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Immortals: Fenyx Rising

Immortals: Fenyx Rising

Steigt Ubisofts neues Open-World-Rollenspiel in den Gaming-Himmel auf oder verbrennt es sich beim Höhenflug die Flügel?

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Bei aller Vorhersehbarkeit bleibt Ubisoft ein Unternehmen, das hin und wieder ein Kaninchen aus dem Hut zaubert und uns damit überrascht. 2014 veröffentlichte das französische Unternehmen zum Beispiel das entzückende Kinderbuch-Rollenspiel Child of Light und vor ein paar Jahren haben wir eine überaus spannende Zusammenarbeit im Pilzkönigreich von Nintendo erlebt. In wenigen Tagen veröffentlichen die Franzosen eine neue IP namens Immortals: Fenyx Rising. Wird der Titel ein Neuanfang für das Unternehmen darstellen oder ist es nur ein weiterer Reskin ihrer aktuellen Open-World-Formel?

Immortals: Fenyx Rising wurde von Ubisoft Quebec entwickelt und es geht auf das letzte Spiel der Kanadier zurück: Assassin's Creed Odyssey. Die Kulisse ist wieder einmal das antike Griechenland, doch im Gegensatz zu Alexios und Kassandra greift Fenyx auf die gesamte Bibliothek der griechischen Mythologie zurück. Die farbenfrohe Fantasiewelt entspringt den Werken von Homer und Virgil, denn statt Menschen regieren große Zyklopen, Hydras und Harpyien das Land.

Wir spielen den titelgebenden Fenyx, entweder als Frau oder als jungen Mann (ich habe die weibliche Variante gewählt, weil mir die Stimme der Synchronsprecherin besser gefiel). Wir sind zu Beginn des Spiels jedenfalls nur eine einfache Soldatin und während eines Sturms kentert unser Schiff. Anschließend findet sich Fenyx auf der Goldenen Insel wieder, ein fantastisches Reich voller Wunder und Gefahren. Wir finden schnell heraus, dass sich die anderen Soldaten in Stein verwandelt haben und nach einem exzellenten Tutorial lernen wir den Grund dafür kennen: das böse Urmonster Typhon.

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Die Struktur von Ubisofts offenen Welten funktioniert wie gewohnt, denn alle Aktivitäten belohnen uns beim Abschluss mit irgendetwas Wertvollem.

Dieses niederträchtige Geschöpf ist aus den Tiefen des Tartarus entkommen und es hat die Monster, die in diesen Kerkern hausen, auf das Reich der Sterblichen losgelassen. Die finstere Macht stahl die Kräfte der Götter und konnte sogar die Helden der alten Legenden, wie Achilles und Odysseus, zu treuen Dienern umkehren. Es liegt nun also an uns, die Macht der Götter wiederherzustellen, den Olymp zu vereinen und Typhon in die feurigen Gruben des Hades zurück zu schicken.

Gegen Ende der Geschichte gibt es einige spannende Wendungen, und es macht durchaus Spaß, die entmutigten Götter aus ihrer Notlage zu befreien. Aus Aphrodite wurde beispielsweise ein Baum und der feurige Kriegsgott Ares verwandelte sich in einen feigen Hahn. An und für sich ist die Geschichte nichts Besonderes, aber das Entwicklerstudio beweist immerhin Humor beim Storytelling. Das ganze Abenteuer wird von Zeus und Prometheus erzählt, die unsere Taten bissig kommentieren. Vor allem der extrem egozentrische Zeus stiehlt unseren Heldentaten regelmäßig die Show, was ein schönes Kontrastprogramm ist.

Immortals: Fenyx Rising ist keine gewalttätige, griechische Tragödie, wie wir sie von God of War kennen. Stattdessen solltet ihr eher eine deftige Satire voller Selbstironie erwarten. Manchmal ist der Ton ziemlich gewagt und deshalb dürfen sich Erwachsene auf viele doppeldeutige Absichten und auf Verweise auf die griechischen Mythen freuen. Kinder werden derweil über die farbenfrohen Charaktere und über die seltsamen Situationen lachen können. Dass Videospielgeschichten auf beiden Ebenen gleichzeitig funktionieren, ist eine echte Seltenheit und deshalb verdienen die Autoren viel Lob. Gerade zum Ende hin gehen die Witze aber häufiger ins Leere, doch das ist insgesamt verschmerzbar.

