Was genau ist es, was wir uns von einer Fortsetzung erhoffen? Ist es mehr Inhalt im altbekannten Stil, technischer Fortschritt, mehr Gameplay-Inhalte, oder vielleicht sogar etwas völlig Neues? In die Fußstapfen eines Erfolgshits zu treten ist ein riskanter Schritt, der auch Titeln wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild II bevorsteht. Mit seiner Mischung aus Science-Fiction und Postapokalypse, der einzigartigen Geschichte, sowie dem damit verbundenen Gameplay, entpuppte sich Horizon: Zero Dawn als wahre Goldgrube für Sony und Entwicklerstudio Guerrilla Games. Ein Verkaufsrekord folgte dem Nächsten und nun halten wir schließlich den Dualsense-Controller unserer Playstation 5 in den Händen und tauchen mit Horizon Forbidden West erneut in Aloys nächstes Abenteuer ab.
Forbidden West führt Spieler raus aus Meridian, dem Gebiet des Vorgängers, und rein in den namensgebenden Verbotenen Westen. Knapp sechs Monate nach dem Ende von Horizon: Zero Dawn führt es Aloy in das neue Gebiet, um nach einem Backup des Terrarforming-Systems GAIA zu suchen. Der Zerfall des Systems verursacht auf der gesamten Welt fatale Veränderungen. Eine voranschreitende Plage zerstört Ernten und tötet dabei die heimische Tierwelt, mächtige Stürme suchen das Land heim und auch das Wasser bleibt von den Auswirkungen nicht verschont.
Nach einigen Wiederbegegnungen mit bereits bekannten Charakteren, darunter Erend, Varl und Sylens, entpuppt sich die eigentlich simple Suchaktion schnell als ein in sich verstricktes Netz aus Problemen, die auf verschiedenen Ebenen adressiert werden müssen. Neben der Suche nach GAIAs Unterfunktionen, die mittlerweile ihr eigenes Bewusstsein entwickelt haben, erhebt sich in den Reihen der kämpferischen Tenkath im Verbotenen Westen zu allem Überfluss auch noch ein neuer Bösewicht. Die Science-Fiction-Ebene der bereits etablierten Geschichte wird mit neuen und spannenden Twists ausgeweitet, wir bekommen es mit wildgewordenen künstlichen Intelligenzen und Maschinen-reitenden Urvölkern zu tun und erfahren sogar etwas über Aloys Vorgeschichte. Auch Horizon Forbidden West hat es in Sachen Narrative also wieder mächtig in sich.
Wer mit all den Namen und geschichtlichen Details nichts anfangen kann, muss sich jedoch nicht fürchten, denn eine ausführliche Filmsequenz zum Spielbeginn präsentiert einen Zusammenschnitt der Ereignisse aus Horizon: Zero Dawn. Wenn ihr diese Details mitnehmt, dann werdet ihr selbstsicher in die Spielwelt eintauchen können. Wer Horizon: Zero Dawn bereits gespielt hat, bei dem werden die spielerischen Reflexe schnell reaktiviert, denn Forbidden West baut in Sachen Gameplay vor allem auf die bereits etablierten Mechaniken des Vorgängers auf.
Als offenes Action-Rollenspiel verbindet die Spielwelt reichlich Haupt- und Nebenmissionen, Freizeitaktivitäten (darunter Maschinenrennen und Jagdgebieten), sowie Sammelobjekte, die es aufzuspüren gilt. Zu den spielerischen Schwerpunkten zählen die Kämpfe gegen diverse Maschinen und menschliche Gegner, sowie das Erklimmen steiler Gebirge. Während die Kämpfe durch insgesamt sechs verschiedene Fertigkeitsbäume, wie der der Jägerin oder der Maschinenmeisterin, sowie allerlei Waffen personalisiert werden können, kommen im Spielverlauf weitere Bewegungsoptionen hinzu, die uns beim Erklimmen steiler Klippen helfen.
Die adaptiven Trigger des Playstation-5-Controllers kommen besonders bei der Handhabung der Waffen gut zur Geltung. Beim Bogenspannen erhält die R2-Taste einen spürbaren Widerstand, auch andere Waffen, wie der Stachelwerfer oder die Sprengschleuder, hinterlassen dank haptischem Feedback und passenden Soundeffekten aus dem Controller ein immersives Gefühl.
