Es fängt vielversprechend an. Polizist Davis Russel und sein Kollege Leo Delgardo fahren durch die Stadt, als die Erde plötzlich zu beben beginnt und unter lautem Getöse an vielen Stellen aufbricht. Noch bevor sich die beiden Männer darum kümmern können, entdecken sie am Ende der Straße einen Hünen, der wild in die Menge schießt. Sie rücken ihm mit zwei fetten Wummen, die der Polizist von heute natürlich immer griffbereit im Fußraum zu liegen hat, auf die Pelle. Das Spiel nimmt jetzt richtig Fahrt auf, denn irgendwo im beinahe zusammen fallenden Apartement sind noch Davis' Frau und Tochter.
Auf dem Weg kämpfen wir uns an einigen Rage-artigen Gegnern vorbei. Offenbar planen die Freaks eine Invasion der Erde, was man ihnen wegen offenbar großer Sprachschwierigkeiten zunächst gar nicht zutraut. Doch wir müssen weiter. Im Haus brennen bereits die ersten Wohnungen, ein Mann steht in Flammen und rennt an uns vorüber. Eine Frau schreit um Hilfe, kurz bevor ihr ein schwerer Träger ins Genick fällt. Nach einigen Erschütterungen scheint die Gravitation völlig aus den Fugen zu geraten, denn plötzlich überrascht uns ein Lutador kopfüber von der Decke. Das Gefühl, ein Feind könnte uns überall auflauern, lässt uns angespannt das Fadenkreuz über Wände und Decken ziehen und baut unheimlich Spannung auf.
Die kann Inversion leider nicht über die gesamte Spieldauer aufrechterhalten. Nachdem Davis und Leo gefangen genommen werden und in einem Arbeiterlager landen, trüben erste matschige Texturen das Spielvergnügen. Überhaupt schwankt die Grafikqualität extrem. Manchmal staunen wir über die hübschen Umgebungen, an anderer Stelle möchte man dann lieber nicht mehr so genau hinsehen. Eine weitere Schwäche offenbart sich erst nach dem Ablaufen des ersten Spannungsbogens: Die Überzeugungskraft der beiden Protagonisten ist durch mangelnde Emotionen und platte Gespräche nur selten vorhanden. Davis' Trauer um seine Tochter, deren Verbleib weiter ungewiss ist, aber die gemeinsam mit anderen Kinder entführt worden zu sein scheint, wirkt aufgesetzt und die Dialoge bringen uns meist eher unfreiwillig zum Lachen.
Doch statt großer Emotionen lassen die beiden Männer lieber den Gravlink sprechen. Die zentrale Waffe des Spiels hat ihren ersten Einsatz beim Erkunden der unterirdischen Höhlen des Arbeiterlagers. Mit dem leuchtenden Gerät auf dem Rücken beeinflussen wir die Schwerkraft und lassen per Knopfdruck Steine, Holzplatten und Fässer schweben. Anfangs sichern wir so unser Vorankommen. Später wird der Gravlink zur unersetzlichen Waffe in Gefechten mit den Lutadore, die sich gern hinter Tresen, Kisten und Mauern verstecken. Mit einem gezielten Schuss holen wir sie aus ihrer Deckung hervor und lassen sie in die Lüfte entschweben. Weil sie sich dann nicht mehr schützen können, trifft unser Kugelhagel sie mit voller Wucht.
Mit dem blauen Licht ziehen wir aber auch allerlei Gegenstände an und verwenden sie als Wurfgeschosse. Das erinnert in den Zügen an Bulletstorm, denn wie mit einem Lasso fangen wir auch Gegner und schleudern sie davon. Ist erst einmal alles in Bewegung, wird die Auswahl des Wurfgeschosses schwieriger und statt des explosiven Gasgemisches wählen wir wieder die Holzplatte an. Doch gerade bei Zwischengegnern ist taktische Weitsicht gefragt, was die Sache nicht einfacher macht.
