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Indie-Games: Morgen schon vergessen?

Wir haben mit Indie-Entwicklern wie Dean Hall und Simon Roth darüber gesprochen, ob sie Peter Molyneux zustimmen. Der hat kurzerhand das Ende der Szene vorausgesagt.

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Vor kurzem sorgte 22cans-Gründer Peter Molyneux (mal wieder) für reichlich Diskussionen, als er Indie-Games bescheinigte, nur eine Phase zu sein, die bald wieder ein Ende finden wird. In einem Interview auf der diesjährigen GDC erklärte Molyneux, legendärer Entwickler von Titeln wie Populous und Fable, gegenüber CVG, dass er den aktuellen Indie-Trend für genau das halte: einen Trend. Lange andauern würde der nicht.

Wir sind uns nicht ganz sicher, ob wir das genauso sehen. An Meinungen zumindest mangelt es nicht: In den letzten Tagen haben sich zahlreiche Entwickler zu Wort gemeldet, die mit ihren Äußerungen weiter Öl ins Feuer gossen.

Indie-Games: Morgen schon vergessen?
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Peter Molyneux spaltete schon seit Beginn seiner Karriere die Meinungen. Godus ist Molyneuxs neuestes Spiel. Fable kreierte mit seinem Studio Lionhead Studios, eine weitere Firma, die er ins Leben rief und die nun zu Microsoft gehört.
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"Alles geht einen Kreislauf", sagt Molyneux. "Was ich damit sagen will: Genießt die Zeit, denn sie wird nicht ewig dauern. Glaubt nicht, dass es sich in den nächsten Jahren ausschließlich um Indies drehen wird - alles hat seinen Zyklus, ganz genau wie im Musik-Business. Es gibt eine Zeit, da wird Punk ganz groß geschrieben und eine Zeit wie heute, wo alles fabriziert wird. Genießt die Zeit, denn sie wird unausweichlich von kurzer Dauer sein." Schließlich fügt er noch hinzu, dass Indie-Titel nicht nur Erfolg anziehen, sondern auch Investments und mit eben jenen kommen zusätzlich Bürden, die letztendlich jegliche Kreativität ersticken können.

Schon kurz nach Veröffentlichung des Interviews schrieb Mark Wilson von Devolver Digital einen Antwortbrief, der von Destructoid gepostet wurde. In diesem erläuterte er die Gründe, die für ihn gegen Molyneuxs Äußerungen sprechen:

"Diese kleinen Teams machen unglaublich kreative Spiele mit Werkzeugen, die sich jeder beschaffen kann, die auch Nicht-Programmier benutzen können und für die man keine Technik- oder Design-Abteilung in großen Ausmaßen benötigt. Die Spielmechaniken, auch bekannt als SPASS, und selbst das Storytelling von Indie-Spielen - die im übrigen kein eigenes Genre sind, um das nur mal festzuhalten - werden von Künstlern erschaffen, die vollkommen unabhängig sind und zu keiner Firmen-Maschinerie gehören oder jemandem verpflichtet sind, der nichts mit der Kunst an sich zu tun hat. Indies überholen ständig große Produktionen, und das obwohl 2013 einige der beeindruckendsten AAA-Titel zu bieten hatte, die es je gegeben hat."

Indie-Games: Morgen schon vergessen?
Devolver Digital haben sich schon einen Namen in der Indie-Szene gemacht. Hotline Miami war dabei bisher einer ihrer größten Erfolge.
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Er fährt fort: "Meiner Meinung nach ist es nicht so, dass eines besser als das andere ist ... es sind einfach verschiedene Arten von Künstlern, die an verschiedenartigen Projekten innerhalb der Welt der digitalen Unterhaltung arbeiten, die wir "Spiele" nennen. Der Kern-Unterschied und der Grund, warum wir die Idee eines Kreislaufes oder einer Modeerscheinung ablehnen, ist, dass das angestrebte Ziel der Künstler grundlegend anders ist. Natürlich, sie erfahren den Reiz des Geldes und der Möglichkeiten, die ihnen entgegen geworfen werden, doch bisher haben sie nicht angebissen. Zumindest gilt das für den größten Teil von ihnen. Diese Künstler erschaffen, was sie wollen, und zwar zu ihren eigenen Bedingungen. Und das ist für sie viel wertvoller, als sich zu verkaufen oder etwas Großes zu machen."

