Deutsch
Gamereactor
Kritiken
WRC 10

WRC 10

Petter kann auf das, was die Franzosen bei Kylotonn mit ihrer Rallye-Lizenz zu erreichen versuchen, nicht länger mit vorsichtigem Optimismus reagieren.

HQ

2013 erwarb das französische Entwicklerstudio Kylotonn die Lizenz der Rallye-Weltmeisterschaft und 2015 veröffentlichte das Unternehmen ihr erstes, darauf basierendes Spiel - WRC 5. Das Game war mit Problemen vollgestopft, doch es hatte einige sehr gute Ideen. Darin steckte viel Potenzial und für alle, die mit Controller fuhren, passte die Reifenphysik hervorragend zum Geschwindigkeitsgefühl. Seitdem sind sechs Jahre vergangen und nächste Woche ist es an der Zeit für WRC 10, was laut dem Studio eine der größten Verbesserungen darstellt, seit sie für die Lizenz bezahlt haben. Ich habe etwas mehr als eine Woche damit verbracht und kann nicht wirklich zustimmen. Nein, eigentlich stimme ich überhaupt nicht zu.

Diese Spieleserie erreichte ihren bisherigen Höhepunkt zumindest in einigen Aspekten mit WRC 7. Obwohl die beiden Folgespiele in verschiedenen Punkten bessere Ergebnisse lieferten, schafften sie es nie, ein Gesamtporträt des Sports als solchen zu erstellen, der mich genauso anspricht, wie es Teil 7 konnte. Das hatte viel damit zu tun, dass Kylotonn Simbins GTR2-Produzenten Diego Sartori aufnahm, der zusammen mit dem Rest des Teams ein Rallye-Spiel aufbaute, bei dem die Balance zwischen Drehmoment und Höchstgeschwindigkeit ziemlich gut funktionierte und bei dem auch das Zusammenspiel zwischen Reifen und Oberfläche sehr gut aufeinander abgestimmt wurde.

WRC 7 war nicht sehr realistisch, doch in einigen Bereichen wirklich großartig. Meiner Meinung nach enthielt es eine nahezu perfekte Mischung aus Arcade-Rallye und Simulationsaspekten und die saubere, reduzierte, aber sanft gefärbte und ruhig schattierte Grafik passte sehr gut zum Rest des Inhalts. Es war auch das Spiel, das den besten Sound aller Motorsporttitel von Kylotonn enthielt. Doch dann änderten die Entwickler die Spiel-Engine, fuhren über das Physiksystem und nahmen viele Änderungen vor - was auch einige gute Punkte in WRC 8 und dessen Nachfolger hervorbrachte. Doch der Petter, der einst optimistisch war und den Ehrgeiz und vor allem das Potenzial in Kylotonns Versuchen sah, sich und sein Lizenzprodukt ständig zu verbessern, ist heute fast nur noch skeptisch und gelangweilt.

HQ
Werbung:
WRC 10WRC 10
Das Fahrgefühl und die Autophysik der alten Gruppe-B-Autos sind herausfordernd. Die Crew erzielt gute Ergebnisse bei der WRC 2020, während einige der Oldtimer kaum gefahren werden können.

WRC 10 ist ein Rückschritt, wenn ihr mich fragt - oder ein Umweg, wenn man so will. Der falsche Fokus auf die falschen Dinge und die Zurückhaltung der Entwickler, die nicht zwischen Arcade-Rallye und Rennsimulation wählen wollen, bringen eine schizophrene Mischung hervor. Das erste, was zum Fahrgefühl des WRC 10 zu sagen ist, ist, dass es zu 100 Prozent für Controller optimiert wurde. Für Fans, die seit fünf Jahren eine bessere Implementierung von Lenkrädern fordern und sich einen präziseren Einsatz von Force-Feedback wünschen, ist das eine massive Enttäuschung.

Kylotonn hat Fanatec zum zweiten Mal in Folge als "offiziellen Lenkradpartner" aufgenommen, aber trotzdem (und obwohl WRC 10 unser Fanatec-DD2-Lenkrad direkt erkennt), ist die Force-Feedback-Unterstützung bestenfalls schlecht. Trotz stundenlanger Kalibrierung und verschiedenen Anpassungen fühlt es sich nicht so an, als wäre das Lenkrad ein Teil des Autos. Das Spiel bekommt es einfach nicht hin, mir das Gefühl zu geben, dass dieses Stück Hardware die Lenksäule der Vorderräder steuert. Ich kann auch nicht sagen, ob die Stöße und der Widerstand, den das Lenkrad in WRC 10 bietet, realistisch oder besonders unterhaltsam wirken wollen. Die Umsetzung ist träge, langsam und schwach. Es fehlt an Timing, Geschwindigkeit, Gefühl und Kraft.

Beim Umstieg auf den Xbox-Series-Controller fällt auf, dass die Entwickler so ziemlich das gesamte Schießpulver in diese Steuerungsmethode gesteckt haben, denn mit dem Gamepad funktioniert WRC 10 viel besser. Aber soll das wirklich so sein? Auch wenn ich natürlich verstehe, dass deutlich mehr potentielle Spieler mit einem Controller fahren werden, statt mit einem sauteuren, dedizierten Lenkrad mitsamt Pedalen, sollte das Auto mit dem entsprechenden Setup trotzdem besser harmonieren. Mit einem Controller in meinen Händen ist es hingegen spielend leicht möglich, das Tempo stetig zu erhöhen, einfacher in die Kurven zu steigen und beim Ausfahren mehr Geschwindigkeit mitzunehmen. Doch selbst dem Gamepad fehlt es an Feingefühl, denn die Steuerungsmethode gibt uns nicht zu verstehen, wie und wo der Schwerpunkt im Auto aktuell liegt. Deshalb fühlt es sich meistens so an, als würde man einen Stahlschlitten über den Asphalt schieben. Besonders die Fahrwerksdynamik von Dirt Rally 2.0 glänzt hier mit Abwesenheit und das Gefühl für Geschwindigkeit fehlt ebenfalls.

