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Nero

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Ein wunderbares Märchen, das mystisch beginnt und extrem düster endet. Eine tolle Story, aber leider verhageln Probleme bei der Technik das Gesamterlebnis.

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Ich hatte ein komisches Gefühl bei Nero. Das ambitionierte Projekt von Storm in a Teacup nutzt eine interessante Kombination aus Angst und Magie. Darum war ich stets hin und her gerissen zwischen der Angst vor dem, was da als nächstes kommt und der Neugierde, welche verstörende Geschichte an der nächsten Abzweigung wartet. Denn wenn es eine Sache gibt, die meine Aufmerksamkeit erregt, ist es die faszinierende Erzählung. Nero braucht nur wenige Stunden, um diese Story vollständig zu erzählen. Es ist eine sehr persönliche und emotionale Geschichte. Sie fügt sich perfekt ein in die traumhafte Atmosphäre, die das ganze Spiel auszeichnet. Nero ist ein Erlebnis irgendwo zwischen Myst und Journey. Die Spielwelt verwebt einen Surrealismus im Stil von Alice im Wunderland mit einem Hauch wirklichen Leben.

Eine Funktion, die auf den ersten Blick sichtbar ist, ist zweifellos die bezaubernde Szenerie um einen herum. Es ist eine dunkle Welt, manchmal erstickt sie einen fast, aber zur gleichen Zeit sind da diese fluoreszierenden Farben, die immerzu eine Grundspannung aufrecht erhalten. Es gab mehrere Momente, in denen ich einfach innegehalten habe, um die surreale Welt vor meinen Augen aufzusaugen. An dieser Stelle, während der Balance zwischen Traum und Alptraum, beginnt denn auch das Abenteuer des kleinen Kindes unter der geheimnisvollen Kapuze. Wir landen auf einer verlassenen Mole in einem kleinen Boot. Zur Begrüßung gibt es einige geheimnisvolle, schwimmende Texte, offenbar Fragmente einer Geschichte. Oder besser gesagt von zwei farbcodiert parallel erzählten Geschichten.

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Der Fokus von Nero liegt vor allem auf der Story, und um die herum ist das ganze Spiel gebaut.
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Um das Abenteuer zu bestehen und neue Elemente der Geschichte freizuschalten (die allmählich immer intensiver wird) müssen wir Rätsel lösen. Zuerst sind die simpel, werden aber immer aufwändiger - und die Spielwelt ist voll von ihnen. Durch den Einsatz einer Lichtkugel, die das Kind bei sich trägt, können wir Obelisken bewegen. Mit der Hilfe eines geheimnisvollen Freundes, dem wir auf unserer Reise begegnen, können wir Druckplatten aktivieren, die Türen öffnen und neue narrative Elemente dazu.

Das Rätseln ist am Ende gar nicht zu kompliziert. Während solch einfache Mechaniken auch dazu führen können, dass sich eine Spielerfahrung irgendwie unbefriedigend anfühlt, war die Entscheidung für dieses spartanische System hier offenbar wohl kalkuliert. Der Fokus liegt vor allem auf der Story, und um die herum ist das ganze Spiel gebaut. Die Geschichte befasst sich mit Themen von großer Tiefe und Komplexität, darunter Krankheit und Mutterliebe. Neben dem Lösen von Rätseln hat Nero auch einen Abschnitt den Sammlerstücken gewidmet. Wir können Fragmente von Fotografien suchen, um so noch mehr zu erfahren über die Geschichte.

Die Struktur funktioniert toll, wie wir nach und nach die Erzählung über den Verlauf des Abenteuers serviert bekommen. Fast wie in einer modernen Interpretation des Mythos von Platos Höhle, entfernen wir uns langsam zu Fuß von der erstickenden Dunkelheit des Waldes, in dem das Abenteuer beginnt. Diese Reise ist eng verknüpft mit unserer Unfähigkeit, die Geschichte zu verstehen, weil sie in Stücken vor uns liegt. Diese magische Welt führt uns zur Auseinandersetzung mit harten Realitäten und enthüllt Stück für Stück das zugrunde liegende Thema des düsteren Abenteuers in Nero.

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Was ernsthaft nervt, ist die Framerate, die immer wieder in sich zusammenbricht.

Ein weiteres Element, das mich beeindruckt hat, ist der zunehmende Rhythmus der Erzählung und wie sie immer konstanter wird. Das Fortschreiten passt perfekt zu den zunehmend hektischen Beschriftungen der Spielwelt, die die zugrunde liegende Geschichte offenbaren. Langsam aber sicher macht die märchenhafte Stimmung, die wir im ersten Teil des Abenteuers erleben, Platz für die traurige Geschichte, die das Spiel eigentlich erzählen will. Der wunderbare, manchmal verstörende Soundtrack hilft dabei, die Geschichte auszuschmücken. Wirklich eine Erfahrung, die große emotionale Wirkung bietet.

Aber bei allem Lob gibt es da auch einige Probleme. Was ernsthaft nervt, ist die Framerate, die immer wieder in sich zusammenbricht. Manchmal ist das Spiel dadurch echt unspielbar. Wenn man beim Übergang von einem Abschnitt zum anderen gezwungenermaßen eine volle Minute warten muss, bevor sie sich stabilisiert hat, geht das gar nicht. Es soll einen Patch geben, hat uns der Entwickler bestätigt, aber dennoch: Das geht gar nicht. Zusammen mit anderen kleineren Fehlern, vor allem einploppende Grafikelemente und teilweise extrem lange Ladezeiten, gibt es dafür einiges an Punktabzug. Ein weiteres Problem ist die Steuerung. Die Taste zum Laufen ist aus unerfindlichen Gründen RB, was bei längeren Sitzungen zu lästigen Krämpfen führt. Eine eher unglückliche Wahl, die sich zudem nicht umlegen lässt.

Nero ist als Spiel interessant, einzigartig und originell. Es ist das Debüt eines jungen Studios. Wohl auch darum ist nicht gerade frei von Problemen und hat einige wesentliche Fehler, begeistert mich aber trotzdem. Das Studio verfügt über ein großes Potenzial und hat einige brillante Ideen, aber die technische Seite muss einfach besser abgeliefert werden, um eine bessere, stabilere Spielerfahrungen zu liefern. Eines ist sicher: Ich bin total gespannt, was sie als nächstes machen.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
sehr einnehmende, anspruchsvolle und faszinierende Erzählung, tolle Atmosphäre, feiner Soundtrack
-
schlimme Framerate-Probleme, lange Ladezeiten, Steuerung ungelenk gelöst
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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