Während der „CD Project Red Summer Conference" im Mai 2012 gab Geschäftsführer Martin Iwinski bekannt, dass das Studio an einer Fortsetzung des von Mike Pondsmith entworfenen Brettspiels Cyberpunk 2020 arbeitet. Seit diesem Tag warteten Tausende von Menschen erst geduldig, dann irgendwann mit religiöser Hingabe auf einen Titel, der andere Produktionen des Studios übertreffen sollte.
Mit „andere Produktionen" ist natürlich The Witcher 3: Wild Hunt gemeint. Das Abenteuer des Hexers Geralt von Riva gilt auch heute noch als eines der besten Action-Rollenspiele aller Zeiten. Die GOTY-Ausgabe des dritten Kapitels ist eines der wenigen Spiele, die den Begriff Meisterwerk wahrlich verdienen. Trotz des relativ überschaubaren Portfolios tritt das Studio zu Recht als Schöpfer von Rollenspielen auf, die von Spielern auf der ganzen Welt geliebt werden.
Seit der Veröffentlichung des Abschieds vom Weißen Wolf ist jedoch eine beträchtliche Zeit vergangen, und ein Sieg hält nicht ewig an. CDPR begann Ende 2016 mit der Vollproduktion ihres nächsten Projekts, unmittelbar nach der Veröffentlichung des Witcher-3-DLCs Blood-and-Wine. Ende 2020 wird dieses Projekt nun veröffentlicht, doch wenn ihr mich fragt, hätten wir wohl alle noch etwas länger darauf warten sollen. Versteht mich nicht falsch, Cyberpunk 2077 ist so weit von "mittelmäßig" entfernt, wie nur irgendwie möglich. Es ist nur so, dass der aktuelle technische Zustand des Games nicht der ist, in dem irgendjemand das Spiel freiwillig sehen möchte.
Cyberpunk 2077 ist ohne Zweifel ein enormer, ehrgeiziger Titel. Ambition ist jedoch nicht alles und sie reicht definitiv nicht als Entschuldigung aus, um die enthaltenen Mängel zu ignorieren. Einerseits sind der Nachsicht, die dem Spiel gewährt wird, Grenzen gesetzt. Andererseits wäre es schlicht unfair gegenüber Entwicklern anderer Spiele dieser Saison, die nicht weniger leidenschaftlich sind als das geliebte Kind von CDPR. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Cyberpunk 2077 die am meisten erwartete Veröffentlichung des Jahres ist, doch als Spieler, der sich genauso wie alle anderen darauf gefreut hat, werde ich ehrlich auf jeden Fehler eingehen.
Bevor wir beginnen, noch ein Wort der Klarstellung: Die folgenden Eindrücke basieren auf einer inhaltlich vollständigen PC-Version des Spiels, die ich trotz stundenlanger Arbeit nicht komplett abschließen konnte. Darüber hinaus enthielt die von mir überprüfte Kopie nicht den offensichtlich sehr wichtigen Day-1-Patch, sodass ich nicht sagen kann, wie viele der Mängel zum Start tatsächlich behoben werden. Doch was ich beim Testen erlebt habe, konnte mich davon überzeugen, dass ich lieber noch ein ganzes Jahr länger auf das fertige Spiel gewartet hätte. Der aktuelle Zustand ist grenzwertig und kaum spielbar.
All das geht auf die vielen großen und kleinen Spielfehler zurück, die viele Spiele dieser Größenordnung plagen. Ich habe im Vorfeld besonders aufmerksam darauf geachtet, dass mein PC die empfohlenen Hardwareanforderungen erfüllt - mit dem grafischen Ergebnis bin ich zufrieden. Für ein Spiel dieser Größe ist Cyberpunk 2077 gut optimiert, doch unabhängig von den gewählten Einstellungen bin ich auf Unmengen von Bugs gestoßen, die eine Immersion fast nicht entstehen lassen.
Es beginnt mit schwebenden Knarren, notorisch nachladenden Charaktermodellen oder Autos, die plötzlich vom Himmel fallen. Gegenstände, die eigentlich in Händen gehalten werden sollen, sind über oder unter der Hand positioniert oder kleben auch dann noch am Arm des NPCs, wenn dieser den besagten Gegenstand längst abgelegt haben sollte. NPCs und Feinde teleportieren sich durch die Gegend, lösen sich in Luft auf oder erscheinen aus heiterem Himmel vor unserer Nase. Die KI-Routinen der Feinde setzen aus, was zu statischen Posen der Figuren führt, und einige Charakter scheinen prinzipiell Bauchredner zu sein - trotz überzeugender Sprachausgabe.