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Bei genauerem Hinsehen fällt zwar auf, dass der Titel vielerorts ohne allzu viele Details auskommt.

Als Gegenleistung für unsere Hilfe haben uns die alten Götter und Legenden einige nützliche Werkzeuge hinterlassen, die Fenyx schon innerhalb der ersten Stunde findet. Daedalus' Flügel lassen uns doppelt springen und später durch die Luft gleiten. Das Schwert von Achilles und die Axt von Atalanta dienen als leichter und schwerer Angriff, während der Bogen von Odysseus Fernkampffähigkeiten freischaltet und somit ein wenig Abwechslung bietet. Der Kampf ist im Allgemeinen sehr rund geworden, vor allem die visuellen Effekte stechen hervor.

Mein Favorit sind die Finisher, die ein Monster oft mit Rauchspur gen Himmel katapultieren. Leider dauert es nicht lange, bis wir die meisten Feindtypen gesehen haben, obwohl sich die bunte Welt in so viele verschiedene Umgebungen aufteilt. Die Gegner unterscheiden sich höchstens in ihrer Farbe oder in der Größe, doch die Angriffsmuster bleiben identisch. Es dauert deshalb nicht lange, bis ihr bemerken werdet, dass ihr immer wieder gegen die gleichen Eber, Harpyien und untoten Soldaten kämpft.

Neben den Kämpfen bilden vielfältige Rätsel das zweite Hauptelement des Spiels. Ob nun in der Oberwelt oder in den Gewölben, die aufgrund der Puzzle-Mechaniken an Zelda-ähnliche Dungeons erinnern; ihr werdet es in Immortals: Fenyx Rising mit allerhand Umgebungsrätsel zu tun bekommen. Durch den Einsatz von soliden Elementen haben es die Entwickler geschafft, hervorragende Puzzle zu erstellen, die einen gewissen Anspruch haben, ohne dass man sich dabei die Haare ausreißen müsste.

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Wir müssen Bälle durch die Luft fliegen lassen, Statuen auf Druckplatten abstellen, Pfeile auf Schalter schießen und all die klassischen Dungeon-Fallen überwinden, die man in einem solchen Spiel erwarten würde. Der Titel schafft es dabei regelmäßig, uns mit neuen Kombinationen vertrauter Elemente zu überraschen. Das Beste an den Rätseln ist, dass die Action dadurch nicht zum Stillstand kommt, da wir uns bei den Lösungen fast immer bewegen müssen. Der längste der mit Rätseln gefüllten Dungeons dauert ungefähr eine Stunde an (ihr könnt das Gebiet aber jederzeit verlassen, wenn ihr euch nach der Freiheit der Außenwelt sehnt).

Man kämpft wie Herakles und löst Puzzle wie der große Denker Aristoteles, was fehlt da also noch? Die Welt von Immortals: Fenyx Rising könnt ihr fliegend erkunden, was gerade zu Beginn aufgrund der begrenzten Ausdauerreserve nicht ganz einfach ist. Geht euch während des Höhenflugs mal die Puste aus, könnt ihr glücklicherweise auch ohne Ausdauer sicher zu Boden gleiten. Genau wie in The Legend of Zelda: Breath of the Wild verschlingt fast jede physische Aktion (Klettern, Springen oder das Verwenden spezieller Fähigkeiten), ein Stück eurer Ausdauer. Indem ihr diese Energieleiste auffüllt, erlangt ihr mehr Mobilität.

Die Welt von Fenyx Rising lädt mit seiner vielfältigen Vegetation, den liebevoll gefertigten Statuen, gut gestalteten Monsternestern und der auffälligen, künstlerischen Gesamtleitung geradezu zum Erkunden ein. Bei genauerem Hinsehen fällt zwar auf, dass der Titel vielerorts ohne Details auskommt, aber das ist eines der Zugeständnisse der Nintendo-Switch-Version. Aus der Ferne sieht das Spiel einfach am besten au - am Horizont stehen große Statuen und wenn man den Gipfel eines Berges erreicht, sehen wir die gesamte majestätische Insel mit all ihren vielen Wundern. Ich fand die Sprachausgabe übrigens auch ausgezeichnet und obwohl die Musik nicht besonders einprägsam war, wurden die atmosphärischen Gebiete gut in Szene gesetzt.

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Immortals: Fenyx Rising ist eine deftige Satire voller Selbstironie und Charme.

