Als Fan von Until Dawn zog Supermassive Games' The Dark Pictures Anthology 2019 sofort meine Aufmerksamkeit an. Nachdem Man of Medan eine nette Spielerfahrung bot (das jedoch nicht an Until Dawn herankam) und ich mit Little Hopes' Prämisse eine Auszeit von der Spielereihe nahm, geht es nun mit House of Ashes pünktlich zur Halloween-Zeit weiter. In diesem Kapitel verfolgen wir die Geschichte einer Sondereinheit des amerikanischen Militärs, die damit beauftragt wurde, der Spur einer versteckten Massenvernichtungswaffe im Irak nachzugehen.
Nach einem Gefecht mit den irakischen Gegnern, gefolgt von einem Absturz in einen unterirdischen Tempel der alten Sumerer, gerät der Kriegskonflikt zwischen den beiden Seiten jedoch schnell in den Hintergrund. Alte Wandmalereien, Aufzeichnungen einer vergangenen Expeditionstruppe sowie seltsame Ritualzeichnungen geben schnell einen Eindruck davon, welche Gefahren House of Ashes tatsächlich verbirgt.
Unsere Gruppe von Charakteren besteht dieses Mal aus dem zerstrittenen Ehepaar CIA Field Officer Rachel King und Lieutenant Colonel Eric King, Sergeant Nick Kay, Lieutenant Jason Kolchek, sowie dem Iraqi Lieutenant Salim Othman. Die Entwickler spielen mit typischen Feindbildern und lassen uns nach einem kurzen Ausflug in die Vergangenheit des Tempels mit einer wichtigen Aussage zurück, die je nachdem, wie wir uns im Spielverlauf verhalten, als wichtiger Leitsatz gilt: Der Feind meines Feindes, ist mein Freund.
Mechanisch hält sich der Titel weiterhin an Supermassive Games' etablierter Formel: Im Wechsel schlüpfen wir in die Rollen der verschiedenen Charaktere und beeinflussen mit unserem Verhalten in Dialogen die zwischenmenschlichen Beziehungen und passive Charaktereigenschaften, während unsere Schnelligkeit bei den Quick-Time-Events in Gefahrensituationen über Leben und Tod entscheidet. Erneut mit dabei sind die Bilder, die in Form von Steintafeln gefunden werden können und als eine Art Prophezeiung für kommende Gameplay-Szenarien gelten. Die zu findenden Geheimnisse wiederum bringen ein wenig Licht ins Dunkle und decken die Geschichte hinter den Geschehnissen des Spiels auf.
Neben einer neuen Geschichte bietet House of Ashes auch einige Neuerungen für die Zukunft der Anthologie: Fixierte Kamerawinkel wurden mit einer 360-Grad-Perspektive ausgetauscht, die nun mehr an die Steuerung eines Third-Person-Titels erinnert. Auch der Schwierigkeitsgrad kann nun in drei verschiedenen Ausführungen angepasst werden. Wer seinen Fokus also eher auf die Entscheidungen in den Gesprächen legen will und weiß, dass Quick-Time-Events (wie bei mir) mit großer Wahrscheinlichkeit ein böses Ende nehmen, kann sich getrost zurücklehnen.
Zusätzlich dazu bietet der neue Taschenlampen-Button die Möglichkeit, verborgene Geheimnisse in der Umgebung aufzudecken und allgemein bewusster die Umgebungen zu erkunden. Der Verzicht auf die fixierten Kamerawinkel tut dem Spielfluss und dem Entdeckerdrang gut, doch das fast schon schneckenartige Bewegungstempo der Charaktere und ein etwas zu langsames Übertragen der Control-Stick-Eingaben auf der Playstation 4 machen die Steuerung jedoch noch immer zu einem der schwächsten Elemente dieser Spielereihe.