Und das ist nur der Anfang. Vor einigen Tagen habe ich Zugriff auf einen 50-GB-Patch erhalten (der sogenannte „Day-0-Patch" für Reviewer), der das Spiel leider nicht wesentlich verbessern konnte. Das schmerzt mich als Spieler sehr, denn trotz alledem ist Cyberpunk 2077 einer der besten AAA-Titel, die ich je gespielt habe. Es wird zweifellos diejenigen verzaubern, die Geduld beweisen können, bis die Probleme gelöst sind. Im Moment scheint es aber noch viel zu früh zu sein, das Spiel ist einfach nicht bereit.
Positiv überrascht war ich von der Anpassung der Steuerung. Mein alter Dualshock 4 V2 hat mittlerweile Probleme mit dem linken Analogstick, doch dank der vielen Optionen in den Spieleinstellungen konnte ich die Fehlfunktion meines Geräts fast vollständig umgehen. Der einzige Negativpunkt betrifft die schiere Vielzahl der Möglichkeiten, denn es ist nicht gerade intuitiv, die perfekte Kombination zu finden. Glücklicherweise erledigt das Spiel das Meiste für uns und wählt selbstständig die besten Standardeinstellungen mit einem zufriedenstellenden Ergebnis aus.
Zu Beginn von Cyberpunk 2077 wählen wir den Schwierigkeitsgrad aus. Da ich an der härtesten Herausforderung interessiert war, aber alle Optionen ausgiebig getestet habe, kann ich sagen, dass der Unterschied zwischen ihnen hauptsächlich in der Skalierung liegt. Gegner teilen mehr oder weniger Schaden aus und stecken mehr oder weniger ein, bevor sie umfallen. Das klingt nach einem simplen Ansatz, aber es ist ein ausgewogenes Ergebnis.
Anschließend sollen wir einen der drei Charakterpfade auswählen, die die meisten Fans wahrscheinlich bereits aus dem Werbematerial kennen: Entscheidet euch zwischen Nomad, einem Kind der Straße oder einem Corpo. Was auch immer ihr wählt, es verändert die Art und Weise, wie uns das Spiel in Night City begrüßt und es sorgt im Spielverlauf für sich zusätzlich verzweigende Spielverläufe. Als Straßenkind musste ich ein reiches Kind zur Rechenschaft ziehen und mein Wissen über das Gesetz der Straße demonstrieren. Die Einführung wurde solide ausgearbeitet und ich fühlte die Wurzeln unseres Protagonisten V.
Die Charaktererstellung von Cyberpunk 2077 ist in der Tat umfangreich, allerdings nicht so tief, wie es sich viele vorstellen dürften. Wir können die Stimme, den Hauttypen, die Augen, Haare, Genitalien, Tätowierungen und sogar die Zähne des Charakters ändern. Die Anpassung beschränkt sich jedoch auf die Auswahl mehrerer Dutzend Optionen - das Menü enthält keine Schieberegler, mit denen wir einen Albtraum aus dem Glitch-Universum entfesseln können.
Danach weisen wir unserem Charakter die ersten Attribute zu, von denen es fünf gibt: körperliche Fähigkeiten, Intelligenz, Reflexe, technisches Verständnis und Gelassenheit. Diese Grundwerte teilen sich später in mehrere andere Aspekte auf und wie in klassischen Rollenspielen beeinflussen sie die in den Dialogen und während des normalen Spielens getroffenen Entscheidungen. Um zum Beispiel jemanden aus einem fahrenden Auto zu werfen, brauchen wir einen bestimmten Stärkewert. Wir könnten dem Fahrer auch einfach in den Kopf schießen, was kein besonderes Attribut erfordert, aber mit Problemen verbunden sein könnte, wenn unser Sitznachbar schnell genug reagiert. Und manchmal braucht es gar nichts davon, weil das verbuggte Spiel das Auto einfach in die Luft jagt.
