Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Imperator: Rome

Imperator: Rome

Auch im neuesten Strategiespiel von Paradox Interactive führen alle Wege nach Rom.

HQ

Imperator: Rome ist das neueste, von Paradox entwickelte Strategiespiel, das uns zurück zu den königlichen Höfen und Schlachtfeldern der Vergangenheit führt. Wieder einmal sitzen wir an der Spitze einer der bedeutendsten Nationen der Menschheitsgeschichte (oder eines ländlichen Herrschaftsgebiets, wenn ihr eine größere Herausforderung sucht) und sollen unsere Spuren in den Memoiren der Historiker hinterlassen, im dritten Jahrhundert vor Christus. Beinahe dreihundert Jahre lang dürfen wir mit einer Fülle spielbarer Nationen die Geschichte umschreiben. Mich hat die Wahl der geeignetsten Nation vor eine schwierige Entscheidung gestellt, denn obwohl Italien viele Vorzüge hatte, ließ mein Herz Britannien einfach nicht los. Am Ende bin ich bei Sparta gelandet, die haben immerhin die berühmtesten Streitkräfte der Geschichte.

Anfangs lief noch alles gut, doch als die einst stolzen Armeen unserer Verbündeten Mazedonien klanglos im Wind zerstreut wurden, verlagerte sich das Herrschaftsgebilde. Die beträchtlichen Kräfte unserer Feinde eroberten schließlich Griechenland und es dauert nicht lange, bis sie unsere eigene Hauptstadt erreichten und belagerten. Wahrscheinlich hätten wir unsere Bündnisse bedachter wählen sollen, doch wir konnten der Gefahr trotzen und einen tödlichen Schlag abwenden. Zumindest bis die Ägypter mit ihrer Flotte von Kreta aus auf unseren scheiternden Staat zusegelten und es von der Karte wischten.

Normalerweise wäre es zu diesem Zeitpunkt - die militärische Macht getilgt, das Imperium in Trümmern - soweit, dass wir neu starten müssten, doch in Paradox' großen Strategiespielen ist das nicht immer notwendig. Schon Crusader Kings 2 hat uns in der Vergangenheit gezeigt, wie unterhaltsam es sein kann bis zum Ende der Party am Ball zu bleiben und zu sehen, was als Nächstes passiert. Nach einer Katastrophe haben wir ja nichts mehr zu verlieren, richtig? Die starken, von wunderbar dargestellten Charakteren dargestellten Momente aus Crusader Kings 2 sind in Imperator: Rome jedoch nicht so reichlich vertreten, weshalb wir nach ein paar weiteren Jahren in der Bedeutungslosigkeit Sparta endgültig begraben mussten.

HQ
Werbung:
Imperator: RomeImperator: Rome
Ein Bereich, der sich schon jetzt für eine Erweiterung anbietet, ist die Diplomatie.

Leider fühlten sich die Charakter-starken Momente bei uns nie wirklich kohärent an, weil die Stimmung kaum bis gar nicht aufeinander aufbaut. In einer Situation schäumte unser Herrscher vor Wut und verärgerte den Klerus, der ihn nur wenige Momente später für seine Taten lobte, als wäre nie etwas gewesen. Die Geschichte wurde zwar zusammenhängend erzählt, doch durch diese narrative Dissonanz ausgebremst. In einem zweiten Szenario sind wir auf ähnliche Probleme gestoßen: Im aufkeimenden Imperium, das dem Spiel seinen Namen verleiht, gab es schon früh ein politisches System, das die Machthaber alle paar Jahre (was in Imperator: Rome nur ein paar Minuten entspricht) auswechselt. Durch das häufige Wechseln der politischen Schrauben fiel es uns schwer, an den unterstellten Charakteren festzuhalten. Das Spiel wollte zwar, dass wir uns an dieses Ensemble von Machern und Intriganten gewöhnen, diese Investition geht unserer Meinung aber einfach nicht auf.