Mit dieser kleinen Zauberwaffe gelingt uns die Flucht aus dem Lager und wir kehren zurück in die zerstörte Stadt. Dort kommt endlich eine Inversion-Besonderheit zum Einsatz, die uns staunen lässt und richtig Spaß macht: die leuchtenden Gravitationspunkte, die unsere Welt mal eben völlig auf den Kopf stellen. Einmal auf so einen Punkt getreten, verschiebt die Gravitation unseren Standpunkt und plötzlich laufen wir die Wände seitwärts oder gerade nach unten entlang und gewinnen immer wieder einen neuen Blick auf die Stadt. Das wird teilweise super inszeniert, wie etwa bei dem Fall seitlich in eine große Fensterfront, die wir dann geräuschvoll durchbrechen! Umso unverständlicher ist es, dass gerade diese Besonderheit eher wenig zum Einsatz kommt.
Dafür kehren umso öfter die Zwischenbosse wieder. Um genau zu sein: der Sklaventreiber. Der taucht nicht etwa ein oder zwei mal auf, sondern gefühlte hundert mal. Dabei schwingt er jedes mal seinen nackten Bauch zum Hohn in unser Gesicht und hetzt seine furchtbar schnellen Zombie-Sklaven auf uns. Es war am Ende mein persönlicher Albtraum, wie dieser eklige, fette Typ seine Peitsche schwingt und nach weiteren Gefolgsleuten ruft.
Wäre das nicht schon nervig genug, beschließt unser sonst eigentlich hilfreicher Kollege, der von der Künstlichen Intelligenz beseelt ist, immer wieder genau vor dem Sklaventreiber stehen zu bleiben. Das Wiederbeleben wird so nicht gerade erleichtert und mehr als einmal flucht man über diese und die eigene Dummheit innerlich lauthals. Im Koop hat man da an diesen Stellen mehr Spaß. Am Ende wird aber auch dieser Zwischengegner, wie die anderen Bosse auch, durch das Abspulen der immer gleichen Taktik besiegt.
Doch Abwechslung wird in Inversion ohnehin nicht besonders groß geschrieben. So kämpfen wir uns durch die eine Gegnerhorde, um dann wenig später von einer neuen Gegnerhorde erwartet zu werden. Am besten noch mit einem Sklaventreiber in der Mitte. Unterbrochen wir das Ganze durch kleinere Quick-Time-Events, in denen sich zwei erwachsene Männer kleine Hindernisse hinaufhelfen.
In der kompletten Schwerelosigkeit wird's dann doch noch mal interessant, denn hier können wir keinen Gebrauch vom Gravlink machen. Per Knopfdruck hangeln wir uns an den Bruchstücken in der Luft entlang oder nutzen sie als Deckung, um den rettenden Zwischenspeicherpunkt auf der anderen Seite zu erreichen. Verhindern wollen das Lutadore, fiese Harpyien, die von der Decke auf uns niedersausen oder kleine Drohnen, die uns mit Laserstrahlen ausschalten wollen.
Die vielversprechende Geschichte wird leider nur bedingt vorangetrieben. Zum Ende hin wartet Inversion zwar noch mit einigen Überraschungen auf, die wieder das Interesse an der Story um die manipulierte Schwerkraft, die entführten Kindern und den seltsamen Kult der Lutadore wecken. Bis es allerdings so weit ist, muss man viele Deckungskämpfe, unschöne Umgebungen und nichtssagende Dialoge über sich ergehen lassen.
Doch Inversion ist kein durch und durch schlechtes Spiel. Es ist ein solider Deckungsshooter mit guter Steuerung, der Fans von Gears of War und Bulletstorm sicher gefallen wird. Es ist eines dieser Spiele, die nur viel mehr sein könnten, wenn die Entwickler nicht beim Ansatz stehen geblieben wären. Wenn sie ihre Geschichte tiefgründer und spannender erzählt und die Ideen zu Ende gedacht hätten. Aber hätte, hätte, Fahrradkette - statt schwerelos mit Inversion davon zu schweben, bleiben wir auf dem eher harten Boden der Tatsachen. Es ist eben nicht mehr draus geworden.