Willkommen in Night City! Wie bereits erwähnt, hängen die Einführungen in die Welt von Cyberpunk 2077 von eurer initialen Wahl ab. Man könnte sie mit Fäden einer gemeinsamen Rolle Garn vergleichen, die uns schrittweise zu vorbestimmten Gameplay-Knoten führen. Schon kurz nach der Mission aus dem ersten Preview-Kapitel akzeptieren wir eine Hauptquest, die uns - wie es unsere Helden gerne betonen - in die erste Liga katapultiert. Der Prolog kann sich in Abhängigkeit von eurem Tempo bereits ein wenig hinziehen, doch mit dem zweiten Akt verändert sich alles.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren das Gameplay und der Fortschritt linear, doch das zweite Kapitel lässt uns die gesamte Spielwelt erkunden. Der Spieler kann unwillkürlich an den vielen Optionen ersticken, da sich die Karte plötzlich mit Quest-Markern füllt. Hinweise darauf, was die klügste Reihenfolge wäre, gibt es nicht. Die Karte mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, aber man gewöhnt sich schnell an die Nuancen.
Bei der Handlung zeigt uns das CDPR-Team eine Qualität, die nur wenige ihrer eigenen Titel bislang abliefern konnten - damit haben sie meine Erwartungen ehrlich gesagt bereits übertroffen. Das Skript ist fesselnd geschrieben, was vor allem bei den sich authentisch anfühlenden Gesprächen deutlich wird. Die Dialogoptionen, die dem Spieler angeboten werden, werden auf brillante Art und Weise von unserer Spielwelt erfasst, die sogar entsprechend darauf reagieren kann. Die Interaktionen aus der ersten Person wirken sich positiv auf die Interaktion aus, doch ab und zu wechselt das Spiel in eine Third-Person-Perspektive. Auch wenn ich persönlich nicht das Gefühl hatte, dass diese Szenen zwingend erforderlich waren, haben sie mich nicht allzu sehr gestört.
Für das Hauptgericht wird uns eine reife und packende Geschichte über den Posthumanismus serviert, in der wir die dunkelsten Ecken einer futuristischen Großstadt entdecken und uns in die Tiefen unseres eigenen Verstands verlieren. Obwohl die im Spiel präsentierte Welt von unserer eigenen Realität abweicht, reflektieren die Charaktere Vertrautes wie Bindungen und Loyalität. Das Spiel fängt den Schmerz des Verlustes und den Schock eines Verrats perfekt ein - genau, wie es schon vorherigen Spielen des Teams gelang. CD Projekt Red bietet uns also wieder eine Welt, die keine Angst hat, dunkle Geschichten von verbitterten Menschen zu erzählen, die die Welt brennen sehen wollen.
Sei es V, unser Kumpel Jackie, der Fixer Dex, der Rocker Johnny Silverhand oder Judy Alvarez, die uns Braindance vorstellt (die beliebteste Unterhaltungsform in der Welt von Cyberpunk) - jeder Einzelne ist ein erstklassiger, ausgefeilter Charakter. Man kann eine beispiellose Chemie zwischen ihnen spüren, die vom ersten Moment an sichtbar ist. Auch unser Charakter hat viele Geschichten zu erzählen - was niemanden überraschen sollte, da Cyberpunk 2077 ein wahres Rollenspiel ist.
Und genau wie von einem Rollenspiel erwartet, gibt es keinen Mangel an Statistiken, mit denen man herumspielen kann. Die Attribute, die ich zuvor erwähnt habe, bieten viele Vorteile, die sich wiederum auf zwölf Kategorien aufteilen. All das wird in verschiedenen Fähigkeitsbäumen mit passiven Talenten zusammengefasst, in die wir beim Levelaufstieg Punkte investieren können. Aufgrund des von mir gewählten hohen Schwierigkeitsgrads habe ich das Überleben zu meiner höchsten Priorität gemacht - ich habe mich also für eine einfache, kampforientierte Aufteilung der Skillpunkte entschieden und das war wirklich die einfachste Entscheidung, die ich hätte treffen können.
Dieser Talentbaum verschärft meine Fähigkeiten im Umgang mit Waffen (Pistolen, Schrotflinten, Maschinen- und Scharfschützengewehre mit verschiedenen Feuerkraftmodi), von denen einige einzigartig sind. Ihr könnt euch zwischen all diesen Argumentationsverstärkern entscheiden, ganz nach persönlicher Vorliebe. Etwas, das überraschenderweise von Anfang an meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, war das Thema Kleidung. Die Menge der Anziehsachen ist überraschend hoch und dank der eigenen Statistiken lassen sich in diesem Bereich viele feinteilige Anpassungsoptionen finden. Wenn ihr die Mode eines bestimmten Sets besonders mögt, habt ihr zudem die Möglichkeit, die Zahlen dieses Sets zu verbessern.
