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Rocksmith

Rocksmith

Mit Rocksmith geht Ubisoft das Genre der Musikspiele von einer anderen Seite an. Die Franzosen versuchen es auf die ernsthafte Art, denn das "Spiel" ist eher eine moderne Gitarrenstunde ohne nervigen Oberlehrer mit Vollbart.

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Die Möglichkeit, endlich eine reale E-Gitarre an die Spielkonsole oder den PC anschließen, anstatt auf bunten Kunststoff-Tasten herumzutippen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ubisoft meint es ernst mit Rocksmith - und ganz egal, welche Fähigkeiten man mit Rock Band oder Guitar Hero mittlerweile entwickelt hat - die eigentliche Herausforderung für Musikspielfans beginnt hier und jetzt.

Rocksmith wird allerdings nicht mit einer Gitarre ausgeliefert. Nein, stattdessen kommt es mit einem speziellen Kabel, das fein säuberlich die eigene E-Gitarre mit der Konsole verbindet. Es ist dadurch ganz einfach, schnell loszulegen. Und selbst eine einfache Sache wie das Stimmen der Gitarre im Spiel ist bereits eine hübsche Sache.

Wo Guitar Hero und Rock Band ihr Bestes taten, damit wirklich jedermann ein Instrument greifen und sich kopfüber in seinen Lieblingssong stürzen kann, liefert Rocksmith das komplette Gegenteil von einem Party-Spiel ab. Im Karriere-Modus müssen wir für eine ganze Weile spielen, bis überhaupt neue Songs freigeschaltet werden. Und bevor wir auf einer virtuellen Bühne stehen dürfen (das Publikum ist übrigens sehr realistisch), müssen die Songs einstudiert werden. Note für Note, Stück für Stück - und das geht eher langsam.

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Die Bildschirm-Gitarre ist nach oben abgewinkelt und geht von E nach E, von oben nach unten.

Die Visualisierung des Gitarrenhalses und der "einfliegenden" Noten erinnert konzeptionell an die Partybrüder, aber es gibt Unterschiede. Die Bildschirm-Gitarre ist hier nach oben abgewinkelt und geht von E nach E, von oben nach unten. Jede Saite hat eine eigene Farbkennzeichnung und sowohl die Noten als auch die Bundstäbchen sind durch Symbole und Zahlen gekennzeichnet, die einem entgegen strömen. Alles ist quasi leicht angewinkelt und nicht völlig senkrecht, wie wir es von den infantilen Musikspielen gewohnt sind. Es dauert eine Weile, sich hier zu akklimatisieren. Aber nach der ersten längeren Sitzung hat man sich eingelebt.

Allmählich erscheinen neue Herausforderungen auf dem Zettel. In speziellen Modi arbeiten wir uns durch Riffs, feilen an der edlen Kunst des Barrégriffs und verbessern das Timing der einfliegenden Noten. Rocksmith führt uns langsam durch das große Repertoire der Spezialgriffe und diese Lektionen wirken oft sinnvoller als das Spielen auf der virtuellen Bühne. Sie geben einem einfach mehr.

Das Gesamtkonzept wird sich immer vertrauter anfühlen, je mehr man probt und übt. Das Spielen vor Publikum schaltet neue Arenen und auch Gerätschaften frei. Allerdings wird sehr schnell deutlich, wie anders Rocksmith im Vergleich zu den Spielen von Harmonix und Neversoft ist. Dies ist ein Spiel, das man alleine erlebt wird und nicht etwas, das man mit Freunden am Wochenende zockt. Theoretisch kann ein weiterer Spieler mit eigener Gitarre und Kabel im begrenzten Zwei-Spieler-Modus mitrocken. Aber hier ist das Spiel nicht zuhause. Rocksmith ist tatsächlich eher ein persönlicher Lehrer. Es ist ein Werkzeug, eine Karotte vor der Nase - und manchmal auch eine Peitsche. Es hilft einem langsam dabei, seine Gitarren-Fähigkeiten zu verbessern.

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Die Songauswahl ist solide, bietet aber keine Überraschungen. Es sind vor allen Dingen Lieder ab dem Jahr 2000 sowie ein paar Oldies der Rolling Stones und Animals dabei, aber auch Werke der Strokes und der Stone Temple Pilots. Ist jedenfalls für jeden Geschmack etwas dabei. Eine Auswahl an herunterladbaren Tracks ist ebenfalls verfügbar (inklusive Queen, wohoo!).

Die Präsentation in den Menüs und im gesamten Spiel wirkt sowohl optisch ansprechend als auch in sich logisch. Das alles kommt tatsächlich wie eine sehr ernsthafte Version von Rock Band 3 rüber. Ein weiterer positiver Faktor ist die Stimme des Gitarrenlehrers, der ruhig und besonnen das Spiel vorstellt und neue Elemente erklärt.

Es gibt übrigens auch ein paar Sachen im Spiel zu erledigen außer zu proben und Shows spielen. Allein das Ausprobieren der verschiedenen Verstärker frisst schnell eine Menge Zeit. Und in der "Guitarcade" warten eine Reihe von Minispiel-Gimmicks. Dazu gehört ein Space Invaders-Klon, in dem wir die Außerirdischen durch das Anschlagen des richtigen Ton abschießen oder Dawn of the Chordead, in dem der richtige Akkord die uns angreifenden Zombies niedermäht. Auch das Rez-artige Skala Runner mit neonfarbenen 3D-Welten hat seinen Reiz.

Rocksmith
Im Minispiel Dawn of the Chordead mäht der richtige Akkord uns angreifende Zombies nieder.

Zwei wesentliche Nachteile allerdings trüben das Erlebnis mit Rocksmith. Das erste und größte Problem ist eine deutliche Verzögerung des Sounds, der einfach erst kurze Zeit nachdem man die Saite angeschlagen hat, aus den Boxen des Fernsehers dröhnt. Und leider lässt sich das auch nicht mit der Kalibrierung ändern, denn die steuert nur die visuelle Verzögerung der einfallenden Noten auf dem Bildschirm. Das Spiel schlägt vor, die Konsole an ein richtiges Sound-System anzuschließen, aber das ist natürlich eine ziemlich massive Investition für diejenigen, die keins besitzen.

Ein subtileres Problem taucht nach ein paar Stunden auf. Dann nämlich beginnt man sich zu fragen, wie viel mehr Rocksmith im Vergleich dazu abliefert, sich einfach online einige Tabulaturen zu ziehen und die Songs auf eigene Faust zu lernen. Ich mache das seit Jahren so und finde es immer noch einfacher auf diese Weise zu lernen als mit dem Rocksmith-System.

Rocksmith ist trotzdem eine wirklich schöne Idee und mit einer polierteren Fortsetzung könnte Ubisoft etwas Großes gelingen. Ist ja ohnehin eher als Nischenprodukt für Enthusiasten konzipiert, die ihre alte Fender abstauben wollen, um ihr ihr und den Gitarre-Träumen neues Leben einzuhauchen. Oder für diejenigen, die die Kunststoff-Gitarren hinter sich lassen wollen, um etwas Authentischeres zu erleben.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
viel zu lernen, solide Songauswahl, gute Präsentation, witzige Minispiele
-
Sound leidet durch Verzögerung, kostenlose Tabulaturen sind ernsthafte Konkurrenz
overall score
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