Thematisch entfernt sich Supermassive Games' neuester Titel vom klassischen Horror, den wir in spukenden Geisterschiffen oder als Fluch aus den Zeiten der Hexenverbrennungen kennen. Stattdessen orientiert sich das Spiel etwas mehr an einer Atmosphäre, die an Die Mumie, Alien oder auch Predator erinnert. Während die Narrative in Man of Medan nie tatsächlich zum Höhepunkt kam und mich mit einem abrupten Ende ein wenig enttäuschte, wirkt die Handlung von House of Ashes spannender, komplexer, und sie erinnert mit ihrer Erzählstruktur und der Dynamik oft viel eher an Until Dawn.
Der Richtungswechsel sorgt dafür, dass House of Ashes manchmal mehr Action- als Horrorelemente beinhaltet, doch die gruselige Atmosphäre und die angespannte Stimmung gehen dabei nie verloren. Die Entdeckung eines längst vergessenen Wesens, die Aufarbeitung der Geschehnisse im Tempel oder auch die Auswirkungen des Terrors auf unsere Charaktere; bei all diesen Dingen hat der neue Ableger meiner Meinung nach thematisch genau ins Schwarze getroffen. Sowohl die Ausrichtung auf das Genre Action-Horror, als auch der Verlauf des Handlungsstrangs, der oftmals unerwartete Wendungen mit sich brachte, boten mir knapp fünf Stunden lang gute Unterhaltung.
Inmitten der beabsichtigt wirkenden Klischees und der Dynamik eines Militär-Horrorfilms geht jedoch ein wenig die Empathie für die jeweiligen Charaktere verloren. Figuren wie Salim, der mit seiner humorvollen Art und der Hintergrundgeschichte eines ermüdeten Soldaten (und Familienvaters) viel Potential bietet, wecken einen gewissen Beschützerinstinkt, der mich bei jedem seiner Quick-Time-Events und Dialogoptionen schwitzen ließ. Zu wenig Charakterentwicklung gibt es bei Mitgliedern wie Eric oder Nick, weshalb es mir ehrlich gesagt kein großes Anliegen war, die gesamte Sondereinheit sicher aus dem Tempel herauszuholen.
Wie bereits erwähnt zählt die Steuerung mit seinen teils ungenauen, langsam reagierenden Elementen noch immer zu den schwächeren Aspekten der Horrorreihe, doch die Bereitwilligkeit, Änderungen an der etablierten Formel vorzunehmen, ist das, was für mich zählt. Auf der technischen Seite musste ich leider genau die gleichen Fehler feststellen, die mir bereits damals in Man of Medan über den Weg liefen: Sichtbar langsam ladende Texturen in Filmsequenzen, merkwürdige Ladebildschirme mitten im Geschehen, sowie einige Framerate-Einbrüche konnte ich im Verlauf des gesamten Spiels beobachten.
In Sachen Narrative, Atmosphäre und Inszenierung kommt Supermassive Games mit House of Ashes nah an das allseits geliebte Until Dawn heran, doch Verbesserungsbedarf besteht leider weiterhin. Zu meinen liebsten Beschäftigungen zählt es, alle Geheimnisse zu entdecken und die darin enthaltenen Informationen zum spielerischen Vorteil zu nutzen. Da diese Geheimnissen miteinander verbunden sind, wird eine gewisse Struktur geschaffen, doch hierbei würde ich mir in kommenden Teilen etwas mehr Tiefgang wünschen. Eine Spielmechanik ganz nach Frogwares' Sherlock-Holmes-Reihe, bei dem die Kombination von Hinweise zur Freischaltung zusätzlicher Dialogoptionen führt, ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die Systeme noch einmal aufzupeppen.
Es mach trotzdem viel Spaß, die Rollen der verschiedenen Personen einzunehmen und während der kurzen Bedenkzeit in der Dialogeingabe zu entscheiden, wie gefährliche Situationen entschärft oder bewältigt werden sollten. Es ist ein menschliches Schachspiel, bei dem gefühlt jeder Zug einschneidende Auswirkungen haben kann. Ich für meinen Teil hatte viel Spaß mit House of Ashes und seiner Geschichte. Auch wenn Erics schnulzige Kommentare oder Nicks weinerliche Art mich manchmal daran zweifeln ließen, ob ein verlassener Tempel im Untergrund nicht vielleicht doch der ideale Ort für diese Truppe wäre...