Die Karte ist mal wieder voller Symbole und obwohl die meisten Herausforderungen nur wenig Zeit in Anspruch nehmen und sogar Spaß machen, fühlt sich das Game manchmal wie ein Offline-MMO an. Pfeile durch Ringe zu schießen, gegen einen generischen Boss zu kämpfen oder innerhalb eines Zeitlimits zu einem entfernten Ziel zu rennen, das unterhält nicht über Stunden. Die Struktur von Ubisofts offenen Welten funktioniert aber wie gewohnt, denn alle Aktivitäten belohnen uns beim Abschluss mit irgendetwas Wertvollem. Das kann ein neues Werkzeug sein oder eine der vielen Währungssysteme. Es gibt sieben verschiedene Arten von Rubine, Juwelen und Münzen, mit denen ihr Gesundheit wiederherstellt, Tränke kauft, oder Waffen und Ausrüstung verbessert.

Der natürliche Spielverlauf von Immortals: Fenyx Rising hebelt die Charakterentwicklung leider etwas aus, da einige andere Talente viel zu stark sind. Am Anfang kombinierte ich Ausweichrollen mit zeitlich abgestimmten Paraden, vollendete flinke Schwerthiebe mit einem kräftigen Axtschwung und schoss in den Regenerationspausen Pfeile in alle Richtungen. Am Ende verließ ich mich ausschließlich auf das vertraute Schwert, das ich auf das Maximum aufgerüstet hatte, setzte regelmäßig eine sehr mächtige Fähigkeit ein und das Parieren hatte ich vollkommen aufgegeben, nachdem das Ausweichmanöver verbessert wurde. Dass viele Optionen bereitstehen, ist schön und gut, aber wenn sie nicht genutzt werden (müssen), hätte man sich die Arbeit auch sparen können. Dass die Oberfläche für Upgrades zudem nach einem kostenlosen Handyspiel aussieht, hilft leider auch nicht dabei, sich eingehender mit Kampffähigkeiten und Combos zu beschäftigen und Alternativen im Skillbaum zu suchen. Das alles könnte einfach besser gehandhabt werden.

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Man kämpft wie Herakles und löst Puzzle wie der große Denker Aristoteles. Zwischendurch düsen wir wie Iron Man durch die griechische Fantasiewelt.

Gespielt habe ich auf der Xbox One X, wo mich angenehm kurze Ladezeiten erwartet haben. Ansonsten habe ich während meines 25-stündigen Spieldurchgangs keinen einzigen Fehler festgestellt und das ist schon beachtlich. Es gibt zwar einige vernachlässigbare grafische Auffälligkeiten, wie das langsame Laden von bestimmten Assets in ein oder zwei Zwischensequenzen, aber das fällt insgesamt überhaupt nicht ins Gewicht. Ubisoft muss echte Götter an der Produktion dieses Spiels beteiligt haben, anders lässt sich der Vergleich zu anderen Top-Titeln des Publishers nicht erklären...

Obwohl es nicht perfekt ist, ist Immortals: Fenyx Rising ein großartiges Spiel geworden. Es ist einer der wenigen Titel, die wirklich der ganzen Familie Spaß bereiten werden. Kinder dürften über den Slapstick-Humor lachen und den einfachen Kampf genießen, während Eltern über die mythologischen Referenzen schmunzeln und bei den Rätseln aushelfen können. Das Spiel verdient großes Lob für das Erreichen dieser schwierigen Balance und deshalb kann ich es allen Familien, die Lego-Spiele satt haben und sich nach etwas Neuem sehnen, gar nicht genug empfehlen. Auf der anderen Seite fällt auf, dass der Charakterfortschritt weitestgehend vorgeschrieben ist und dass das gesamte Gameplay im Spielverlauf immer eintöniger wird, angetrieben durch die klassische Ubisoft-Formel. Doch wer auch nur ein mäßiges Interesse an der griechischen Mythologie hat, der bekommt mit Immortals: Fenyx Rising ein entzückendes Paket mit viel Unterhaltungswert.

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
spaßige Erzählung, solide Kernkampfmechaniken, hervorragende Rätsel, beeindruckende Welt mit unterhaltsamem Erkundungswert, keine nennenswerten technischen Probleme.
-
viele Feinde sind Reskins. Fortschrittssystem zwingt uns einen bestimmten Spielstil auf.
overall score
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KRITIK. Von Jakob Hansen

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