Als ich Magrunner: Dark Pulse starte, fällt mir sofort eine ganz spezielle Kleinigkeit auf. Es ist nicht das grelle Weiß des akribisch sauberen Raumes. Und auch die merkwürdig anzusehenden Figuren auf dem Holodeck wecken meine Aufmerksamkeit nicht. Vielmehr sind es die modernen Apfelbaumreben, die an den Seitenwänden befestigten sind. Die Pflanzen werden über ein eigenes komplexes Bewässerungssystem mit Nährstoffen und Wasser versorgt, um maximales Wachstum zu gewährleisten.
Sobald die Äpfel groß und rot sind, fallen sie einfach in die endlosen Röhren hinunter und dienen als Nahrungsmittel. Das ist eine tolle Erfindung - vor allem deshalb, weil ich diese geniale Art der Miniaturkultivierung auf begrenztem Lebensraum schon einmal sehen durfte. In einem Gewächshaus im sechsten Kapitel von Dead Space, dem vermutlich besten Spiels des Survival Horror-Genres. Es ist einfach immer schön, sich an so wunderbare Momente erinnern zu dürfen.
Magrunner: Dark Pulse ist als Crowdfunding Projekt gestartet und erhielt recht schnell eine breite Unterstützung. Die Ähnlichkeiten zu Portal sind aber nur anfänglich. Prinzipiell ist das Spiel ein sogenannter Puzzle-Shooter in der Ego Perspektive. Die sehr linear konzipierte Hauptgeschichte schlängelt sich durch drei Akte mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Diesen als leicht zu bezeichnen, wäre aber definitiv falsch. Stets müssen wir den Überblick über den Schauplatz an sich, sowie die Wirkung der einzelnen Bestandteile haben. Kommen wir an einer Stelle nicht weiter, muss unsere Idee nicht unbedingt falsch angelegt sein. Mehrmals habe ich einfach eine kleine Nische übersehen oder vergessen, einen gewissen Schalter zu drücken. Und Spielhilfen gibt es für solche Stellen keine, was vor allem Anfängern den Spielspaß nehmen wird.
Vor allem das letzte Kapitel birgt eine Vielzahl von sauschweren Geschicklichkeitspassagen, die durch Zeitdruck und den ständigen Tod eine wahrhaftige Geduldsprobe für den aufbrausenden Otto Normalgamer darstellt. Deshalb lässt sich auch nur schwer etwas über die Spieldauer sagen. Während des ersten Spieldurchlaufs bietet fast jeder Raum eine neue Herausforderung. Aber beim erneuten Durchspielen sollte man die meisten Kammern aus der Erinnerung abrufen können, was natürlich eine extreme Verkürzung der Spielzeit bedeutet.
Das Spielprinzip ist ebenso simpel wie komplex. Mit unserer Magtech- Handschuhkanone, die mich stark an das Zeitmanipulationsgerät aus Singularity erinnert, schießen wir elektrisch geladene Strahlen ab. Diese wiederum laden gewisse Konstruktionen und Flächen entweder auf oder ab. Im Spiel sieht das dank bunter Farben und den dazugehörigen Energiefeldern stets hochkomplex und fast verwirrend aus. Denn die Mechanik ist eben genau das, was wir von Magneten erwarten. Entweder ziehen sich gleich gepolte Felder an oder sie stoßen sich ab. Aber sobald wir begreifen, wie viele Möglichkeiten schon diese wenigen Faktoren ergeben, wird Magrunner: Dark Pulse hochkomplex und knifflig.
Eigentlich ist der gesamte erste Abschnitt nur eine Einführung, um die grundlegenden Spielmechaniken zu verinnerlichen. Egal ob Plattformen, Energieröhren, Blöcke oder umfunktionierte Abschussrampen. Später kommen merkwürdige Würfelkomplexe und sogar einige Spiegel dazu. Je nachdem, ob die Elemente im Boden verankert sind oder lose herumgetragen werden, entstehen eine ganze Menge Lösungsansätze, aber es existiert immer nur ein Lösungsweg. Von diesem gibt es auch kein Abkommen. Denn der Weg führt uns stets von Testkammer zu Testkammer und später durch heruntergekommene Fabrikanlagen und... Lieber nicht zu viel verraten, denn die Geschichte gewinnt erst gegen Ende des zweiten Kapitels an Fahrt. Bis dahin sollte man sich einfach durchbeißen.
Ziemlich tolle Momente bieten aber auch die sparsam, aber stetig einsetzenden Horror-Momente. Das sind kleine, atmosphärische Spannungsspitzen, die nicht durchgehend vorgefertigt sind. So vergisst man dieses "auf Schienen"-Gefühl für einen kurzen Moment. Nervig hingegen sind die langen Ladepausen nach jedem abgeschlossenen Abschnitt. Diese kommen so häufig vor, dass der Spielfluss und erst recht die ganze Geschichte schleppend voranschreiten.
Total überrascht war ich von Newton. Das ist ein magnetischer Ladungspunkt, der ein eigenes Magnetfeld besitzt. Er haftet an fast allen Oberflächen und darf eine Ladung aufnehmen. Mit seiner Hilfe manövrieren wir uns durch die späteren Level, fast ohne andere Interaktionsobjekte. Übrigens ist der Newton ein Hund. Und er schaut auch ganz süß. Ein stiller Begleiter, den ich gerne einfach irgendwo in der Gegend befestigt habe, damit er mir moralische Unterstützung bei schwierigen Aufgaben gibt. Wirklich hilfreich ist er dabei aber eigentlich nicht. Nein, seine Anwesenheit macht sogar einiges etwas schwieriger und das ist ein bisschen schade.
Die Präsentation lässt leider zu wünschen übrig. Texturarm und klein, mit diesen Worten dürfen sich die Innenareale schmücken. Draußen sieht es etwas schöner aus, wenn auch nicht viel besser. Klar, es ist kein Titel mit großem Budget. Doch sogar auf der höchsten Grafikstufe - man sieht es den Screenshots an - überzeugen die pixeligen Kanten und die geringe Weitsicht kaum. Die Steuerung und der Sound sind dagegen absolut solide.
Trotzdem sollten wir darüber nicht meckern. Die kleinen Schönheitsfehler stören kaum, weil sie ohnehin nichts zum Spielgefühl beitragen. Kern des Spiels ist die logische Verknüpfung der magnetisch geladenen Teile. Nach jedem schwierigen Rätsel, das wir schaffen, folgt sofort ein Gefühl der Erleichterung. Stecken wir fest, frustriert Magrunner: Dark Pulse ungemein. Menschen, die sich jedoch in die Materie hineinfuchsen, stört das kaum. Es gibt immer eine Lösung. Diese zu finden, das fordert und belohnt - ähnlich wie beim großartigen Portal. Und schon für dieses Gefühl lohnt es sich, einen Blick in die Welt von Magrunner zu werfen - nie war Physik interessanter.