Werbung:
HQ
WRC 10WRC 10
Es ist wichtig, WRC 10 mit dem Controller zu spielen, wenn ihr gute Ergebnisse erzielen wollt. Die Lenkradunterstützung und das Force-Feedback-System wurden nämlich mal wieder komplett in den Sand gesetzt.

Ein weiterer Aspekt, für den ich keine Geduld mehr aufbringe und den ich in der Hoffnung, dass es nächstes Jahr vielleicht bessert wird, nicht mehr beschönigen möchte, ist das Ausbleiben offizieller, echter Etappen der WRC. Kylotonn hatte über sechs Jahre Zeit, um mehr echte WRC-Strecken nachzubauen, doch noch immer sind die Powerstage-Elemente, die seit WRC 6 enthalten sind, das Höchste der Gefühle. An dieser Front ist seit Jahren fast nichts passiert und es nervt mich. Es gibt viele gute Etappen in WRC 10 und genau wie im letzten Jahr liebe ich Portugal und Kenia, aber angesichts der Zeit und des Budgets, das die Entwickler in den letzten Jahren eingefahren haben, hätte ich mir deutlich mehr echte Etappen aus der diesjährigen WRC-Saison gewünscht. Es muss jedoch gesagt werden, dass es einige dieser obszön langen „epischen Etappen" von über 30 Meilen gibt, die tödlich herausfordernd sind und damit an sich schon morbiden Spaß machen. Bei mittelmäßigem Fahrgefühl macht das nur leider nicht viel aus.

Der Ton ist leider noch schlimmer, denn der Sound in WRC 10 ist schlechter als in allen früheren Rallye-Spielen von Kylotonn - was ich nur schwer verstehen kann. Das harte, laute, intensiv mechanische, metallische und dröhnende Motorengeräusch in Kombination mit dem ständigen Geklapper von grobem Kies gegen das Untergestell der Autos, wird in diesem Spiel durch etwas ersetzt, das wie ein Staubsauger klingt. Es ist unverständlich und frustrierend.

Wirklich gut ist hingegen der Autogaragen- und Karrieremodus zusammen mit der Vielfalt der enthaltenen Rallyes, Länder und Etappen. Inhaltlich ist Kylotonn brillant aufgestellt und das Hinzufügen eines Spielmodus zum 50-jährigen Jubiläum (WRC feiert dieses Jahr 50 Jahre) ist etwas, das ich mehr als begrüße. Genau wie in Codemasters' brillantem, zweitem Dirt-Rally-Spiel (Colin McRae History) ist es hier möglich, durch historische Rallyes und Momente zu fahren, die als reines Erinnerungsstück aus der Rallye-Schule dienen. Es ist ein tolles Gefühl, auf den tückischsten Straßen der Welt diese wahnsinnig mächtigen Monster der Gruppe B zu kontrollieren.

WRC 10WRC 10WRC 10
Die Grafik sieht auf den Bildern gut aus, aber in Bewegung flackern viele der hinzugefügten Schatten auf. Das Geschwindigkeitsgefühl ist auch bei weitem nicht so gut wie beispielsweise bei Dirt Rally 2.0.

Dieser Modus enthält viele Autos aus verschiedenen Klassen und es gibt eine fantastische Abwechslung in Bezug auf Länder und Rallyes. Zwischen dem Asphalt in Spanien, dem roten Sand in Afrika und dem schneebedeckten Värmland in Schweden blitzt die Größe von WRC 10 kurz auf, sodass ich wirklich wünschte, ich hätte mir meine Geduld bis zum Ende aufbewahren können und einen anhaltenden Optimismus für das gespürt, was Kylotonn mit diesem Spiel erreichen wollte. Aber das kann ich einfach nicht mehr. WRC 10 ist besser gefüllt als die vorherigen Spiele der Serie und es gibt viele großartige Etappen, was das Gesamt-Layout betrifft, aber das Fahrgefühl ist schlechter denn je und den Arcade-Fokus braucht die Serie nicht. Das Thema Lenkradunterstützung, insbesondere das Force-Feedback, ist eine Schande und die Präsentation bewegt sich auf dem Niveau grau, langweilig und starr. Ich kann es nicht über das Herz bringen, dieses Spiel zu empfehlen.

05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
jede Menge Autos, viele Etappen, Karrieremodus ist umfangreich und detailliert.
-
Arkady-Fahrphysik, schlampige Lenkradunterstützung, Force-Feedback mangelt es an Gefühl, schrecklicher Klang.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
WRC 10Score

WRC 10

KRITIK. Von Petter Hegevall

Petter kann auf das, was die Franzosen bei Kylotonn mit ihrer Rallye-Lizenz zu erreichen versuchen, nicht länger mit vorsichtigem Optimismus reagieren.



Lädt nächsten Inhalt