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Half-Life: Alyx

Half-Life: Alyx

Der Vorgeschmack auf Half-Life 3.

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Die Half-Life-Reihe gilt als eines der legendärsten Franchise aller Zeiten, allerdings liegen die Erfolge in ferner Vergangenheit. Da Valve die Entwicklung nach der zweiten Episode des zweiten Teils auf Eis legte und sich auf den Ausbau ihres gewaltigen Steam-Shops konzentrierte, werden seit Jahren Witze auf Kosten der Spieler gemacht, die sich gerne Half-Life 3 (oder zumindest Half-Life 2: Episode 3) wünschen. Die vielen Gerüchte haben der Reihe einen fast schon mythischen Status verpasst, der in vielerlei Hinsicht am nächsten Kapitel nagt.

Stellt euch nur den Druck auf das Entwicklerteam vor, die nach 13 Jahren in das Half-Life-Universum zurückkehren sollen. Der erste Singleplayer-Titel von Valve seit Portal 2 soll gleichzeitig Valves eigene VR-Plattform Index ins richtige Licht rücken - keine leichte Aufgabe. Doch jetzt ist Half-Life: Alyx endlich als Bindeglied zwischen dem originalen ersten Kapitel und dessen Fortsetzung Half-Life 2 erschienen. Es ist ein reiner VR-Titel und ein Abenteuer mit enger, fesselnder Geschichte über das schwierige Leben in City 17.

Bevor Gordon Freeman vom G-Man zurück in die Action geschickt wird, haben die Combine die Stadt fest im faschistischen Griff und sie ersticken jeden Widerstand im Keim. Der Kern der Rebellion existiert aber noch, denn Alyx Vance kämpft mit ihrem Vater Eli und anderen Widerstandskämpfern gegen die Unterdrückung. Doch dann kommt es zum Schicksalsschlag: Eli wird gefangengenommen und wir müssen die Quarantänezonen durchqueren, um zu ihrem Vater zu gelangen und ihn retten zu können. Das hier ist ihre Geschichte und es wird nicht nur am subtilen Namen klar, dass Alyx im Mittelpunkt dieses Abenteuers steht.

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Nachdem Alyx' Vater gefangen genommen wurde, überschlagen sich die Ereignisse für die junge Frau.

Während ihrer Odyssee durch diese Hölle lernen wir durch Gespräche mit Dr. Russell - der über Funk mit uns verbunden ist - mehr über Alyx' Hintergründe. Es ist ein tolles Beispiel für eine subtile Erzählstruktur, die schon immer zu den fundamentalen Stärken Valves gehörte. Es gibt schwarzen Humor, aber keine platonischen Übertreibungen, die das Gleichgewicht der Geschichte stören könnten. Stattdessen entdecken wir immer wieder kleine Informationsfetzen, die das Abenteuer erden.

Ozioma Akagha, die Merle Russell als Stimme der jüngeren Alyx Vance ersetzt, James Moses Black in der Rolle von Eli Vance und Russel, der vom Schauspieler Rhys Darby (Flight of the Conchords) gesprochen wird - sie alle liefern eine exzellente Performance in ihren jeweiligen Rollen. Zusammen bilden sie den perfekten erzählerischen Kreis, der die Messlatte für interaktive Geschichten unglaublich hoch legt. Obwohl das Team hinter Alyx neu ist (die meisten Entwickler von damals haben Valve mittlerweile verlassen) hat das Studio eine packende und fesselnde Story entwickelt, sodass man sie für echte Veteranen halten könnte.

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Bevor wir zur Transformation von Physik-basiertem Gameplay in die virtuelle Realität kommen, müssen wir die typischen Probleme von VR-Spielen besprechen: die Bewegungen des Spielers. In einer digitalen Welt wollen wir uns frei bewegen, sind aber an die Hardware gebunden, die unsere Eingaben ermitteln und das Spiel rendern - wir können also nicht einfach ins Blaue spazieren. Mit der Zeit wurden einige Systeme entwickelt, um Bewegungen im Spiel zufriedenstellend zu ermöglichen, obwohl wir uns physisch immer im gleichen, relativ eingeschränkten Raum befinden. Genau wie bei der HTC Vive legt ihr mit dem Valve-Index-Headset einen abgesteckten Raum in eurem Zimmer fest, in dem eure Bewegungen zu Befehlen für das Spiel werden. Das gibt uns einige Freiheiten bei den Interaktionsmöglichkeiten, weil wir in diesen drei Quadratmetern zum Beispiel um Ecken schauen oder in Deckung gehen können.

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City 17 ist fest im Griff der Combine, doch der Widerstand gibt nicht nach.

Das ist natürlich nicht alles, denn in Half-Life: Alyx müsst ihr euch mehr als drei Meter bewegen und dafür gibt es drei Methoden, zwischen denen ihr wählen dürft: Mit Teleport wählt ihr Punkte in der Welt, zu denen ihr von einem Augenblick zum anderen springt. Bei Shift macht Alyx lange Sprünge und Continuous bietet uns eine Spielerfahrung wie auf Schienen. Jede Methode funktioniert, aber wir fanden, dass Teleport die Orientierung erschwert und Continuous die Freiheiten bei den Bewegungen zu sehr einschränkt, da wir die Umgebungen natürlich erkunden wollten. Shift, also diese Hechtsprünge, fühlte sich gut an und es hält die Immersion aufrecht, die das Spiel so toll erschafft.

