Wir hatten eine halbstündige Präsentation des nächsten DLC der Total War-Reihe erwartet, haben aber schnell festgestellt, dass sich hinter diesem Event mehr verbirgt. Was folgte, war ein vierstündiger, gleichmäßiger Strom von Enthüllungen, in Folge derer die Kinnlade herunterklappte. Mehrmals.
Total War: Attila wird nicht, wie ursprünglich angenommen, eine Erweiterung von Total War: Rome II werden. Trotz der Ähnlichkeiten zur Barbareninvasion in der Erweiterung von Rome: Total War hat The Creative Assembly etwas völlig anderes geplant. Innerhalb von fünfzehn Minuten wechselte mein Eindruck von "Es wird eine neue DLC Kampagne" über "Oh, vielleicht doch eine Haupterweiterung?" zu "Okay, es wird derselbe Typ von Spiel wie Napoleon oder Empire:Total War". Und das habe ich auch weitere fünfzehn Minuten geglaubt, während PR-Manager Al Bickham versucht, sich vor der Snacks knuspernden Menge von Journalisten Gehör zu verschaffen.
Über dreihundert Jahre sind seit der Kampagne von Total War: Rome II vergangen und Dunkelheit senkt sich über Europa - und zwar buchstäblich - als jemand die Helligkeit des Projektors im Konferenzraum runterfährt. Der kurze Trailer illustriert sehr schön, warum diese Periode nach dem Fall des Römischen Reiches als das "Dunkle Zeitalter" bezeichnet wird. Dystopische Videoclips werden von einem bedrohlichem Monolog begleitet - eingesprochen von Attila höchstpersönlich. Mir dämmert, dass die Total War-Reihe endlich ihren ersten Antagonisten bekommt. Al Bickham erklärt, dass wir uns im Jahre 395 nach Christus befinden und das Römische Imperium durch jahrzehntelange interne Kämpfe in ein östliches und ein westliches Reich aufgeteilt wurde. Im Norden schärfen die Goten ihre Äxte und im Osten wird bereits von den Hunnen geflüstert.
Ein britischer Kollege hebt die Hand und fragt, ob das wie Napoleon wird - nur für Rome II. Al Bickham antwortet nicht und dreht sich zu einem Zenturion neben sich um, der mit einem Peitschenschlag zehn Blonde Plebejerinnen herbeiruft, die Wein und Trauben reichen, während er eine frühe Version des Spiel hochfährt. "Die Zeitunterschiede zwischen Rome II und Attila sind größer als zwischen Medieval II und Empire. Es sind die ersten Tage des Dunklen Zeitalters und die unterscheiden sich architektonisch, kulturell und militärisch sehr von der Zeit davor", erklärt einer der Entwickler.
Alle Bedenken über recycelte Inhalte, konservative Publisher oder Faulheit der Entwickler werden in den nächsten drei Stunden sauber zerstreut. Es verspricht tatsächlich die Sorte Spiel zu werden, mit der The Creative Assembly sein Publikum nach den gemischten Erfahrungen von Total War: Rome II wieder zurückgewinnen kann. Während Rome II mit den Schlüsselwörtern "größer, schöner und zugänglicher" entwickelt wurde und sich besser verkauft hat als alle anderen Teile der Reihe, wird Total War: Attila über mehr Tiefgang und seinen erhöhten Schwierigkeitsgrad definiert.
The Creative Assembly folgt der Theorie, nach der ein Klimawandel die nördlichen Nationen in den Süden auf einen Kollisionskurs mit dem Römischen Reich schickte. Eine permanente Schneedecke wandert langsam nach Süden, während die Winter immer länger andauern. Eine fragwürdige Entscheidung bezüglich der Authentizität, aber ein Geniestreich für das Gameplay. Längere Winter bedeuten nicht nur reduzierte Einkünfte und verringerte Lebensmittelproduktion, sondern dienen auch als Motivation für Spieler und computergesteuerte Königreiche, nach wärmeren Jagdgründen zu suchen und simulieren zudem den tatsächlichen Gang der Geschichte.
Die Migration bringt religiöse Reibungen und alle Arten von Krankheiten mit sich und Total War: Attila will dies viel stärker simulieren als seine Vorgänger. Die Kultur aus Rome II wird durch Religion ersetzt und die bekannten Religionsagenten tauchen wieder auf, aber die Spieler können auch die Religion ihres Reiches ändern, falls die Einflüsse einer anderen Religion überhand nehmen oder die Bonuseffekte vielversprechender sind.
Die unterschiedlichen Krankheiten klingen nicht ganz so vielversprechend. Keine wurde genannt, aber sie haben - ähnlich den Religionen - unterschiedliche Merkmale und Effekte, die bestimmen, wie schnell und auf welche Art und Weise sie sich verbreiten und wie sie die Städte, Armeen oder Figuren beeinträchtigen. Es kann also ratsam sein, jeden Handel mit einer erkrankten Nation einzustellen oder eine Stadt unter Quarantäne zu stellen, bis sich die Lage beruhigt hat. Um Spieler noch weiter zu sabotieren, wurde das Elends-System wieder eingeführt, das für die Gesundheit einer Stadt steht.
All dies sorgt für ein Gefühl der bevorstehenden Apokalypse - der unvermeidlichen Invasion der Hunnen. Attila und seine Anhänger sind nicht spielbar, aber The Creative Assembly spielt damit, den ersten echten Antagonisten der Serie aufzubauen, indem sie den Spieler Gerüchte über ein wachsendes Reich im Osten und seinen finsteren Führer vor dem unvermeidbaren und endgültigem Zusammentreffen zu Ohren kommen lassen.
