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Shadows of the Damned

Shadows of the Damned

Mit einem fliegenden, brennenden Schädel als Partner ist so eine Reise in die teuflische Unterwelt angenehm. Vor allem, wenn es sich dabei um das wackere Kerlchen Johnson handelt. Der Typ hat immer einen kessen Spruch auf den Lippen und sorgt für erstklassige Unterhaltung - zumindest, wenn man auf eine Portion Trash steht. Sex, Gewalt und Horror - es gibt nichts, was man nicht durch den Kakao ziehen könnte.

HQ

Wäre es ein Film, so würde man ihn vermutlich Quentin Tarantino zurechnen. Shadows of the Damned ist nämlich eine verrückte Mischung. Aber was soll auch anderes herauskommen, wenn die bedrückende Spannung und der Horror von Resident Evil auf Gewalt und Witz von No More Heroes treffen und das Ganze dann mit der intensiven, aber keinesfalls überladenen musikalischen Untermalung von Silent Hill verfeinert wird. Shinji Mikami, Goichi Suda und Akira Yamaoka haben ihre Stärken vereint und der Horror-Action ihre persönliche Note verpasst. Nicht immer ist das Spiel gruselig, meist sogar eher witzig, aber auf kleine Schockelemente wurde trotzdem nicht verzichtet.

Erzählt wird die Geschichte von Garcia Hotspur. Er ist mehr die Sorte rauer Typ mit Drei-Tage-Bart, hat unzählige Tattoos und trägt eine fesche Lederjacke. Dazu kommt die rauchige Stimme und sein relativ starker, lateinamerikanischer Akzent. Seine Freundin Laura wird von Dämonen heimgesucht und schließlich von Fleming, dem Fürst der Unterwelt, entführt. Garcia hängt aber ziemlich an ihr und folgt ihm in sein Reich, um sie zu retten. Warum er das genau macht, erschließt sich uns nicht immer. Als er etwa ihren Kopf in der Hand hält, während der Rest des Körpers herumschleicht, fällt es nicht leicht, den Träumer zu verstehen. Es muss wohl die große Liebe sein und für uns wird die makabere Geschichte zur wunderbaren Gratwanderung zwischen Ekel und Unterhaltung.

Nun muss insbesondere über den Humor gesagt werden, dass er meist nicht sonderlich intelligent ist. Und kommt doch einmal ein hintergründer Witz, dann zitiert das Spiel meist Filme oder ähnliches und wer das nicht kennt, dem wird es auch nicht wirklich verstehen. Allerdings funktionieren billige, zum Teil sexistische Witze und übertriebene Gewaltdarstellung eben zuweilen trotz des vielleicht sonst höher angesiedelten Niveaus hervorragend. Johnson und Garcia haben immer einen coolen Spruch auf Lager, der eine noch so düstere Situation mit dem nötigen Humor ins Absurde verkehrt. Johnson erklärt beispielsweise, warum sich einer der Dämonen die hübsche Laura als Körper gewählt hat - eindrucksvoll platzt so ein Ungetüm nämlich aus dem zierlich Frauenkörper und hinterlässt dabei eine Menge Blut: "Dämonen sind wie Männer, sie wollen alle in das schönste Mädchen rein."

Shadows of the Damned
Garcia Hotspur und der Schädel Johnson sind das neue Traumpaar in Sachen Humor und Horror-Action.
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Gerade in solchen Momenten wird deutlich, dass Shadows of the Damned vielleicht manchmal kindisch, aber definitiv nichts für Kinder ist. Ungeschnitten gibt es in der deutschen Fassung viel Blut, abgetrennte Gliedmaße und ausufernde sexuelle Anspielungen. Noch einen drauf setzen die Werbeanzeigen und Geschichten, die wir entdecken und betrachten können. Manche davon sind sehr verstörend und definitiv nichts für schwache Gemüter - aber das Schöne ist, dass genau diese Momente bei allen anderen natürlich umso besser ankommen.

Johnson übrigens kennt aber nicht nur kesse Sprüche, sondern ist auch das wichtigste Spielelement von Shadows of the Damned. Er kann sich in verschiedene Dinge verwandeln und ist auf diese Weise unglaublich nützlich. Besonders gilt das für die diversen Waffen, in die sich der Schädel transformiert. Neben einem Stock gibt es drei Schusswaffen mit jeweils mehreren Funktionen, die nach und nach freigeschaltet werden. Da gibt es beispielsweise den Lichtschuss, der Dämonen lähmt und die Finsternis bekämpft. Oder wir greifen auf explosive Geschosse zurück, die eine sprengende Wirkung haben. Die Steuerung bleibt relativ überschaubar und der Weg ins Menü wird uns meist erspart - eine kleine Stärke des Spiels.

Interessanter aber ist, wie diese Waffen zum Gameplay-Element werden. Grasshoper hat fantastische Ideen für Rätsel und Knobeleien. Nichts davon ist nun besonders kompliziert oder gar mit dem meisterhaften Portal vergleichbar, aber dennoch herausfordernd und clever integriert. So beherrschen einige Dämonen die Fähigkeit, für Finsternis zu sorgen, die uns wiederum nach kurzer Zeit alle Lebensenergie entzieht. Los werden wir die Dunkelheit in der Regel durch einen gezielten Schuss auf einen Ziegenkopf - "jeder weiß doch, dass Ziegen Lichtquellen darstellen." Manchmal jedoch brauchen wir die Finsternis, weil nur dann etwa ein Schalter sichtbar wird oder wir auf Gegner treffen, die auf diese Art und Weise viel leichter zu besiegen sind. Hier heraus ergeben sich hübsche Passagen, die für Abwechslung sorgen.