"Wir versuchen hier nicht im Namen der Indie-Community zu sprechen, das ist nicht unser Ziel. Doch was wir beobachten, ist, dass die Frauen und Männer der Indie-Community keine kleinen Spiele mit kleinen Teams machen, weil sie sich beweisen wollen, um in ein größeres Team mit größeren Projekten wachsen zu können. Sie entscheiden sich dazu, zu tun, was sie tun, weil sie es lieben. Sie konkurrieren nicht im Geheimen, sondern arbeiten ganz offen zusammen, helfen sich hoch und inspirieren sich gegenseitig. Game-Jams!!! Und während sich viele von ihnen finanziell hervorragend schlagen, ist das ja nicht der Punkt, zumindest nicht der hauptsächliche. Und wir glauben, dass ist eben anders, als es in der Vergangenheit der Fall war."

"Die Sache ist, dass es eben keine Modeerscheinung ist. Das sind die Früchte des Herunterbrechens von Stein und Mörtel einer von Unternehmen getriebenen Maschinerie durch das Wunder der digitalen Distribution (danke, Gabe!). Und weil das so einfach, global und erreichbar ist, ist es für Fans leicht zu finden, was sie suchen. Das Internet ist passiert. Social und mobiles Spielen sind passiert. Und diese Dinge werden nicht wieder verschwinden."

Wir haben uns gefragt, was die anderen Indie-Entwickler von Molyneuxs Kommentaren halten. Deshalb haben wir die Frage einigen von ihnen gestellt, die in unabhängigen Studios - kleinen wie großen - arbeiten, um zu sehen, welche generelle Einschätzung sich ergibt.

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Dean "Rocket" Hall wurde durch DayZ bekannt. Jetzt arbeitet er an der Standalone-Version der Mod.

DayZ-Erfinder Dean Hall, den man aus der Modder-Szene kennt, gehört jetzt (noch) zu Bohemia Interactive, wo er an dem offiziellen Standalone-Titel von DayZ arbeitet. Hall hat uns erklärt, was er von der Sache hält: "Zu einem gewissen Grad ist alles eine Phase, alles verändert sich. Die Frage ist nur, wie lang diese Phase andauert. Ich glaube, es ist schwer zu definieren, was Indie-Spiele sind. Sieht man sich etwa eine Firma wie Bohemia an, da arbeiten über einhundert Menschen, trotzdem ist das alles unabhängig. Ich denke, nicht alle Indies werden gleich geschaffen."

Weiter erklärt er: "Ich glaube schon, dass Publisher ihren Platz in der Welt finden müssen, denn die Dinge ändern sich durch Kickstarter und Early Access. All das definiert den Weg der Industrie und die Rolle und Bedeutung der Publisher neu. Wenn wir als Entwickler keine Discs mehr produzieren, dann brauchen wir ihre Produktionsmöglichkeiten und Vertriebskontakte nicht mehr. Aber Early Access und Kickstarter sind genauso wenig stets ein Zuckerschlecken."

Jamie Hales, der für Bizarre Creations arbeitete, bevor das Studio geschlossen wurde, arbeitet jetzt an einem Indie-Jump'n'Run namens The Arc. Als wir ihn fragten, ob Indies nur eine vorübergehende Erscheinung seien, meint er: "Das glaube ich nicht, die waren schon immer da. Ich glaube, sie werden sich entwickeln. Die Spiele, wir jetzt machen, werden größer. Je mehr Geld dir zur Verfügung steht, desto mehr passen sich deine Ideen der Größe des Budgets an. Wie bei Thomas Was Alone, ein fantastisches und kleines Jump'n'Run. Mike Bithell hat damit ein bisschen Geld gemacht und entwickelt jetzt Volume. Es ist immer noch einfach, aber es ist ein Spiel von größerem Umfang als es Thomas Was Alone gewesen ist. Die Leute werden es immer nur wegen ihrer Leidenschaft machen und viele nur zum Spaß."

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The Arc von Pixel Balloon und Kenshi von Lo-fi Games.

Chris Hunt, der seit einigen Jahren an dem RPG/RTS-Sandbox-Titel Kenshi arbeitet, hat eine viel kürzere Antwort als die meisten parat: "Er redet Schwachsinn. Peter Molyneux ist eine Phase."