Für den Fall, dass ein Spieler mit der bei den Händlern gekauften Ausrüstung trotzdem nicht zufrieden sein sollte, bietet das Spiel auch ein raffiniertes Handwerkssystem an, mit dem man seinen Helden oder seine Heldin vollständig ausstatten kann. Rundet das Ganze mit einer Auswahl an Ripperdoc-Chips und -Implantaten ab, die euch Zugriff auf zusätzliche Fähigkeiten gewähren, mit denen ihr wiederum während der Story-Segmente oder beim Spielen neue Gameplay-Optionen freischaltet. Zu guter Letzt gibt es noch Items als Reputationsbelohnungen, die man durch den Abschluss verschiedener Quests bekommt und die uns noch mehr Freiheit geben, einen eigenen Traum-Build zu verwirklichen.
Das Spiel bietet uns eine Vielzahl von Autos und Motorrädern an, mit denen wir uns durch Night City bewegen. Ich habe mir die Freiheit genommen, mit mehreren von ihnen eine längere Probefahrt zu unternehmen und ich muss zugeben, dass die Fahrmechanik nicht allzu schäbig ist (zumindest wurde ich trotz meiner anfangs beschriebenen Abenteuer nicht allzu brutal von Bordsteinen oder Pylonen gestoppt). Jedes Fahrzeug steuert sich ein wenig anders und wie wendig ein Vehikel ist, lässt sich meist bereits am Design erkennen. Ihr werdet aber wahrscheinlich trotzdem einen Moment brauchen, um euch an die Steuerung zu gewöhnen.
Ebenso müssen sich die meisten Spieler wahrscheinlich mit dem Faustkampf anfreunden. Es ist eine einfache Kombination aus schnellen und starken Schlägen, Ausweichmanövern und Paraden, die nichts besonders Innovatives ist - aber was bringt es auch, so etwas Simples komplizierter zu gestalten? Außerdem ist die Kampferfahrung im Spiel herausfordernd genug: Einer meiner schönsten Momente im Spiel war der Moment, in dem ich durch einen Regen von Kugeln und Granaten tanzen musste, um einen Feind mit einem Scharfschützengewehr zu eliminieren. Ich musste ständig auf die Richtung achten, aus der mich Feinde angriffen, statt mich die ganze Zeit hinter einem Hindernis zu verstecken. Gleichzeitig musste ich aktiv sicherstellen, dass sich das Ziel in Reichweite meines Radars befand - und dann musste der tödliche Schuss auch noch sitzen. Das Gunplay in Cyberpunk 2077 macht dank der gut gestalteten Systeme und der Auswahl an Waffen äußerst viel Spaß.
Das Ganze wird mit jeder Menge erwachsener Inhalte gewürzt, denn Cyberpunk 2077 schreckt nicht vor nackten Tatsachen, ausgerissenen Gliedmaßen oder abgehackten Köpfen zurück. Aber selbst das ist optional: Es stehen uns Waffenverbesserungen zur Verfügung, durch die unsere Gegner nicht direkt getötet, sondern nur betäubt werden. Allerdings geben spektakuläre Abgänge zusätzliche Reputationspunkte, wodurch eine pazifistische Vorgehensweise nicht unbedingt belohnt wird.
Die Welt von Cyberpunkt 2077 ist authentischer und besser ausgearbeitet als alle Spielwelten, die ich bisher besuchen durfte. In den letzten Monaten wurden Zweifel an der Dichte der Bevölkerung von Night City laut, die nicht mehr dem früher gezeigten Material entsprechen würde, aber das stimmt nicht. Überall sind Menschen, alle unterscheiden sich durch ihre Kleidung und Körpermodifikationen - es ist kaum möglich, an einem Ort zwei identische NPCs zu finden.
In Wild Hunt konnten wir die Umgebungen mit dem Hexersinn scannen, in Cyberpunk gibt es etwas Ähnliches. Macht euch also auf gigantische Sammelorgien gefasst, denn ihr werdet häufig nach Werkstoffen (gefundene Ausrüstung kann zu Einzelteilen zerlegt werden), einzigartigen Waffen, medizinischem Material, Eurodollars oder nach stacheligen Dildos suchen. Dazu kommen unzählige Dinge, die uns die Hintergrundgeschichte näherbringen und eine Vielzahl an Gerätschaften.
