Ein wildes Gebrüll hallt durch die engen Gassen auf den Marktplatz zu mir und meinen Brüdern. Ein riesiges, haariges Biest erscheint auf einem hohen Dach und wirft sich im nächsten Moment absichtlich zwischen die Gebäude vor uns. Es behält uns dabei stets im Blick. Alles passiert sekundenschnell. Ich brauche ein Versteck, wenn ich nicht als blutige Pfütze am Boden enden will. Ich schlüpfe vorsichtig hinter meine Teamkameraden und bete leise, dass sich Frankensteins Monster in der Skaven-Version auf einen anderen Feigling stürzt und mich verschont.
Warhammer: The End Times - Vermintide ist Fatsharks Geschichte über Skavens Versuch, die Oberwelt zu erobern und die Stadt Ubersreik einzunehmen. Fünf mutige Helden wollen die Stadt verteidigen und haben sich in diese gefährliche Mission gestürzt in der Hoffnung, die Skaven aus der Stadt zu vertreiben. Ihre Basis ist das Red Moon Inn. Hier werden die Helden versammelt, Aufgaben ausgewählt, das Inventar verwaltet, Munitionsvorräte aufgestockt und die Waffen geschmiedet und aufgewertet. Danach geht es in die Schlacht, entweder als Ausrichter des Match oder als Teilnehmer.
Das Gameplay ist nett gemacht und lässt einen eine abwechslungsreiche Reihe von Ereignissen erleben. Am Anfang lassen sich nur einige Kurse spielen, aber danach schaltet man den nächsten Akt frei. Manchmal muss man dafür weit durch die Nachbarschaft reisen, bevor man sein Ziel erreicht. Oder man nimmt an Events teil. Die machen unglaublich viel Spaß und sind unfassbar schwer, denn alles hat einen höheren Level. Wir ziehen los, um eine Aufgabe in einem größerem Gebiet zu erledigen, wie zum Beispiel Säcke mit Nahrung zu besorgen oder Fässer mit Schwarzpulver. Währendessen versuchen Horden von Skaven uns zu zerstückeln, zu hängen, zu zerschmettern oder uns Löcher in den Rücken zu ballern.
Jede Mission hat ihre eigene Aufgabe und ihr eigenes Aussehen, folgt dabei aber einem roten Faden bei Design und Struktur. Man weiß nie genau, was einen erwartet und die Details sind wirklich schön. Während wir uns durch die verbrannte Nachbarschaft vorkämpfen, lassen sich häufig in der Ferne Monumente aus früheren Arealen ausmachen. Alles ist bis ins kleinste Detail miteinander verbunden - wirklich beeindruckend.
Das Spielprinzip erinnert an Left 4 Dead. Wir müssen von A nach B gelangen, wo wir dann auf unseren Transport in die Sicherheit warten. Einige der Skaven erinnern an die Infizierten, aber das Konzept ist viel besser. Es ist schlauer durchdacht, mit mehr Emotionen und Details. Es ist größer, länger, cooler und bietet interessantere Gegner. Die Atmosphäre ist phänomenal und sie durchdringt jede Pore von Ubersreik. Die düstere Stadt mit ihrer gotischen Architektur und - abgesehen von ein paar Fackeln und Feuern - wenigen Lichtquellen erzeugt diese Atmosphäre sehr effektiv. Das Design ist wirklich sehr gut gelungen. Sowohl die Größe, als auch die Höhenunterschiede erzeugen eine lebendige Welt. Die Gebäude und die unterirdischen Passagen aus den die Skaven emporsteigen sind clever mit Plätzen und verwundenen Gassen verbunden. Es gibt so viel zu entdecken und zu sammeln, aber manchmal hetzen die Gegnerhorden schneller zum Ziel als man denken würde. Eine kluge Entscheidung, denn so ist man motiviert, die Level auch drei oder viermal zu spielen. Die eigene Sammelwut und der Schwierigkeitsgrad steigern das noch.
Es ist extrem wichtig, mit den verbliebenden Spielern zusammen zu arbeiten, was natürlich auch mal in die Hose gehen kann, wenn man mit Wildfremden spielt. Wer einfach alleine losläuft, endet schnell in den Armen einer der fortgeschrittenen Skaven-Variationen und muss auf Rettung hoffen. Gute Zusammenarbeit ist wichtig, wenn man einen höheren Level erreichen will und Fatshark hat das gut hinbekommen. Mittlerweile agieren die von der CPU kontrollierte Teamkameraden glücklicherweise etwas "menschlicher". In der Beta waren sie noch nicht so scharf darauf, einen auch mal zu retten. Nun neigen sie dafür etwas dazu zurückzufallen, gerade in schwierigen Situationen, aber insgesamt ist alles in Ordnung.