Es geht also erneut auf die Maschinenjagd, gewappnet mit dem futuristischen Fokus als Analysewerkzeug, jeder Menge Waffen und Fallen. Doch was genau bringt Horizon Forbidden West Neues auf den Tisch? Die sechs Fertigkeitsbäume bestehen jeweils aus eigenen, passiven Fertigkeiten, Waffentechniken und sogenannten Mut-Stößen, die letztendlich wie ultimative Fähigkeiten fungieren. Mit der Kombination dieser verschiedenen Talente lässt sich Aloys Verhalten im Kampf bestens auf die persönlichen Vorlieben ausrichten. Fernab der Fertigkeiten und Waffen sind es jedoch zwei ganz andere Neuzugänge, die in Forbidden West die Show stehlen.
Zum einen wird die Erkundung der Spielwelt durch eine Unterwasserwelt ergänzt, die Aloy (bis ihre Luft ausgegangen ist) frei erkunden kann. Hier präsentieren sich neue Schätze, versunkene Städte und auch Maschinen, die die Welt des Wassers beherbergen. Im genauen Gegensatz dazu steht der Schildflügel, ein auf Energie basierender Gleiter, der besonders Fans von The Legend of Zelda: Breath of the Wild bekannt vorkommen sollte. Beim freien Fall könnt ihr die Viereck-Taste aktivieren, um in kurzer Zeit weite Gebiete in der Luft zu überqueren.
Mit der Erweiterung der Wassergebiete sowie dem neuen Schildflügel verleiht Guerrilla Games dem Spiel ein gewisses Maß an Vertikalität, das wunderbar mit den vielen Klettereinlagen harmoniert. Mit dem Schildflügel könnt ihr schnell in ein Tal hinabgleiten und dabei die Aussicht genießen, während der Weg zu Fuß nach unten mit einem Schwanensprung von einer hohen Klippe ins tiefe Gewässer ersetzt werden kann.
An einigen Stellen meinte es Guerrilla Games vielleicht aber doch etwas zu gut mit uns. Die unzähligen Waffen, Outfits, weitreichende Fähigkeitsbäume und all die neuen Hilfsmittel wirken schnell überfordernd. Da gibt es zum Beispiel den Zugwerfer, mit dem wir brüchige Wände niederreißen können, der Anzünder, mit dem wir die mysteriösen Feuerglimmer-Pflanzen detonieren lassen, sowie unzählige Tastenbelegungen für Sprünge, Greifpunkte und Kampf-Combos. Die Einführung der Unterwasserwelten und der Schildflügel stellen starke Ergänzungen dar, doch diese Erweiterungen wirken wie eine Dopplung der bereits existierenden Mechaniken, die lediglich eine künstlich erschaffene Spieltiefe erzeugen.
Für mich persönlich gab es nicht viel an Horizon: Zero Dawn auszusetzen, doch einer der Verbesserungspunkte wäre Aloys Präsenz in der Spielwelt. Uns bleibt nur wenig Zeit, um uns mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu beschäftigen, oder aus dem Schatten der ewigen Außenseiterin zu treten. Dass Guerrilla Games mit Horizon Forbidden West den Rollenspielfaktor ordentlich aufwerten möchte, wird nicht nur an der Implementierung einer Werkzeugbank, Kochmöglichkeiten oder der Vorstellung des Tenakth-Brettspiels Maschinen-Streit (was wären Rollenspiele heutzutage ohne ihr eigenes, digitales Brettspiel?) deutlich.
Auch die bereits etablierten Beziehungen zu Aloys Begleitern, ihr selbstgewählter Weg als Einzelgängerin und all die Verantwortung, die auf ihren Schultern lastet, erhalten deutlich mehr Gewicht. Der schlicht als "Die Basis" betitelte Unterschlupf in den Bergen dient Aloy und ihren Begleiter als sicherer Rückzugsort; als Treffpunkt, an dem sich alle zusammenfinden und einfach mal miteinander reden können. Zwar erhalten wir keine Loyalitätsmissionen à la Bioware, oder dürfen schwerwiegende Entscheidungen treffen, doch die Vertiefung der Beziehungen, die allgemeine Komplexität der Narrative, sowie Aloys Platz zwischen all dem, verleiht Forbidden West etwas mehr Menschlichkeit.
