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Just Cause 2

Just Cause 2

Die Schweden von Avalanche gehen in die nächste Runde und werfen den Fallschirmkönig Rico über dem gigantischen Inselreich Panau ab. Jonas "Che" Elfving hatte eine unglaublich gute Zeit zwischen Militärsilos, Autos und Waffen...

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Der Sprengsatz wurde vor wenigen Sekunden angebracht und blinkt jetzt diskret an der Spitze der Rakete. Diese Rakete wird nun wirklich in die Luft fliegen oder mich soll der Teufel holen. Schüsse aus Gangsterwaffen zischen an meinen Kopf vorbei und ich springe todesmutig ins Leere. Der Fallschirm entfaltet sich, ich drücke auf den Auslöser und höre ein befriedigendes KABOOM hinter mir. Mission... nicht erfüllt!? Mist, die Ular Boys haben noch eine weitere Rakete versteckt, die bereits dabei ist, den Boden zu verlassen. Es eilt. Ein nah gelegenes Kampfflugzeug wird gekapert. Ich sprenge die Rakete in die Luft, gerade bevor sie in unerreichbare Höhen steigt. Mit Triumph im Blick und Beifallsrufen im Headset sause ich weiter über Panau hinweg. Ich entdecke den schwebenden Nachtclub "Mile High Club" und fessele einen männlichen Stripper und einen Wachmann mit meinem Enterhaken aneinander. Ich merke, dass ich lächele.

Aus Chaos entsteht Ordnung. Die schwedischen Entwickler von Avalanche sahen sich einer wirtschaftlichen Krise gegenübergestellt und waren gezwungen, ihr Unternehmen stromlinienförmiger zu gestalten. Kleinere Projekte wurden abgebrochen und alle Ressourcen auf den Nachfolger des Agentenabenteuers Just Cause konzentriert. Der zweite Teil wurde verschoben, erst auf das Jahr 2009 und dann sogar bis in dieses Jahr hinein. Jetzt ist Rico also gelandet und es war das Warten wirklich wert.

Rico Rodriguez, der fallschirmspringende, waffenliebende Stuntmeister von Avalanche aus Schweden ist jetzt also in Just Cause 2 zurückgekehrt und er ist in strahlender Form. Dieses Mal erforscht der Agent eine neue, riesige Insel: Wir werden auf das fiktive Inselreich Panau vor der Küste Südostasiens losgelassen. Der Diktator Baby Panay soll geputscht und unser alter Bekannter Tom Sheldon aufgespürt und erledigt werden. Außerdem müssen die drei rivalisierenden Gruppierungen der Reapers, Ular Boys und Roaches bei Laune gehalten und zudem noch ordentlich Chaos verbreitet werden.

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Das, was sich Avalanche zum Ziel gesetzt und mit Just Cause 2 tatsächlich sehr schön erreicht haben, ist eine oft von PR-Leuten der Gamingbranche zitierte Phrase: Freiheit. Die Freiheit, zu tun, was man will. Die Freiheit, es zu tun, wie man will. Und die Freiheit, einen Tourbus kamikazemäßig in eine Tankstelle zu schicken, einfach nur, weil man gerade das Gefühl hat, dass die alberne Tankstelle das nicht anders verdient hat. Bei Actionspielen diesen Typs stürze ich mich meist rastlos auf den Hauptauftrag und lasse die Nebengleise links liegen, aber in Just Cause 2 ist das anders. Es ist nämlich sowohl unterhaltsam als auch befriedigend, stehenzubleiben und an den Rosen zu riechen, um sie dann einen Moment später kurz und klein zu sprengen.

In mehreren Situationen, als ich gerade anfing, mich beim Herumlaufen mit Rico auf Panau zu langweilen, tauchten neue Möglichkeiten auf. Als ich zum Beispiel die Insel Pulau Berapi entdecke, die mit Silos und Pipelines nur so zugekleistert ist, bringe ich überall Sprengladungen an. Es macht wirklich Spaß, zu zerstören und explosive Kettenreaktionen in Gang zu setzen, aber nach einer Weile wird das langweilig. Außerdem wird man arm, weil man das ganze Sprengmittel kaufen muss. Ich denke darüber nach, ob ich weiterziehen soll. Als dann aus einem Helikopter abgefeuerte Schüsse gefährlich nahe neben mir einschlagen, fühlt sich diese Idee noch besser an. Ich laufe zum Meer und will fliehen. Aber warte mal, murmele ich. Krise oder Möglichkeit? Ich drehe mich um und stürze mich auf den angreifenden Quirl, hake mich ein und werde hochgewirbelt. Einen rausgeschmissenen Pilot später besitze ich Raketen und eine Minigun, mit der ich den Rest der Insel kaputt sprengen kann.

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Außerdem entsteht ein schöner Kontrast, wenn wir nach einem erledigten intensiven Auftrag (für den es einen süchtig machenden Jingle à la James Bond als Belohnung gibt) mit dem Fallschirm springen und nur das Sausen des Windes, das Prasseln des Fallschirmes und ein paar Töne entspannter Gitarrenmusik hören. In diesen Momenten darf man nur die Aussicht genießen und muss nicht voller Stress zum nächsten Auftrag eilen. Dann ist Just Cause 2 tatsächlich am besten.