Die eigene Spielfigur lässt sich gut steuern und die Attacken sind schnell und flüssig. Trotzdem bleibt man auch mal an kleinen Hindernissen hängen. Mit einem Ratten-Ogre im Nacken ist das ein echter Stressfaktor. Bezüglich der Grafik habe ich gemischte Gefühle. Sie ist immer noch ein bisschen heruntergekommenen und unzusammenhängend. Manche Steinstrukturen sehen ein wenig flach aus im Vergleich zu glänzenden Balken. Holzelemente wirken gummiartig und Gras und Blätter überzeugen wenig. Manchmal entsteht ein starker Kontrast zwischen dem immer hübschen Gesamtbild und den Details der unmittelbaren Umgebung. Auch die Gegner sehen ein bisschen heruntergekommen aus, besonders wenn sie in großen Zahlen auftreten.
Aber abgesehen davon ist das Spiel wunderschön. Besonders die Lichteffekte erzeugen eine wunderschöne Atmosphäre und erschaffen ein furchteinflößendes, düsteres Gefühl, das sich über das gesamte Spiel legt. Von den Skaven existieren unterschiedlichste Varianten, die zusammen eine tödliche Effektivität haben. Da es so viele verschiedene Typen mit ganz unterschiedlichem Verhalten gibt, muss man seinen Kampfstil ständig anpassen. Man wechselt man von Nah- zu Fernkampf, denn die Gegner können aus allen Richtungen kommen. Man muss immer wachsam bleiben. Was man für einen vereinzelten Gegner hält, kann schnell der Hinterhalt einer ganzen Horde werden.
Der Sound und die Geräuschkulisse können eine große Hilfe sein. Die verschiedenen Skaven-Typen haben unterschiedliche Schlachtrufe, die einen vorwarnen, wenn man aufmerksam genug ist. Welche Sounds zu welchem Skaven passen, muss man allerdings lernen. Die Musik ist großartig und man hört viele subtile Klänge, die perfekt in den Kontext passen. Der Soundtrack hat eine schöne Balance, wird heftiger bei den Schlachten und beruhigt sich wieder, wenn der letzte Skaven gefallen ist. Explosionen, Gewitter und die Todesschreie der Skaven hallen durch die Stadt.
Das Spiel beeindruckt mit seinen wählbaren Charakteren. Das gilt sowohl für die Waffen als auch den Spielstil und das Aussehen. Jeder Held hat eine einzigartige Ausrüstung, gut durchdacht für die jeweilige Figur. Anfangs hat man noch keinen Zugang zu der kompletten Ausrüstung, die wird erst nach und nach freigeschaltet. Mit den Verbesserungen und allen Variationen kommt man auf fast 8000 Waffen. Es macht also einen großen Unterschied, für welchen der Helden man sich entscheidet. Wer etwa den Zwerg wählt, sieht die Welt aus einer etwas niedrigeren Perspektive. Ein weiteres hübsches Detail.
In den Zwischensequenzen wird die Geschichte vorangetragen und man erhält Informationen über die anstehende Mission. Viele lebendige Dialoge arbeiten die Figuren aus und verraten mehr über die Hintergründe. Es wird auch eine Einführung geben, die hoffentlich alles miteinander verbindet und erklärt, was eigentlich passiert ist und warum wir die Stadt retten müssen und welche Rolle der Landlord dabei spielt. Das Spiel atmet ohne Zweifel Warhammer. Das Design, die Figuren und ihre Charakteristika sind authentisch. Das Auftreten der Figuren ist klug gemacht und wenn man eine von ihnen gespielt hat, wird man bemerken, dass jede ihren eigenen passenden Raum im Red Moon Inn besitzt. Ein schöner und angenehmer Weg, das Warhammer-Universum zu erleben - egal ob man es grade erst kennenlernt oder schon ewig kennt.
Das Spiel ist relativ einfach. Das Spielgefühl ist trotzdem verdammt gut und ich muss grinsen, wenn mir die blutdurstigen Skaven entgegenstürmen oder ich mich durch eingestürzte Gebäude und Untergrundpassagen schlage. Ich zittere und sehe mich fieberhaft um, wenn ich das Flüstern eines Assassinen aus dem Schatten höre. Am beeindruckendsten sind die Aussichten in die Spielwelt, für die man immer wieder gerne eine kleine Pause einlegt. Warhammer: The End Times - Vermintide löst starke Gefühle aus. Es ist nie langweilig, das Tempo ist hoch, fast schon stressig und die Zeit verfliegt. Nur noch schnell dorthin, denke ich immer wieder, um dann doch weiterzuspielen. Ich will mehr über das mysteriöse Warhammer erfahren und in die Welt eingesogen werden.
Ursprünglich sollte das Spiel eine 8/10 als Wertung bekommen, aber mit der Stimmung, den Emotionen und der Dynamik war das einfach nicht hoch genug. Die Spielerfahrung ist extrem angenehm und ich hoffe, Fatshark macht weiter Warhammer-Games - das nächste Mal vielleicht mit dem Fokus auf einer neuen Rasse und einem neuen Kontinent. Dieses Spiel jedenfalls hat die Reise wunderbar begonnen.