Egal ob im Alleingang oder zusammen mit den Begleitern, der Verbotene Westen bietet für Aloy mit der Vorstellung neuer Maschinen und dem Volk der Tenakth jede Menge Gefahren. Wenn zu allem Überfluss auch noch wildgewordene künstliche Intelligenzen drohen, die gesamte Biosphäre der Erde zu vernichten, dann sind das ziemlich schlechte Neuigkeiten, die dafür jedoch in absolut prächtigen Bildern resultieren.
In Reinklang wütet die knallrote Plage, die die Ernte des Utaru-Volkes vernichtet, während im Hintergrund ein mächtiger Sturm mit einer riesigen Wolkendecke wütet. Die mit Blumen übersäten Dünen vergangener Schlachtfelder offenbaren die Vergangenheit zwischen Mensch und Maschine, die dank der riesigen, umherstreifenden Maschinen (wie dem Donnerkiefer) starke Bilder erschaffen. Bereits Horizon: Zero Dawn ließ mich jedes Mal aufs Neue staunen, wenn ein weiteres Gebiet entdeckt wurde.
Doch dank der Leistung der Playstation 5 präsentiert Forbidden West ein noch prächtigeres, detaillierteres Bild von Aloys dystopischer Welt. Die gesteigerte Leistung der aktuellen Sony-Konsole macht sich ebenfalls in den kaum spürbaren Ladezeiten bemerkbar, die im Vorgänger fast schon unverschämt viel Zeit in Anspruch nahmen.
Neben einer Welt, gefüllt mit gefährlichen Gegnern und drastischen Umweltkatastrophen, lauert eine Gefahr, die sowohl Aloy als auch die Spieler stets begleitet: die Kamera. Steile oder enge Kletterpassagen, bei denen eine eingeschränkte Kameraansicht dazu führt, dass Kletterpunkte in der Umgebung nicht im Sichtfeld der Spieler liegen, sind leider keine Seltenheit. Wenn Aloy beim Drücken der X-Taste nicht zum nächsten Punkt klettert, sondern einfach in den Abgrund springt, führt das natürlich zu Frust.
Ein damit verbundenes Problem ist der Input-Lag, der ebenfalls beim Sprung über weite Abgründe oder dem Aktivieren des Schildflügels offensichtlich wird. Beide Probleme liefen mir bereits bei Horizon: Zero Dawn über den Weg und sind somit, auch wenn diese im Gesamtbild betrachtet recht kleine Frustfaktoren darstellen, ärgerlich. Während Horizon Forbidden West anderweitig in allen Punkten die Spielqualität steigert, so bleibt dieses doch recht zentrale Problem auch in der Fortsetzung erhalten.
Was ist es also, das wir uns von Horizon Forbidden West erhofft haben? Die Antwort auf diese Frage hängt ganz von eurer persönlichen Erwartungshaltung an die Fortsetzung ab. In meinem Fall ist es: mehr. Ich wollte mehr von Aloys Geschichte, der faszinierenden Welt, angesiedelt irgendwo zwischen Science-Fiction, Dystopie und Steinzeit. Mehr Gameplay rund um die prächtigen Maschinen, die die Welt besiedeln. All das habe ich erhalten, und auch wenn unglücklicherweise einige der frustrierenden Fehler des Vorgängers, wie die klobige Kamera und die teils langsam reagierende Interaktionseingabe, mitgenommen wurden, so hat mich die Welt von Horizon Forbidden West erneut komplett gepackt. Es gibt immer ein neues Rebellenlager aufzudecken, schicke Outfits zu kaufen und neue Teile der Spielwelt zu erkunden, wodurch sich eine Spielsession mit dem Titel schnell zu einem vielstündigen Abenteuer entwickeln kann.
Aloys Welt wird mit Elementen wie dem Schildflügel, der Unterwasserwelt und der allgemeinen Herangehensweise an die Narrative gut ausgebaut, doch das Grundgerüst des Franchise, mit all seinen Gameplay-Elementen, bleibt größtenteils unberührt. Wer bereits in Horizon: Zero Dawn nicht den Ausblick auf einem Langhals, das Erklimmen eines Berges oder das Reiten auf einer Maschine durch die weite Welt genießen konnte, der mag Horizon Forbidden West vielleicht als festgefahrene Fortsetzung empfinden. Für mich und meine Ansprüche an Aloys neuestes Abenteuer ist Horizon Forbidden West aber genau das, was ich mir erhofft habe: Mehr vom etablierten Gameplay, mit einigen aufregenden Erweiterungen.