Und wie liefert Cyberpunk 2077 als Open-World-Titel ab? Nicht schlecht, auch wenn es manchmal zu Enttäuschungen kommt. Wenn wir die Haupt- und Nebenquests ignorieren, dann gibt es nicht besonders viel zu tun. Wir können uns einen Drink genehmigen oder nach Liebe suchen, können Waffen und Klamotten einkaufen gehen oder wir shoppen direkt mit gezückter Knarre. Die bevölkerte Metropole bietet viele Ablenkungen, die mit der schier endlosen Menge an Fragezeichen auf der üppigen Wild-Hunt-Karte verglichen werden können.
Unsere Verbrechen werden von den lokalen Polizeikräften zur Kenntnis genommen, obwohl die Immersion nicht das Niveau eines GTA erreicht. Das System ist nämlich nicht besonders ausgeklügelt, da wir jede Verfolgung (unabhängig von unseren Verbrechen) schnell und unkompliziert mithilfe eines Fahrzeugs beenden können. Die Polizei beherrscht zwar dank der besagten Bugs die Macht der Teleportation, doch ihre Einsatzwagen und Drohnen können nicht mit uns mithalten, sobald wir in einen Wagen gestiegen sind und das Gaspedal durchdrücken.
Die Entwickler hatten uns ursprünglich mehrere käufliche Apartments versprochen, aber die Idee wurde wieder verworfen und es gibt auch keine Möglichkeit zur Modifikation unserer Fahrzeuge. So sehr ihr euch gewünscht haben mögt, in Night City wirklich zu leben, momentan ist das noch nicht möglich. Vielleicht können das zukünftige Updates ändern, aber bis dahin müsst ihr euch mit der Storyline und dem Abarbeiten von Markern zufriedengeben. Das wird sicher vielen Spielern genügen, aber für mich wirkt es trotzdem wie verschwendetes Potential.
Die Charaktere, denen wir begegnen, sind wunderbar gestaltet und müssen nicht unbedingt Teil der Story sein, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Keanu Reeves ist - wie immer - atemberaubend und wenn man die vielen spannenden Zwischensequenzen und Dialoge bedenkt, dann haben die Darsteller und Sprecher wirklich gute Arbeit geleistet. Wenn wir im Spiel auf Russen treffen, dann sprechen sie auch russisch und wir lesen dazu die Untertitel in unserer gewählten Sprache. Aber es gibt nur wenige Figuren, die in ihrer eigenen Sprache sprechen, denn sie sind Minderheiten in dieser multikulturellen Welt.
Während einzigartiger Kämpfe und im Radio hören wir besondere Songs, die von echten Musikern extra für das Spiel erstellt wurden. Der Soundtrack stammt von Künstlern wie SAMURAI (Refused), Run the Jewels, Grimes und Nina Kravitz. Für die Streamer unter euch gibt es übrigens die Möglichkeit, die betreffende Musik abzuschalten, damit es nicht zu Copyright-Verstößen kommt.
Auf der einen Seite bekommen wir hier also ein von der Story vorangetriebenes Meisterwerk und ein außergewöhnliches Abenteuer für Einzelspieler, doch auf der anderen Seite auch ein unvollständiges Spiel. Cyberpunk ist nicht unbedingt ein Titel, mit dem ihr sofort loslegen solltet, denn technisch gesehen ist es eine Katastrophe. Die vielen Bugs machen es aktuell unmöglich, das Spiel wirklich zu genießen, geschweige denn länger in der Atmosphäre dieser tollen Spielwelt einzutauchen.
Wenn die Entwickler die Unzulänglichkeiten noch ausbügeln können, ist Cyberpunk 2077 eine solide Neun oder sogar eine Zehn von Zehn. Es kann diese Wertung vielleicht irgendwann erreichen, wenn nicht mit Patches, dann womöglich als Complete Edition mit versprochenen Erweiterungen, wie es bei Wild Hunt war. Darauf hoffe ich wirklich, denn die futuristische Sci-Fi-Welt von Cyberpunk reizt mich viel mehr als das Witcher-Universum.
Cyberpunk 2077 ist ein Spiel der Zukunft und das im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist der Titel, den ich von CD Projekt Red erwartet habe, aber es muss noch viel daran gearbeitet werden, um ihn zu etwas wahrlich Besonderem zu machen. Jetzt liegt es an den Entwicklern, wie lange es dauern wird, bis Cyberpunk 2077 sein volles Potential ausschöpfen kann.