Das heißt jetzt aber nicht, dass in Imperator: Rome nicht ständig irgendwelche Geschichten erzählt werden. Tatsächlich ist in diesem neuesten Spiel von Paradox Development Studio so viel los, dass es beinahe unmöglich ist, einige Minuten lang zu spielen, ohne das etwas Interessantes passiert. Dabei spielt natürlich auch Wiederholung eine auffällige Rolle, aber es gibt stets viele Informationen und Entscheidungen, die abzuwägen sind. In dieser Sandbox laufen derart viele Systeme zusammen, dass der Computer eine Vielzahl interessanter Szenarien ausspucken kann. Insbesondere in überfüllten Gebieten kann es schnell anstrengend werden, die vielen Verträge im Blick zu halten und auf potenzielle Feinde zu achten, die nur darauf warten, zuzuschlagen.

Paradox hält seine vielen Systeme unter Kontrolle, indem es die Dinge relativ einfach hält. Das neue Handelssystem ist beispielsweise elegant und unkompliziert gelöst worden, und dadurch - zumindest aus unserer Sicht - eine deutliche Verbesserung gegenüber dem von Europa Universalis IV). Wir können leicht Waren tauschen, die im Überschuss vorhanden sind, und benötigte Güter von unseren Nachbarn importieren. Die verschiedenen Ressourcen bieten unterschiedliche, passive Vorteile für das ganze Land, weshalb es nicht immer darum geht, dem Handelspartner ein gutes Geschäft zu machen. Man muss immer das große Ganze im Blick haben und nicht nur auf kurze Sicht denken.

Werbung:
HQ
Imperator: RomeImperator: Rome
Falls ihr mit den bisherigen Arbeiten von Paradox vertraut seid, dürftet ihr mit der Benutzeroberfläche gut klarkommen.

Die politischen Systeme sind ebenso interessant, wie vielfältig (zumindest basierend auf dem, was wir bisher erlebt haben). Obwohl die Charaktere ein bisschen mehr Persönlichkeit vertragen könnten, stehen uns in Imperator: Rome viele Möglichkeiten zur Verfügung, um eine eigene Regierung zu basteln. Der Rekrutierungsprozess ist von entscheidender Bedeutung und überraschend nuanciert, ansonsten werden die Optionen jedoch so einfach wie möglich gehalten. Vermutlich soll das verhindern, dass sich die ganze Sache in ein unausgewogenes Durcheinander unsinniger Intrigen verwandelt.

Die Sandkastensimulation mag im Vergleich zum jetzigen Stand anderer Paradox-Spiele flach wirken, ist aber auch für sich allein genommen erstaunlich expansiv. Die Karte zum Beispiel erstreckt sich von Schottland bis nach Indien und ist voll mit verschiedenen Kulturen und Ideologien, die alle spielbar sind. Die Wahl des Startpunkts hat großen Einfluss auf die eigene Spielerfahrung und es scheint ein angemessenes Maß an Differenzierung zwischen den verschiedenen Gesellschaften zu geben. Dieser Schmelztiegel der Nationen sorgt für einige aufregende Momente, obwohl es wahrscheinlich ist, dass die Mehrheit der spielbaren Staaten nicht das gleiche Maß an forensischen Details genossen hat, die in den dominierenden Ländern sichtbar ist.

Falls ihr mit den bisherigen Arbeiten von Paradox vertraut seid, dürftet ihr mit der Benutzeroberfläche gut klarkommen. Das Spielgeschehen lässt sich pausieren, verlangsamen oder beschleunigen, und wir dürfen verschiedene Filter in der Minimap einstellen. Alle wichtigen Hauptsysteme werden über Schaltflächen am oberen, linken Bildschirmrand aufgerufen. Das Studio ist eigentlich ziemlich gut darin, komplizierte Mechaniken zugänglich zu machen, doch in Imperator: Rome gibt es einige sehr kleinteilige Detail, die nur bei sehr genauem Hinsehen zusammenpassen. Das Tutorial bietet uns hierfür einen groben Überblick an, doch das Fehlen eines Wikis im Spiel und/oder detaillierteren Tooltips hat manchmal doch ein wenig geschmerzt. In Anbetracht der großen Anzahl von ineinandergreifenden Systemen braucht es mehr Transparenz. Ab und zu schien es mir nämlich so, als würde man uninformierte Entscheidungen treffen (insbesondere während der ersten 20 Stunden).