Die anwesenden Entwickler halten sich vorsätzlich mit Informationen über das Design der Hunnen und ob diese für die Spieler als DLC verfügbar gemacht werden sollen zurück. Aber die Entscheidung, dass die Hunnen vorerst nicht spielbar sein sollen, erscheint merkwürdig. In einer kurzen Demonstration der Kampagne kriegen wir eine geführte Tour durch das Unglück der Römer. Ich habe ein umfangreiches, flexibles und informatives Interface, eine Übersicht mit hilfreichen Ansichten, einen Technologiebaum ganz ähnlich dem von Civilization und eine weniger eingeschränkte Kamera bei der Arbeit beobachtet.
Bisher war das wenig, um den Herzschlag der anwesenden Journalisten zu erhöhen, aber Bickham beendet seine Demonstration mit einem der spektakuläreren neuen Features von Total War: Attila - der Fähigkeit, eine Provinz komplett zu zerstören. Die Spieler sind jederzeit in der Lage eine Stadt zu zerstören und die Umgebung bis auf die Grundfeste niederzubrennen. Die Stadt kann wieder aufgebaut werden, das braucht aber Zeit und Geld und die Provinz wird über Jahre beeinträchtigt sein.
Das Licht geht an und wir bekommen die Gelegenheit, uns in einem Raum voller Rechner selbst einen Eindruck von den Veränderungen und Neuerungen bei den Echtzeitkämpfen zu verschaffen.
"Ich muss euch warnen", erklärt Kampagnen-Designer Dom Starr. "Die Schlacht ist schrecklich schwer. Ihr habt zwei Stunden, aber macht euch keine Sorgen, wenn ihr es auch bei dem dritten und vierten Versuch nicht schafft. Die meisten können es überhaupt nicht schaffen." Nach einem schnellen Überblick über das Schlachtfeld verstehen ich, was mit "schrecklich schwer" gemeint war. Ich kontrolliere eine kleine römische Garrision in einer umkämpften Stadt in Britannien. Sie erklären das Aussehen der Stadt mit der Belagerung durch die Sachsen und je länger die Stadt belagert wird, umso schlimmer wird der Eindruck, den sie auf dem Schlachtfeld auf einen macht.
Bei einer direkten Attacke - ohne Belagerung - hätte ich die Zivilisten beobachten können, wie sie in den Straßen und auf Plätzen ihre tägliche Routine verlassen und fliehen oder manchmal sogar zu den Waffen greifen, um bei der Verteidigung zu helfen. Ich stehe mit einem berittenen General, zwei mittleren Speerträger-Einheiten, vier schweren Schwertkämpfer-Einheiten, einer Scout-Kavallerie, zwei Bogenschützen-Einheiten und zwei Festungskatapulten mehr als doppelt so vielen gegnerischen Einheiten aller Diziplinen gegenüber.
Dom Starr erklärt die Grundlagen - wie werden Einheiten platziert, wie setzt man ihre Fähigkeiten ein und auf welche neuen Features muss geachtet werden. Es gibt ein neues System für dynamisches Feuer, das auf benachbarte Häuser, Bäume oder Barrikaden übergreifen und ganze Areale verwüsten kann. Brände senken die Moral der Verteidiger und bedeuten nicht unerhebliche Kosten für den Wiederaufbau nach der Schlacht. Die vier Katapulte vor der Stadt und die mit Fackeln bestückte Infanterie machen Brände unvermeidbar. Diese Einheiten setzen alle Gebäude in Flammen an denen sie vorbeiziehen.
Wir können an vorbestimmen Orten Barrikaden in der Stadt errichten. Sie dienen als kleine Wände, auf denen wir unsere Truppen platzieren dürfen. Aber die Barrikaden können von Katapulten, Nahkämpfern oder Feuer leicht zerstört werden. Der Plan steht: Ich platziere geschickt Barrikaden und bereite einen Flankenangriff der Kavallerie auf die Katapulte vor. Das Schlachtfeld hat detailliertere und realistischere Umgebungen als alle vorherigen Total War-Spiele. Farmen säumen die Straßen in und außerhalb der Stadt. Die Dörfer der Umgebung sehen tatsächlich bewohnt aus. Es lassen sich keine wiederverwendeten Elemente aus Total War: Rome II ausmachen und ich ziehen mit großer Begeisterung in den Kampf.
Und so passiert es, dass ich nach nur fünfzehn Minuten der zweistündigen Session meinen Sieg erringe. Die Hälfte der Truppen leben noch und alle Gegner, die meinen erschöpften Bogenschützen entkommen sind, fliehen durch die abgebrannten Überreste meiner Stadt. Vermutlich haben sie die Schwierigkeit des Szenarios etwas überschätzt und ich frage, ob ich noch mal spielen darf. Das löst einige Aufruhr bei Dom, Al und den anderen Entwicklern aus. Und es klingt wie Musik in meinen Ohren, als ich erzählt bekomme, ich wäre der Erste, der diese Schlacht beim ersten Versuch gewonnen hätte (mit Ausnahme einiger der besten Rome II-Spieler).
Ich bin überzeugt, dass Total War: Attila die Nachlässigkeiten und Fehler von Rome II korrigiert. Der neue Tiefgang ist erfreulich, aber in welchem Zustand das Spiel im nächsten Jahr erscheinen wird, lässt sich jetzt noch nicht sagen. In dieser Hinsicht hat The Creative Assembly eine dunkle Vergangenheit, aber ich kann mit einigen Bugs leben, solange in Rom eine Statue zur Ehrung meines Sieges aufgestellt wird - was mir ohne jeden Scherz versprochen wurde.