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The Town of Light

The Town of Light

Das italienische Studio LKA liefert mit seinem Erstling eine verstörende Geschichte Alltagshorror ab, indem es die Geschichte einer 16-Jährigen in einer Irrenanstalt erzählt.

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Washed we were and buried,
Of incense did we smell.
And after, when we loved
They gave us electroshocks
For, they said, a touched
Can never love.

(The Holy Land, Alda Merini - 1984)

Eines der traurigsten und beschämendsten Kapitel der Geschichte aus dem letzten Jahrhundert waren die gesetzliche Grundlagen für psychiatrische Kliniken, als immer mehr dieser Krankenhäuser wucherten. Es waren aber eher Gefängnisse und Orte der Folter, in den die sogenannten "Verrückten" versteckt wurden, oft politische Gefangene, Homosexuelle oder schlicht Rebellen in den Augen der respektablen Gesellschaft. Die psychiatrischen Kliniken, traurigerweise als Irrenanstalten bekannt, waren Orte unaussprechlicher Gewalt, an denen nicht selten keinerlei Menschlichkeit existierte.

The Town of Light ist die erste Arbeit des italienischen Studios LKA aus Florenz. Es ist eine schwere und ambitionierte Aufgabe, die fiktionale Geschichte der sechszehnjährigen Renee (ein erfundener Patient der Volterra-Irrenanstalt, die es wirklich gab) und von den Gräueltaten zu erzählen. Elektroschocks, kalte Duschen, jede Art von Gewalt - The Town of Light eröffnet uns eine dunkle, kranke und schreckliche Welt, in der Horror nicht durch Schreckmomente entsteht, sondern durch echte tragische Realität. Das Abenteuer basiert auf sehr gründlichen Recherchen der historischen Begebenheiten in Italien mit Hilfe von Krankenakten der Voltorra-Patienten, die einen grausamen Einblick in die brutale Realität der italienischen Psychiatrischen Krankenhäuser der 1930er und 1940er Jahre gibt.

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The Town of LightThe Town of Light
The Town of Light eröffnet uns eine dunkle, kranke und schreckliche Welt, in der Horror nicht durch Schreckmomente entsteht, sondern durch echte tragische Realität.

Das First-Person-Psychological-Adventure (wie es die Entwickler selbst nennen) bringt die Spieler zu den Ruinen der geschlossenen Anstalt, die wie alle italienischen psychiatrischen Gebäude mit Hilfe des Basaglia-Gesetzes von 1978 geschlossen wurde (benannt nach dem wichtigen italienischen Psychiater und Neurologen Franco Basaglia). Wir untersuchen die Ruinen des alten Krankenhauses nach Spuren von Renees Erinnerung, um zu rekonstruieren, warum der Teenager in die Anstalt eingewiesen wurde.

Das Gameplay besteht hauptsächlich aus zwei Elementen: dem Erkunden der Umgebung und dem Sammeln der medizinischen Aufzeichnungen sowie dem Lösen einfacher Rätsel. Ab dem zweiten Teil des Spiels kommt noch eine Auswahl-Mechanik dazu, die es erlaubt, in einen der vielen Aspekte aus Renees Leben einzutauchen. Nach ungefähr eineinhalb Stunden im Spiel beginnt sich die Geschichte zu verzweigen und man kann sich auf jene Aspekte fokussieren, die einem interessant erscheinen (was natürlich gleichzeitig auch den Wiederspielwert erhöht).

Ein Aspekt, den ich sehr zu schätzen weiß, ist diese Mechanik, die den Spieler nicht dazu zwingt, eine bestimmte Position bezüglich der Ereignisse einzunehmen, sondern ein Bild dieser sehr komplexen Periode der italienischen Geschichte voller Armut, Ignoranz und der Präsenz des unterdrückenden Faschismus zeichnet. Die historische Rekonstruktion ist wirklich beindruckend und nutzt auch Zeitungsartikel und Poster, die dem Spieler Details der italienischen Geschichte aus der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts zeigen.

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Die außergewöhnliche Natur der Geschichte und die großartige historische Rekonstruktion wird von allerhand technischen Problemen überschattet.

Eine weitere Sache, die mir sehr gut gefallen hat, ist die Rekonstruktion des Interior und Exterior der Volterra-Anstalt sowie der Grafikstil der Zwischensequenzen, die an eine Vielzahl aktueller italiensicher Grafik-Novellen erinneren. Die Schauspieler haben gute Arbeit geleistet und die Zwischensequenzen zeigen elegant Renees Erinnerungen - verwirrend, manchmal nicht real, aber immer in dem Versuch, dem roten Faden der Gedanken zu folgen, um zu verstehen, was an diesen Orten vorging.

Trotzdem ist The Town of Light längst nicht in allen Belangen perfekt. Die außergewöhnliche Natur der Geschichte und die großartige historische Rekonstruktion wird von allerhand technischen Problemen überschattet und ließ mich mit einigen nervigen Bugs zurück. Einmal musste ich ein Kapitel wiederholen, weil eine Sequenz nicht gestartet wurde und man dadurch nicht weiterkommen konnte. Dazu ein ständiger Abfall der Framerate, Pop-Ins und allgemein eine mangelnde grafische Definition des Spiels, die zumindest auf der technischen Seite für eine unerfreuliche Erfahrung sorgt.

Trotzdem muss man die gute Arbeit von LKA insgesamt anerkennen und ich will bei ihrem ersten Spiel auch ein wenig Milde walten lassen. Selbst wenn es durch die technischen Aspekte etwas ruiniert wird, ist The Town of Light ein einzigartiges Spiel, das sich interaktive Mechaniken zu nutze macht, um die dramatischen Seiten der italienischen Geschichte aufzuzeigen und vielleicht auch den Weg eröffnet zu neuen und kulturell wichtigen Spielen. Gut erzählt und emotional bewegend ist The Town of Light ein guter Anfang für das italienische Studio, selbst wenn auf technischer Seite noch viel zu tun bleibt.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
schöne Geschichte, ausgiebig recherchiert, gutes Schauspiel, kulturell wertvoll
-
zahlreiche Bugs, technisch insgesamt schwach
overall score
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