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Gesprengte Silos und andere gewalttätige Erfolge werden in "Chaos" gemessen, und dafür gibt es in Just Cause 2 eine eigene Anzeige. Sprenge ein explosives Fass in die Luft, zehn Chaos. Eine Militärbasis, einige Tausend Chaos. Wenn die Chaosanzeige hoch genug steht, passieren mehrere Dinge: Der Einfluss der drei Fraktionen steigt, die Regierung wird schwächer und uns werden neue Agentenaufträge zugänglich gemacht. Das ermuntert einen natürlich dazu, Panau zu erforschen und überall ein bißchen rumzuballern, um weiter voranzukommen. Außerdem können wir über symbolische Handlungen zivilen Ungehorsam lostreten, zum Beispiel, indem man die Köpfe der Führerstatuen auf dem Dorfplatz abschlägt. All dies gibt einem das Gefühl, dass man wirklich ein echter Aufwiegler ist, der seinen ultimativen Spielplatz gefunden hat.

Panau ist riesig, tatsächlich wahnsinnig groß mit seinen 1024 Quadratkilometern und ich sehne mich nach einer Zahl, die benennt, wie lange es dauern würde, wenn man mit Rico über das ganze Inselreich gehen würde. Ich selbst habe aber nicht den Nerv, die Zeit zu stoppen. Die Bereiche sind außerdem deutlich dichter besiedelt als im ersten Teil. Zwischen den größeren Aufträgen gibt es nun zudem eine Menge Kleinkram, mit dem man sich beschäftigen kann. Antennenmasten müssen gesprengt und Kommandanten erledigt werden. Und es gibt Fahrzeugherausforderungen, bei denen es darum geht, mit dem Flugzeug Checkpoints abzufliegen.

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Der Enterhaken ist beim normalen Vorankommen unumgänglich und macht lange Spaziergänge zu einem akrobatischen Vergnügen. Im Kampf kann er darüber hinaus äußerst humorvoll eingesetzt werden. Es wirkt unwiderstehlich spielerisch, wenn man einen Propantank beschießt, sich dann an diesem festhakt und sich so auf eine zischende Raketentour im Miniaturformat begibt. Außerdem lassen sich mit dem Enterhaken zwei verschiedene Objekte (zum Beispiel zwei Feinde) aneinander befestigen und so lustige Gummibandeffekte erzielen. Oder man bindet einen Gegner an einen Hubschrauber, um so ein unterhaltsames Kielholen über den Wolken in Gang zu setzen. Dieses Experimentieren nimmt viel Zeit in Anspruch und ich glaube Avalanche wirklich, wenn sie sagen, dass sie während der Entwicklung des Spiels selbst viel mit dem Enterhaken rumgespielt haben.

Wenn Ricos Waffenvorräte langsam zur Neige gehen, kann er ein Treffen mit einem Repräsentanten des Schwarzmarktes einberufen, der dann unmittelbar mit seinem Hubschrauber eintrifft. Diese hochexplosive Antwort auf den Tiefkühlservice von Eismann erlaubt uns, Waffen zu kaufen und zu verbessern, neue Fahrzeuge anzuschaffen und zu bereits besuchten Plätzen auf Panau mitgenommen zu werden. Praktisch, auch wenn der Einkauf von Artikeln der Grundausstattung wie etwa Handgranaten unnötig lange dauert. Denn für jede Sache, die man kauft, muss eine Warenkiste aus dem Helikopter geworfen werden und das bedeutet natürlich entsprechende Ladezeiten. Das ist jedoch nur ein kleines Minus und wird von der ständigen Zugänglichkeit kompensiert.

Es gibt mehrere neue Waffen in Just Cause 2, unter anderem eine abschraubbare Minigun, Granatenwerfer, die mit nur einer Hand zu bedienen sind und jene Sprengladungen, die die Raketen zu Beginn dieses Textes ins Jenseits beförderten. Mir fehlt ein wenig Gewicht in den Knarren und dad Fußvolk fühlt sich manchmal etwas zu doll wie Kanonenfutter an. Aber das ist wohl ein Nebeneffekt davon, dass man in der Minute zuvor noch Hubschrauber und Kampfjets gelenkt hat und davon, dass insgesamt einfach so viel in die Luft gesprengt wird.

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Panau ist ein reizendes Plätzchen, aber grafisch ist es alles ziemlich unausgewogen und Just Cause 2 gehört nicht zur allerknusprigsten Elite der Actionspiele. Der Grund dafür ist natürlich die enorme Fläche der Insel, die wir uns ohne Ladzeiten erschließen dürfen - und das erfordert natürlich Zugeständnisse. Rico wird von ziemlich viel Bewegungsunschärfe umgeben und es wurde versucht, mittels starker Lichteffekte über das eine oder andere hinwegzutäuschen. Die Zwischensequenzen sind leider manchmal richtig langweilig. Dafür ist die Weitsicht wie gehabt spitzenmäßig und man wird bei deinen vielen Base-Jumps oft eine schwindelerregende Aussicht genießen.

Just Cause 2 macht sehr viel Spaß. Das Spiel hat keine bewegende Story, keinen rasanten Onlinemodus und auch nicht die beste Grafik. Aber es hat unbändige Spielfreude. Was mich anbelangt, so schlagen Ricos schwungvolle, erforschende Sprünge zwischen den Dächern in ihren besten Momenten die Herren Ezio, Nathan Spencer oder einen Crackdown-Agenten um Längen. Panau ist ein gelungener Spielplatz und Avalanche haben den Kreis geschlossen: Aus Ordnung entsteht unterhaltsames Chaos.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Reichlich Abwechslung, herrliche Stunts, fantastisches Freiheitsgefühl, charmante Spielwelt, ordentliche Explosionen
-
Teilweise hässliche Grafik, mittelmäßige Story, ein paar langweilige Aufträge
overall score
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