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Might & Magic: Heroes VI

Might & Magic: Heroes VI

Es ist ein Spiel, das so viel Zeit frisst, sollte eigentlich mit Warnhinweisen auf der Packung verkauft werden. Wer sich der Sucht allerdings hingibt, wird die schleichende Abhängigkeit am Ende trotzdem nicht bereuen.

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Vor mittlerweile acht Jahren meldete der ursprüngliche Entwickler New World Computing Konkurs an. Seither warten die Anhänger auf einen Nachfolger der Hauptreihe. Über die Jahre trugen viele Spiele den Namen Might & Magic im Titel, da ist es leicht, ein wenig verwirrt zu sein. Allein die Heroes-Serie wurde mehrmals überarbeitet und neugestartet. Die Marke Might & Magic blieb dabei relativ intakt - trotz der vielen Ableger, Entwicklerwechsel und Genres, in denen sie sich bewegte.

Es ist schon erstaunlich, aber viel Verbindendes gibt es bei der Serie überhaupt nicht. 25 Jahre existiert die Serie und dabei scheint es keinen roten Faden zu geben - weder beim Konzept, den Spielmechanismen noch bei der Handlung. Ubisoft hat es genau das leicht gemacht. Sie mussten keine alten Zöpfe berücksichtigen, sondern hatten alle Freiheiten, das Spiel aufzumöbeln. Bei Heroes of Might & Magic V gelang den Franzosen nicht der große Wurf, die Spieler mochten trotzdem den dritten Teil lieber. Mit dem aktuellen Spiel versuchen sich die Strategie-Experten von Black Hole an der Serie. Wieder einmal geht es einen Schritt nach vorn - auch gegen übliche Konventionen.

Im Kern, für alle die es nicht wissen, ist Might & Magic: Heroes VI ein rundenbasiertes Taktik-Rollenspiel, bei dem wir unsere Einheiten über ein Raster bewegen. Entfernt erinnert das Ganze immer ein wenig an Schach, denn wir müssen uns jeden Zug genau überlegen und Stärken und Schwächen von unseren wie auch von den gegnerischen Einheiten kennen. Um diese strategischen Schlachten herum ist das Rollenspiel gebaut. Ebenfalls rundenbasiert ziehen wir unseren Helden, der auch der Feldherr in jedem Gefecht ist, über eine Karte. Es gibt eine Handlung, die durch Dialoge und eigene Entscheidungen vorangetrieben wird. Der Held lässt sich durch Erfahrungspunkte verstärken.

Might & Magic: Heroes VI
Helden sind die Generäle der Heere und unser Schlüssel zum Erfolg - es gibt sogar Rüstungsgegenstände auf der Karte zu finden.
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Zwei wesentliche Veränderungen fallen auf. Zunächst wurde das Ressourcen-System des Klassikers grundlegend überarbeitet. Gold ist weiterhin die Grundlage für die Wirtschaft. Holz und Eisen werden benötigt, um Gebäude in unserer Festung zu errichten. Darüber hinaus wurden aber die vier seltenen Ressource zu einer einzelnen zusammengedampft - den Blutkristallen. Eine Entscheidung, die ganz bewusst getroffen wurde, aber Anhängern der Serie sei versichert: Das ist keine wirkliche Revolution, es bleibt im Kern das gleiche, wunderbare Spielkonzept.

Weniger verständlich, aber für das Spiel eigentlich unerheblich, ist die Abschaffung der klassischen Stadtansicht. Dies erfolgt jetzt alles über Menüs aus dem Kartenbildschirm heraus, über den wir auch unseren Helden bewegen. Zwar bleibt das Spiel jetzt in einem besseren Fluss und die Ansicht muss nicht gewechselt werden, dafür geht aber eine Menge Charme verloren. Die jeweiligen Festungen für die jeweiligen Fraktionen unterscheiden sich nun nur noch in ihrer Ansicht auf der Karte. Might & Magic: Heroes VI wirkt damit noch weniger aufwendig bei der Präsentation als der Vorgänger.

Hässlich ist der Titel ohne Zweifel nicht, das Design ist einheitlich und aufgeräumt. Nur bei der Präsentation wurde eben etwas gespart, so dass es immer hübsch ausschaut, aber niemals atemberaubend. Aber vielleicht gehört es auch einfach zum Konzept, denn ein Strategiespiel überzeugt nicht durch seine Optik, sondern durch sein Gameplay. Und endlose Stunden, in denen wir die Zeit vergessen, sind auch mit Might & Magic: Heroes VI garantiert. Und schließlich bleibt der Hintergrund gleich und halbwegs wurde auch versucht, das aufbrechende Familiendrama in bereits geschriebene Geschichte zu integrieren. Unsere Helden und Antihelden führen Fraktionen an, sie lassen ihr Reich wachsen, erobern Städte, sammeln Ressourcen und steuern ein größer werdendes Heer von Kriegern, Monstern und Dämonen.

Might & Magic: Heroes VI
Städte sind das wirtschaftliche Zentrum jedes Abschnitts. Sie müssen erobert werden, um Minen besetzen zu können.
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Was wir im taktischen Gefecht vor allem verinnerlichen müssen, sind die unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten der Einheiten. Es gibt nicht einfach nur Fern- und Nahkampfeinheiten, manche sind schneller oder können sich pro Runde weiter bewegen. Obendrauf haben einige Einheiten auch Spezialfähigkeiten, mit denen wir dem Gegner ordentlich zusetzen. Es lohnt sich also, den quadratischen Kampfplatz mit den Einheiten genauer zu studieren, damit Entscheidungen clever getroffen werden.

