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Gran Turismo

Gran Turismo

Die Rennspielreferenz von Polyphony Digital sucht ihr Glück auf der Playstation Portable. Kazunori Yamauchi präsentiert einen Pokémon-Autoporno der Oberklasse, der aber einige Potenzprobleme im Detail offenbaren muss.

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25 Sekunden Sekunden können so unendlich lang werden. Wenn 25 Sekunden mit 100 Versuchen multipliziert werden, sind es 2500 Sekunden. Geteilt durch 60 macht das knapp 40 Minuten. So lange habe ich es mindestens mit der ersten Bonus-Herausforderung im Set „Die ultimative Herausforderung Teil 2" probiert. Ein Toyota GT-One Race Car gegen einen Mercedes CLK-GTR. Beides GT-Rennwagen, die keinen Ruckler beim Lenken verzeihen. Die unnachgiebig am Gas hängen. Einmal im falschen Moment auch nur eine Millisekunde nicht das Richtige gemacht, schon ist es vorbei. Einfach nur überholen sollte ich den CLK-GTR. Ich hab's nicht gepackt. Gran Turismo für die PSP hat mich besiegt. Vorerst.

Auch das Herumspielen an den Optionen blieb leider fruchtlos. Manuelles Getriebe ist mit den GT-Karren nicht sinnvoll machbar. Die Aktivlenkung verbessert zwar etwas das Handling, aber es reicht einfach nicht. Die Fahrhilfen TKS (Traktion) und ASK (Antischlupf) zeigen auch nicht den gewünschten Effekt. Ich muss es wohl einfach einsehen: bis hierher und nicht weiter geht es momentan, jedenfalls für mich. Eine verdammte Herausforderung - aber so ist Gran Turismo eben. Das macht es ja auch so gut.

102 Herausforderungen gibt es inklusive der Bonusmissionen, ich habe bis dato sieben Gold- und 21 Silbermedaillen bekommen. Die Gold-Ziele sind teilweise so absurd hart, dass es Sinn machen würde, sich hierfür eine ordentliche Prallschutzhülle für die PSP zuzulegen. Nur so für den Fall, dass hier jemand doch irgendwann genervt aufgibt und die PSP kurzerhand an die Wand klatscht, weil er mal wieder um drei Tausendstel am Edelmetall vorbeigerast ist.

Aber genau für diese Schwierigkeit steht Gran Turismo. Das Spiel ist ja nicht ohne Grund auch für die PSP mit dem Zusatz „The real driving simulator" versehen. Genau darin liegt der Reiz des Titels, seine Wurzeln, seine Seele: in der Simulation. Wobei es schon sehr offensichtlich ist, dass die PSP-Version hier deutlich von der PS2- und PS3-Version abrückt. Sie dient eher der (im positiven Sinne gemeinten) kurzweiligen Unterhaltung, als uns in ewig langen Sessions bei der Stange zu halten. Dafür sind wir für Wochen in kurzen, intensiven Sessions gebannt. Allein die Herausforderungen, sozusagen der Karrieremodus der PSP-Version, bietet Potenzial für zahllose Fahrstunden, die mal eben zwischendurch zusammenkommen. Schnell noch die eine Goldmedaille gejagt, und schon wieder ist 'ne Stunde rum.

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Vielleicht liegt mein Scheitern an der einen Herausforderung auch daran, dass die Herausforderungen alle sauber gefahren werden müssen. Dass keine übertrieben aggressiven Aktionen möglich und keine größeren Berührungen erlaubt sind. Ausflüge ins Kiesbett schon gar nicht, dann ist es sofort vorbei. Im normalen Einzelspielermodus und auch im lokalen Ad-hoc-Multiplayer ist genau das wiederum dagegen vollkommen okay, wenn auch ein Schadensmodell traditionell fehlt. Aber Kurvenschubser und rückwärtige Abschießer sind machbar. Es kann aber eine Kollisionsstrafe für Rowdies eingestellt werden.

Drei Mehrspielermodi gibt es: Standardrennen, Party und Zufallsrennen. Der Partymodus erlaubt verzögerte Startzeiten je nach Spielerlevel und eine Anpassung des Boostlevels beim Aufholen von Rückständen, um für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Bei den Zufallsrennen gibt es ein ähnliches Prinzip, nur wird hier die Chancengleichheit über verschiedene Autos herbeigeführt. In allen Modi können wir übrigens entweder selbst fahren oder unseren im Einzelspielermodus trainierten KI-Fahrer die Runden drehen lassen. Bis zu vier Spieler sind gleichzeitig im Rennen - entweder selbst oder mit einem unsichtbaren Chauffeur.