Shadows of the Damned
Optisch haben die Jungs einen fantastischen Stil kreiert, der sich durch das gesamte Spiel zieht.
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Gespielt wird Shadows of the Damned aus der bekannten Resident Evil-Perspektive mit der Kamera leicht hinter dem Kopf. Im Gegensatz zum Capcom-Game ist die Steuerung allerdings nicht so träge. Hotspur kann sich vergleichsweise flott bewegen und glücklicherweise auch beim Laufen Schüsse abfeuern. Perfekt sind Tempo und Kamera aber nicht immer, in manchem Kampf wird die Steuerung schon zur kleinen Herausforderung. Zu ärgerlichen Momenten kommt es aber meist nur bei den ansonsten unglaublich gut inszenierten, wunderschönen Bosskämpfen, wenn wirklich viel auf dem Bildschirm los ist und wir zum einen die Schwachstelle des Gegners finden müssen und uns zum anderen gegen die Finsternis und kleinere Gegner zur Wehr setzen müssen.

Nervig sind auch die Lauf-Missionen im späteren Verlauf. Laura ist durchgedreht und wir müssen vor ihr fliehen. Sobald sie uns eingeholt hat, haucht sie uns mit einem Kuss das Leben aus. Bereits nach einem Treffer tot zu sein, gepaart mit Trägheit und der teilweise vorhanden Unübersichtlichkeit, wird das zu einer wirklich ärgerlichen Angelegenheit. Immerhin sind die Rücksetzpunkte gut gewählt, so dass nach jeder anspruchsvollen Passage eine automatische Sicherung erfolgt. Ansonsten ist der Schwierigkeitsgrad angenehm fordernd und auf der mittleren von drei Stufen nur selten zu schwer.

Die Waffen lassen sich über ein simples Menü aufrüsten. Mit Hilfe von roten Juwelen steigen je nach Waffe unter anderem die Kapazität und der Schaden - oder wir steigern unsere Energieleiste. Die wertvollen Edelsteine sind im Spiel versteckt oder wir kaufen sie bei Christopher, der ist eine widerlich aussehende Mischung aus Mensch und Dämon. Hässlich aber nützlich, denn wie gesagt, er "verkauft das spannende Zeug. Munition, Drinks UND rote Juwelen". Für Munition und Alkohol, der uns Lebensenergie spendet, müssen wir weiße Juwelen einsetzen. Für neue Waffen und Funktionen investieren wir die seltenen blauen Juwelen.

Shadows of the Damned
Grasshopper verpasst dem Spiel auch so manches farbenfrohe Level - eine düstere Stimmung aber bleibt.

Die musikalische Untermalung deckt ein breites Spektrum ab und zeugt vom Können Akira Yamaokas. Es gibt Rock, Klassik und elektronische Beats - und mit dabei ist auch der eine oder andere Ohrwurm. Beim Durchstreifen der Level gibt es immer mal wieder merkwürdige Geräusche, die den Spannungspegel heben - zwar nicht auf dem Niveau eines Silent Hill, aber das wäre wohl auch wenig passend. Zu den Einflüssen von Goichi Suda (bekannt als Suda 51) und Shinji Mikami wurde bereits genug gesagt, der wird bei Gameplay und Handlung deutlich spürbar.

Die Spielzeit geht mit zwölf bis fünfzehn Stunden in Ordnung, auch wenn es keine besonderen Extras gibt, die einen erneute Runde rechtfertigen. Das Spiel ist sich eben selbst genug. Optisch ist Shadows of the Damned durchwachsen, aber Level- und Gegnerdesign sind erbaulich und täuschen über manch dröge Schlauchpassage mit verwaschenen Texturen hinweg. Die Ladezeiten sind gerade noch so am Rand des erträglichen und wenn es dann manchmal noch etwas braucht, bis alle grafischen Effekte zugeschaltet sind, ist das nicht schön, stört aber kaum.

Shadows of the Damned ist abgefahren - das Duo Hotspur und Johnson weiß, wie so eine Party am Laufen gehalten wird. In diesem Fall ist es Survival-Horror verpackt in Humor aus Regionen unterhalb der Gürtellinie. Die Chemie zwischen den beiden stimmt und der Witz ist erfrischend direkt. Nicht jedem sagt das zu und nicht jeder versteht alle Anspielungen - obwohl zumindest das mit der englischen Sprachausgabe kein Problem ist, weil es optionale deutsche Untertitel gibt. Das Spiel gehört in den Kreis von neueren japanischen Titeln, die sich dem aktuellen, westlichen Geschmack angepasst haben, ohne die Wurzen zu verraten. Wer sich darauf einlässt, dem werden auch die kleinen Schwächen beim Gameplay nichts ausmachen. Denn wie ein Film von Tarantino ist Shadows of the Damned mit coolen Dialogen und extrem lässiger Musik trotzdem ein kleines Meisterwerk, das definitiv seine Liebhaber finden wird.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
derber Humor und trotzdem spannende Momente, tolle Musik, hübscher Stil, Sex, Gewalt und dumme Sprüche
-
sehr linear, etwas dünne Story, Steuerung und Kamera mit kleinen Macken
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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