel vordringen, desto anspruchsvoller werden Strecken und Gegner. Fehler dürfen kaum noch unterlaufen. Dazu zählt auch, den Boost bis zum Anschlag auszureizen. Denn wie vom großen PS3-Bruder bekannt, fliegt einem die Karre irgendwann um die Ohren. Zum Glück ist es möglich, die heißgelaufene Kiste abzukühlen. Da reicht es schon, durch frisches Bergquellwasser zu sausen oder aber einen Abstecher durch den Tiefschnee zu machen.
Entscheidender für den Streckensieg ist derweil auch eine clever gewählte Fahrzeugart. Sind vor allem leichte Fahrzeuge auf der Strecke unterwegs, kann ein Lkw kinderleicht für freie Fahrt sorgen. Zumindest falls nicht allzu viele Kurven im Weg sind. Ansonsten ist ein wendigeres Fahrzeug die bessere Wahl. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es neben den bereits genannten Fahrzeugklassen auch Eiswühler, Pistenraupen und Quads gibt. Jede Klasse bietet zunächst ein Fahrzeug, zwei weitere sind freispielbar.
Fast zufällig bemerken wir, dass auch in die Fahrerpespektive umgeschaltet werden darf. Das ohnehin gute Gefühl bei Motorstorm wird hier noch einmal deutlich verstärkt. Noch fieser sieht es aus, wenn wir einen zweiten Quad- oder Motorradfahrer per Knopfdruck von seinem Fahrzeug stoßen. Noch schöner spielen sich holprige Huckelpisten und gewagte Sprünge. Dazu merkt man nun auch, dass so ein Auto bei rabiater Fahrweise schon einmal ein paar Autoteile verliert. Die Kirsche: In dem Moment, wo Queens of the Stoneage ihr Go with the flow aus den Boxen schrammeln, der Motor dröhnt und Schnee oder Regen ins Gesicht peitscht. Da frösteln die Finger.
Über hundert Rennen auf zwölf Strecken gibt es zu bewältigen. Dass es wirklich so wenige Strecken sind, ist fällt zunächst gar nicht auf. Einerseits liegt dies an den bereits beschrieben acht Fahrzeugklassen, die alle ein anderes Fahrgefühl vermitteln. Beschleunigung, Trägheit, Gewicht - zwischen Motorrad und Lkw liegen Welten, aber selbst ein Schneemobil steuert sich gänzlich anders. Diese Andersartigkeit überträgt sich auch auf die Strecke, die mit mehr als einem Weg zum Ziel aufwartet, denn verschiedene Vehikel können eben durchaus unterschiedliche Idealrouten haben. Zum anderen liegt jede der zwölf Strecken auch in gespiegelter Form vor. Einfach rückwarts fahren und schwuppdiwupp gibt es 24 Strecken.
Noch was vergessen? Klar, warum Motorstorm: Arctic Edge eigentlich rockt? Wer das bis jetzt nicht verstanden hat, dem kann nicht geholfen werden. Das Spiel beginnt zwar etwas träge, aber entfaltet rasch das typische Offroadgefühl des großen Bruders. Es mögen nur zwölf Strecken sein, die allesamt mehr nach Editor ausschauen als nach Kunstwerk. Sparsam waren die Entwickler ebenfalls mit den Modi. Neben Solo-Festival und Zeitrennen mit Bestenlisten, bleiben im Mehrspielermodus offline wie online nur normalen Rennen und Zeitbombe. Auch in Sachen Grafik haben die Bigbig Studios sicher nicht das letzte Wort gesprochen. Trotzdem bleibt der Geschwindigkeitsrausch kleben, der gute Sound im Ohr. Dass auf der Jagd nach neuen Geschwindigkeitsrekorden Embleme gefunden und Abzeichen, Fahrer, Fahrzeuge wie auch Videos freigeschaltet werden können, ist da nur schmückendes Beiwerk. Trotzdem ist der arktische Wind im Gesicht ein Genuss. Auch unterwegs.