Phin Di leitet ein kleines Entwicklerteam, das an dem Rollenspiel TinyKeep arbeitet. Din erklärt, dass er glaubt, das Scheinwerferlicht rund um die Indie-Entwicklerszene würde sich ab irgendeinem Punkt abwenden und erlischen. "Indie-Games hat es schon immer gegeben. Den Leuten macht es ganz offensichtlich Spaß, Spiele zu entwickeln. Ich glaube, die Phase, von der Peter Molyneux spricht, ist eher der Ruhm und die Anerkennung, die mit der Entwicklung von Indie-Titeln verbunden sind. Und die wird vielleicht irgendwann kippen und versiegen."

"Das heißt aber nicht, dass die Leute aufhören werden, unabhängige Spiele zu machen. Der Fokus wird sich mehr auf die besseren Indie-Titel legen. Dann werden die Entwickler nicht mehr sagen: 'Ich bin ein Indie-Entwickler' und plötzlich wie Rockstars gefeiert werden. Das wird aufhören und die Leute werden Indie-Spiele vergessen. Und dann reden wir einfach über die Spieleentwicklung an sich ... ich denke, der Markt wird immer wettbewerbslastiger und wenn Indies die Einsteigshürde sind - und da gibt es einiges, mit dem man sich messen lassen muss -, dann bedeutet das, dass es nur die besten nach ganz oben schaffen. Die Lektion ist am Ende, dass man eben bessere Spiele machen muss."

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TinyKeep ist ein Dungeon Crawler mit süßer Grafik und vielen Toden.
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Roll7 verdienten sich ihre Sporen mit OlliOlli und haben gerade erst ihren neuesten Titel Not A Hero angekündigt.

Tom Hegarty Director von Roll7, die uns Spiele wie OlliOlli und das kürzlich angekündigte Not A Hero bescheren, bringt es auf den Punkt: "Ich glaube, sie sind keine Phase. Sie waren schon immer da. Im Moment bekommen sie viel Aufmerksamkeit und ich denke, das ist eine Veränderung, die es gegeben hat. Aber ich glaube nicht, dass es eine Phase ist. Wir sind hier, um mit AAA-Spielen zu konkurrieren. Wir werden nie dasselbe Budget haben, wir werden nie Spiele von derselben Größe produzieren können, aber es gibt einen Bedarf. Der mag steigen und sinken, manches mag modern sein und dann wieder out, aber Indies sind gekommen, um zu bleiben - definitiv."

Auch Simon Roth, dessen Spiel Maia eine Homage an viele Bullfrog-Titel ist, immerhin das ehemalige Molyneux-Studio, hat etwas zum Thema beizutragen. Er ist ganz klar ein Fan der Molyneux-Spiele und von allen Entwicklern war er derjenige, der der Phasen-Theorie noch am ehesten zustimmen mochte. Doch selbst er klang skeptisch: "Es gab schon immer ein Auf und Ab, jeder war mal oben und unten. Ob das nun etwas ist, das wir vorhersehen können oder das wir mit Ja oder Nein beantworten können ... ganz offensichtlich steht uns Großes bevor: Steam öffnet sich für mehr und mehr für Entwickler. Wenn man das als Kreislauf bezeichnen will, dann sind wir gerade auf dem Aufstieg und der Abstieg steht in den nächsten paar Jahren noch nicht an."

Am Ende stimmen wir bei Gamereactor der Mehrheit zu, die sagt, dass Indie-Spiele gekommen sind, um zu bleiben. Nie zuvor gab es ein so großes Spektrum an Spielen und verschiedenen Erfahrungen. Dank Kickstarter, Steam, Bundles, mobilen Titeln und der Mehrheit der Konsolen, die Indies ins Rampenlicht rücken, ist es eher unwahrscheinlich, dass der Geist wieder in seiner Flasche verschwindet. All diese Dinge sind passiert und können nicht ungeschehen gemacht werden. Deshalb glauben wir, dass Indie-Games über Jahre hinweg neben Großproduktionen ein veritabler Teil der Spielelandschaft sein werden. Um uns, den Konsumenten, Auswahl und Unterhaltung zu bieten. Das bleibt hoffentlich noch lange so.

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Simon Roths Maia zeigt Ähnlichkeiten zu vielen Besonderheiten der frühen Molyneux-Titel.


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