Die Karte, auf der all diese Strategien ablaufen, sieht großartig aus. Sämtliche Gebiete wurden sorgfältig zusammengefügt und mit zahlreichen Details versehen. Wenn wir in den verschiedenen Regionen der Welt kämpfen oder sie erkunden, füllt diese Fülle an Informationen auf und wen das stört, der blendet viele der Funktionen auch einfach aus - im Austausch für eine saubere, aufgeräumte Übersicht. Besonders gut gefielen mir die visuellen Filter, obwohl der Bildschirm irgendwann den Überblick vermissen lässt, wenn mehrere Fenster, Armeen und die Marine gleichzeitig geöffnet sind, und sich alles chaotisch auf der Karte fortbewegt. In einem großen Imperium fällt da manchmal gar nicht auf, wenn es Feuer zu löschen gibt.

HQ
Imperator: RomeImperator: Rome
Die Karte, auf der all diese Strategien ablaufen, sieht großartig aus.

Die Schlachten funktionieren wie gewohnt: Spieler bauen ihre Armeen auf und zerschlagen damit ihre Gegner. Aus der Ferne betrachtet wirken die Gefechte möglicherweise zu stark vereinfacht, da sie mit zwei kleinen Avataren illustriert werden. Während die Kampfkraft jeder Einheit mit der Zeit abnimmt, läuft eine kleine Choreografie ab -es ist wirklich sehr zurückgefahren animiert. Die Wirksamkeit der militärischen Armee wird allerdings eh durch anderswo getroffene Entscheidungen bestimmt. Im Wesentlichen verstand ich meine Soldaten als eine Art Erweiterung des eigenen Reiches: Man kann keine starken und ausgeglichenen Streitkräfte haben, ohne sich um alle Aspekte des wachsenden Imperiums zu kümmern.

Ein Bereich, der sich schon jetzt für eine Erweiterung anbietet, ist die Diplomatie. Es ist offensichtlich, dass die gesamte Spielerfahrung von einer differenzierteren Interaktion (vor allem mit den von der KI kontrollierten Fraktionen) profitiert. Wir haben zwar keine größeren Klagen über die Spielweise des Computers, aber mit all den sich im Spielverlauf bildenden Allianzen und defensiven Ligen wäre es schön gewesen, zusätzliche Optionen zu haben. Wenn man einem stärkeren Gegner gegenübertritt, benötigt man zuverlässige Verbündete und diese Art von Koordination hat die KI einfach nicht drauf. Das kann wiederum zu unsicheren Kriegszeiten mit zersplitterten Armeen führen, die sich sinnlos gegenseitig jagen, und wir denken, dass diese langwierigen Katz- und Maussequenzen entschlossener hätten durchgesetzt werden können.

Lassen wir diese relativ unbedeutenden Kritikpunkte außer Acht ist Imperator: Rome ein ausgereiftes Strategiespiel, das in einem soliden Zustand gestartet ist. Es ist klar, dass noch mehr kommen wird, und zweifellos arbeitet Paradox bereits an Erweiterungen und neuen Inhalten, die auf dieser Grundlage aufbauen. Und während wir auf neue Inhalte warten, gibt im Spiel schon wieder viel zu tun, denn unser strategisches Geschick ist immer gefragt. Ich bin deshalb der Meinung, dass dieses Strategiespiel viele Spieler aus ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten unterhalten wird.

HQ
Imperator: RomeImperator: Rome
Die politischen Systeme sind ebenso interessant, wie vielfältig.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Spielfeld wirkt gewaltig, simple Unterscheidung zwischen verschiedenen Nationen, viele interessante Entscheidungen, das Handelssystem beeindruckt besonders.
-
Diplomatie fühlt sich ein wenig einschränkend an, ein In-Game-Wiki wäre schön gewesen.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
Imperator: RomeScore

Imperator: Rome

KRITIK. Von Mike Holmes

Auch im neuesten Strategiespiel von Paradox Interactive führen alle Wege nach Rom.



Lädt nächsten Inhalt