Außerdem gibt es ja noch unseren Helden. Der verfügt über auf Mana basierende Magie-Attacken und es ist möglich, die Status-Eigenschaften von den eigenen Einheiten anzupassen. Dazu gesellt sich die Spezialfähigkeit, die an eine der fünf Fraktionen gebunden ist. Zuflucht kann zum Beispiel eine Einheit für die Dauer einer Runde unsterblich machen oder Inferno erlaubt es, eine Einheit zu verdoppeln. Glücklicherweise ist der Einsatz begrenzt, aber dennoch können solche Fähigkeiten eine Schlacht entscheiden. Die Balance stimmt aber und wer welche Einheit bevorzugt, hat mehr etwas mit persönlichen Vorlieben zu tun als mit Vorteilen.

Nervig ist der Titel nur bei Belagerungen von Städten. Wer ein fremdes Gebäude erobern will, muss zunächst die Schutzmauern niederreißen. Hier ist es allerdings unerheblich, wie stark unser Kampftrupp ist. Haben wir fünfzig Einheiten in einem Trupp, wird das Holztor in fünf Runden zerbersten. Verteilen wir die Einheiten auf fünf Trupps, fällt es in einer Runde. Weiterhin agiert die Intelligenz der Gegner gerade bei solchen Eroberungen zum Teil sehr dümmlich. Uns macht es das leicht, aber wir hoffen, dass dies ausgebessert wird, damit wir bei diesen Kämpfen nicht ganz so leichtes Spiel haben. Denn ansonsten sind die Schlachten wirklich fantastisch.

Might & Magic: Heroes VI
Ein Held kann individuell entwickelt werden - mit Blut und Tränen gibt es zwei gegensätzliche Typen, die unterschiedliche Fähigkeiten bieten.

Der sechste Teil spielt übrigens auch wieder in Ashan, allerdings 400 Jahre vor den Ereignissen im Vorgänger Heroes of Might & Magic V. Im Mittelpunkt steht eine kleine Familientragödie, die sich im Verlauf zum Drama steigert. Die Greifenherz-Dynastie ist zersplittert in unterschiedliche Fraktionen und alle Familienmitglieder verfolgen eigene Ziele, haben unterschiedliche Wertvorstellungen und fühlen sich jeweils anders gebunden - Blutvergießen bleibt dabei nicht aus. Die Verstrickungen und Fehden innerhalb der Familie beeinflussen wir in den Dialogen zu einem gewissen Teil durch unsere Entscheidungen auch selbst. Wir schreiben die Geschichte mit Blut oder Tränen.

Zwei Wege bietet Might & Magic: Heroes VI hierfür an. Den Pfad des Drachenblutes gehen jene, die schnell und brutal agieren, sich auf ihren Instinkt verlassen und Warnungen in den Wind schießen. Umgekehrt folgen die anderen dem Pfad der Drachentränen, wenn sie mit Bedacht vorgehen und Entscheidungen überdenken, bevor sie handeln. Es handelt sich dabei nicht um ein System zur Abbildung von Gut und Böse. Wenn etwa ein Unschuldiger überfallen wird, würde ein Blut-Held den Räuber unerbittlich jagen und zur Strecke bringen, bevor er noch mehr Unheil anrichtet. Der Tränen-Held würde er versuchen, mit Worten zu vermitteln, um das Opfer zu stärken und den Täter einzuschüchtern oder zu überzeugen. Beide Wege bieten unterschiedliche Fähigkeiten für unseren Helden.

Es hat schon eine Menge gemein mit seine Vorgängern, auch wenn sich erst mit der Zeit zeigen wird, wie lange wir wirklich vor der Kiste hängen bleiben. Mit dabei ist unter anderem ein Karteneditor und der Anschluss an die Community. Diese beiden Angebote können den Titel zu einem echten Dauerbrenner machen. Lange beschäftigen lässt es sich aber auch mit dem Solo-Modus. Fünf große und zwei kleinere Kampagnen halten uns mit Leichtigkeit eine Woche bei fleißigem Zocken bei der Stange. Ein wenig ist es zwar auch darauf zurückzuführen, dass sich Missionen zum Teil arg in die Länge ziehen. Dichtere Karten, weniger Wiederholung und einen leicht sparsameren Einsatz von Übertreibungen bei der Handlung hätten das Erlebnis zu einem wahren Höhepunkt werden lassen.

Im Gesamtpaket ist Might & Magic: Heroes VI aber gelungen. Ein paar Dinge wurde geändert, aber das Spiel greift auf, was in der Vergangenheit schon beliebt war. Es wurde angepasst, aber hat die Wurzeln nicht vergessen. Man kann darüber streiten, ob alle Änderung sinnvoll sind, aber zumindest fühlt sich der Titel sauber und wie aus einem Stück gegossen an. Natürlich, Nostalgiker werden Tränen vergießen über jeden einzelnen Stein, der verrückt wurde. Aber echte Freunde von Strategiespielen werden sich sehr schnell ziemlich wohl damit fühlen und gern ganze Abende verschwenden. Und heimlich werden wohl auch die größten Kritiker einfach eine neue Runde starten.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Wurzeln nicht vergessen, großer Umfang, strategische Tiefe
-
macht süchtig, etwas in die Länge gezogen, Intelligenz zum Teil dümmlich
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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