In der Microsoft-Europazentrale in Reading wird uns stolz das Ergebnis des in knapp zwölf Monaten durchgezogenen Projekts präsentiert. Sechs davon für die Portierung, weitere sechs für den Multiplayer. Die Produzenten Paddy Burns, David Keningale (hier unser aktuelles Interview mit den beiden) und Nick Ferguson glauben fest daran, dass Perfect Dark erst heute sein wahres Potenzial ausschöpft. Mit fast immer stabilen 60 Bilder pro Sekunde, hochaufgelöst in 1080p und dennoch ohne mit dem Look von damals zu brechen.
Gemessen an heutigen Standards ist das aufpolierte Perfect Dark trotzdem kein grafisch schönes Spiel, trotz der zahlreichen Verbesserungen im Detail. Das liegt daran, dass es eine eher präzise Portierung ist, genau das aber zum Glück keine Sekunde lang verleugnen will. Ein bisschen hübschere, schärfere Hintergründe hier, etwas verbesserte Texturen dort - und natürlich die extrem aufgehübschte Joanna Dark selbst.
Die große Rolle spielt genau das aber nicht. Entscheidender ist, dass bei der Portierung die gesamte Seele des Spiels erhalten wurde. Perfect Dark überzeugt auch heute all jene, die damals 1997 den indizierten Bond-Shooter geliebt und im Jahr 2000 mit Perfect Dark den Nachfolger auf dem N64 rauf und runter gespielt haben.
Die Anpassung an die Jetztzeit erfolgte mit dem nötigen Feingefühl, auf allen Ebenen. Vorne weg die Steuerung, die auf dem N64 für viele den perfekten Weg repräsentierte, einen Konsolenshooter zu bedienen. Vor allem das Strafeing war beliebt, das gleichzeitige Laufen und zur Seite drehen, um schneller rennen zu können. Dieses Konzept wurde auf den Xbox-Controller übertragen, nicht einmal schlecht sogar. Mit beiden Analogsticks kann das Querlaufen jetzt quasi simuliert werden. Braucht ein bisschen Training, aber dann flitzt Joanna wie eh und je durch die Level.
Die Struktur der Missionen im Solomodus und die für damalige Verhältnisse einigermaßen beeindruckende Künstliche Intelligenz sind erhalten geblieben. Sogar inklusive einiger Bugs, die teils absurde Speedruns ermöglichen, etwa den allerersten Level in 0:06 Sekunden zu absolvieren. Das wird sich auch in den Online-Ranglisten widerspiegeln, die jedem einzelnen Sololevel und seinen drei Schwierigkeitsstufen zugeordnet sind. Nicht nur so sollen die Hardcorefans des Spiels davon überzeugt werden, dass es sich nun abschließend lohnt, den N64 endgültig abzuschalten. Wobei die (gute) Einzelspielergeschichte tatsächlich eher in den Hintergrund tritt, denn Perfect Dark ist vollständig auf den Einsatz via Xbox Live getrimmt. Allerdings gilt: Wer alle Cheats und alle Waffensets haben will, der muss sich auch heute durch den Storymodus kämpfen.
Bereits am Anfang sind alle Level und ein Teil der Waffensets freigeschaltet, so dass man sofort loslegen kann. Die Modi waren und sind zahlreich, Perfect Dark war quasi der Inkubator der modifizierbaren Konsolenshooter. Vieles ist frei einstellbar: die Level, die Waffen und wo sie gedroppt werden oder die Siegbedingungen.
Am allerbesten sieht man das bei den Simulanten im Multiplayer, der damals wie heute bei Perfect Dark schlicht Kampfsimulator heißt. Es gibt fünfzehn verschiedene Varianten von der K.I. gesteuerter Mitspieler. Darunter ist der killsüchtige RaketenSim, der RacheSim und der, nun ja, hoffnungsvolle und gnadenlose JustizSim. Bis zu vier Simulanten dürfen zusätzlich zu den maximal vier Mehrspielern in eine Sitzung gepackt werden. Die Simulanten haben individuelle Verhaltensweise und sogar ihr Schwierigkeitsgrad ist variabel. Das war damals revolutionär, wie der gesamte Multiplayer mit seinen schier endlosen Kombinationsmöglichkeiten. Und genau das funktioniert auch heute noch.