Nachdem wir das geklärt haben, kann unser Abenteuer doch eigentlich beginnen. Wir springen mit Alyx durch die Areale und erkunden die Welt physisch näher. An unseren Händen tragen wir Russels Schwerkrafthandschuhe, die uns sehr präzise mit der Umgebung interagieren lassen. Wir können jede Schublade öffnen, jede Kiste lässt sich bewegen und wir finden an den unwahrscheinlichsten Orten Spritzen, Munition und dieses Kunstharz, mit dem wir unsere Waffen verbessern können. Mit den besonderen Handschuhen können wir Gegenstände auf kurze Distanz bewegen und mit einer Bewegung des Handgelenks fliegen sie auf uns zu oder können von uns weggestoßen werden.

Schrotflintenpatronen, Kugeln für die Pistole, Kunstharz oder explosive Gaskartuschen - mit ihren vielen Anwendungsmöglichkeiten sind die Handschuhe eine Hommage an Freemans legendäre Schwerkraftknarre aus Half-Life 2 und sie verhindern gleichzeitig, dass allzu viele Shift-Sprünge die Immersion stören. Tatsächlich sind die Erkundungstouren eine der befriedigendsten Elemente von Half-Life: Alyx, weil wir auf diese Weise nützlichen Kram finden, den wir dann in unserem Rucksack verstauen. Das wird nur noch von Valves fantastischem Level-Design übertroffen, das uns großartige Umgebungen präsentiert, die bis zum Rand mit Infos und Geheimnissen gefüllt wurden. Die urbane Odyssee bietet ästhetische Abwechslung und ein eigenes Flair.

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Half-Life: AlyxHalf-Life: AlyxHalf-Life: Alyx
Die mannigfaltigen Interaktionsmöglichkeiten in dieser fantastisch gestalteten Welt sind der absolute Wahnsinn.

Dann sind da natürlich noch die Kämpfe und wer sich jemals mit VR-Schießereien befasst hat, der weiß bereits, was ihn da erwartet. Wir können physisch in Deckung gehen oder mit Shift die Position verändern, wenn uns die Combine-Soldaten flankieren. Es macht unglaublich Spaß, sich aus der Deckung zu lehnen und nachdem wir verschiedene Granaten, Waffenaufsätze und die Schrotflinte freigeschaltet haben, beginnen die Gefechte hitzig zu werden (auch das strategische Positionieren wird dann zur Pflicht). Die Schusswechsel können ermüdend werden, da die Combine einiges einstecken, aber natürlich bekommen wir im Gegenzug auch immer stärkere Waffen. Übrigens macht auch das Nachladen richtig Laune: Wir greifen dafür über unsere Schulter, um ein Magazin zu greifen, entfernen das leere Magazin und setzen das Neue mit einem befriedigenden Klick ein.

Trotzdem sind die Kampfszenarien - so packend sie auch sind - nur der Nebenschauplatz, weil die Rätsel, die wir mit unseren Handschuhen lösen, sowie die Gespräche mit Dr. Russel so einnehmend und fesselnd sind. Das liegt auch daran, dass Valves Index 120 fps unterstützt, aber in erster Linie verdanken wir die starke Immersion den fantastischen Animationen (vor allem im Bereich der Gesichter), dem Charakter von Alyx, dem Kreaturen-Design und der Gegner-KI. Es ist eine technische Perle und eine wahre Kunst, die erinnerungswürdigen Monster, ausgearbeitete Umgebungen und so viel Liebe zum Detail zu sehen. Leider kann die Musik da nicht mithalten. Sie untermalt die Action gut, hinterlässt aber keinen wirklich starken Eindruck und hätte effektiver eingesetzt werden können.

Insgesamt sind wir aber fast durchgehend zufrieden mit dem neuen Game. Mit Ausnahme eines etwas schlecht ausbalancierten Gegnertyps und der mittelmäßigen Musik ist Half-Life: Alyx eine triumphale Rückkehr Valves und eine Erinnerung daran, wie talentiert die Entwickler, Designer und Geschichtenerzähler dort sind. Nach langer Wartezeit ist Half-Life zurück und auch wenn die Technologie viel Raum zum Spielen benötigt und hohe Hardware-Anforderung stellt, können wir euch nur dringend ans Herz legen Half-Life: Alyx selbst auszuprobieren, wenn ihr oder einer eurer Freunde irgendwie die Möglichkeit dazu bekommt. So gut ist dieses Spiel.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
fantastische Geschichte, liebenswürdige Charaktere, tolles World-Building, Grafiken sehr sauber, immersive Interaktionen.
-
Kämpfe fühlen sich manchmal etwas unausgegart an, Musik hätte besser eingesetzt werden können.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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