Multiplayer heißt aber auch Teilen & Tauschen. Man darf sich mit jedem beliebigen Spielerprofil einer anderen PSP verbinden und alle Autos auf die eigene PSP kopieren, die man selbst noch nicht erspielt hat. Tauschen geht auch, dann sind die Wagen allerdings aus der eigenen Sammlung verschwunden. Pokémon trifft Autoporno, so schön wie noch nie! Immerhin sind über 800 Fahrzeuge sind im Spiel enthalten, die wir für erspielte Credits kaufen können.

Die Wagen werden auf eine sehr beiläufige Art angepriesen. Es gibt im Hauptmenü das Autohaus, wo nach dem Zufallsprinzip regelmäßig vier neue Autohäuser angepriesen werden. So dürfen wir nicht immer alles kaufen, sondern müssen auf die glückliche Gelegenheit hoffen, dass genau dann genug Credits in der Kasse sind, wenn die Lieblingsmarke zur Verfügung steht. Gelebter Sozialismus, künstliche Verknappung, das hat schon Humor. Tolle, kaum bekannte Wagen sind übrigens auch dabei, neben dem gesamten Kanon wichtiger Gefährte. Chaparall zum Beispiel, eine verrückte Rennschmiede aus den später 60er und frühen 70er Jahren - die einen absurden Turbinenrennwagen gebaut haben. Da hatte ich leider gerade keine 1,5 Millionen Credits für, als das Autohaus offen war.

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Der Einzelspielermodus bietet (neben den Herausforderungen) drei Varianten: Zeit-, Runden- und Driftrennen. Letztere sind die wohl deutlichste Hommage an die Arcade und die Konkurrenz. Die Strecke wird in Sektoren unterteilt, die es zu durchdriften gilt. Ein klasse Spaß für Zwischendurch - vielleicht der U-Bahn-Modus überhaupt. Und Credits gibt es dafür auch, wenn auch eher bescheiden wenig.

Mehr Geld wartet im Rundenrennen, wo wir uns vom D-Level bis zum S-Level durchkämpfen - für jeweils jede Strecke separat. 35 Strecken gibt es, in über 60 verschiedenen Ausführungen. Sie sind an Variantenreichtum nicht zu überbieten. Alles ist dabei: Klassische Rennstrecken wie Laguna Seca, Bergrennen an der Amalfiküste, Rallys in Tahiti, Matschrennen und Schneerennen in Chamonix. Städte wie Tokio, Seoul, Seattle, Paris und New York sind dabei. Alles sieht sehr abwechslungsreich aus, auch wenn es natürlich niemals regnet im GT-Universum.

Optisch ist Gran Turismo für die PSP erstklassig, wie wir es von Polyphony Digital und Perfektionist Kazunori Yamauchi erwarten dürfen. Tolle und detaillierte Automodelle, realistischer Motorensound - das alles natürlich mit Zugeständnissen an die Hardware und ihre Grenzen. Schade ist zum Beispiel, dass der Hochglanzlack der PSP-Version im Detail unschöne Macken zeigt. Teilweise flimmert das Bild doch arg, wenn wir die Rennstrecken in der Innen- oder Cockpitansicht entlang brettern. Querstreifen auf den Straßen flickern gerne wie ein Discostrobo, wenn wir auf sie zurasen. Negativ übertroffen wird das nur von einem Fehler, der eigentlich kein echter ist: dem heutzutage altgegenwärtigen Motion-Blur-Effekt, der theoretisch für Dynamik sorgen soll, aber real nur nervt, weil er eine unschöne Unschärfe erzeugt. Das ist bei Need for Speed okay - schickt sich aber bei einer sonst so hübschen Arcade-Simulation wie Gran Turismo nicht. Abstellen lässt sich das leider nicht.

Unterm Strich ist Gran Turismo PSP ein unglaublich kompaktes, sehr umfangreiches Rennspiel für unterwegs. Es leidet unter den Grenzen der Hardware wie jedes andere Rennspiel für die PSP - liegt dabei aber trotzdem um mindestens drei Autolängen vor der Konkurrenz.

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Über 800 Autos, tolle Fahrzeugmodelle, variantenreiche Strecken, reichlich Content
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Motion-Blur-Effekt, generischer Soundtrack
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