Die wahrscheinlich beste Ergänzung ist, dass all dies nun online am Start ist. Immer noch können bis zu vier Freunde lokal im Splitscreenmodus spielen. Sie können aber nun auch eine andere Couch mit bis zu vier Spielern herausfordern. Oder alle gegeneinander gegen vier andere Spieler online antreten. Oder sich alleine im Online-Kampfsimulator austoben. Oder den Koop-Modus für zwei online oder im Splitscreen spielen. Oder den Counter Operative-Modus spielen, der besonders via Xbox Live ein Lacher ist, wenn man als Gegenagent in die Rolle eines Schergen schlüpft und Joanna Dark das Leben als Teil des Storymodus schwer macht. Oder, oder, oder. An Möglichkeiten mangelt es nicht.
So richtig, richtig toll ist Perfect Dark im klassischen Multiplayer. Laptop Gun, die KLO1313, eine PP9i, ein Schild und eine Magnum ins Waffenset und ab in den Facility-Level. Das verliert nie, nie, nie seien Reiz. Das geht immer. Ärgert einen noch immer zu Tode, wenn man im hinteren Bunkerteil festgenagelt wird und der Killcounter immer weiter steigt. Die Auszeichnungen am Levelende rücken in weite Ferne. Nichts mit Longest Innings oder Most Deadly. Nur Feigling oder Lieblingswaffen unbewaffnet. Das ärgert jeden Shooterspieler. Und macht auch heute noch am meisten Spaß, wenn man zu viert auf der Couch herumlungert und sich übereinander lustig macht.
In London saß ich neben einem namenlosen, freundlichen Microsoft-Techie, der mit dem Firmennetzwerk haderte und versucht, die vier Konsolen für eine Session online zu bringen. Aber ein gleichzeitig eingespieltes Update macht das unmöglich. Also spielen wir zu zweit Splitscreen, gemeinsam mit zwei weiteren Bots. Bereits nach wenigen Sekunden nagelt mich der SpeedSim mit einigen gezielten Schüssen an die Wand. Danach der Microsoftmann. Als irgendwann das Netzwerk wieder läuft, tritt erstmals die Schönheit der Live-Möglichkeiten zu Tage. Beim Splitscreen-Spielen darf man ja immer den Screen des Gegners mit anschauen, was die strategische Komponente etwas mindert. Online gilt das alles nicht mehr. Und auch in der Redaktion in Berlin haben Martin und ich sofort Spaß gehabt mit dem Multiplayer. Sofort. Es gibt für all jene, die das Original kennen und mögen kein Entrinnen.
Die Frage ist, was Neulinge mit dem Titel anfangen, ohne die ganze verklärte Gefühlsduselei von früher. Klar ist: Der Multiplayer ist noch heute super. Es gibt sogar spezielle Controller-Layouts für Halo- und Call of Duty-Spieler, damit die sich nicht umgewöhnen müssen. Eine bessere Einladung geht nicht. Vielleicht müssen genau diese Spieler, eigentlich aber irgendwie alle, Perfect Dark nur als das sehen, was es im Jahr 2010 ist: ein verdammt guter Deal für 800 Microsoft Points, knapp zehn Euro. Dafür kriegt man einen zehn Jahre alten Titel mit einer Durchschnittswertung von 97 Prozent, dessen Optik vorsichtig und mit viel Liebe an das HD-Zeitalter angepasst wurde. Ein Spiel, dessen Kern immer noch funktioniert: nämlich ein wahnsinnig gutes Multiplayer-Actionspiel zu sein.