Beim Spielen von Escape Dead Island wird man den Eindruck nicht los, dass sich irgendjemand bei Deep Silver Hals über Kopf in Spec Ops: The Line verliebt haben muss. Sie haben sich nicht nur den Entwickler geschnappt, damit der an Dead Island 2 arbeitet, auch Escape Dead Island scheint eindeutig vom Wüsten-Krieg-Drama von Yager Development inspiriert zu sein. Auch hier fragt man sich ständig, was real ist und was nicht.
Wir schlüpfen in die Rolle von Cliff Calo, ein selbsternanntes Arschloch und Kind von reichen Eltern. Er bereist die Insel Narapela mit ein ein paar College-Freunden in der Hoffnung, die Enthüllungsstory des Jahrhunderts über eine herzlose Bio-Tech Firma und genetisch modifizierte Zombies zu schreiben. Sie bekommen ihre Story, aber wie der Name des Spiels schon sagt, laufen die Dinge schnell aus dem Ruder und die journalistischen Ambitionen werden zur Nebensache. Der Kampf ums nackte Überleben beginnt.
Dazu kommen Sequenzen, die sich als Träume herausstellen, die anfangs noch Teil der gleichen Realität zu sein scheinen wie auch alle anderen Geschehnisse. Damit wird viel gespielt und oft ist man unsicher was real ist und was ein Traum oder eine Illusion sein könnte. Um Spoiler zu vermeiden, wollen wir nicht mehr von der Geschichte verraten. Aber das Mysterium war fesselnd genug für einen zweiten Durchgang, um auch wirklich alle subtilen Nuancen aufzuschnappen. Trotzdem ist immer noch unklar, was tatsächlich vor sich geht - Unsicherheit im bestmöglichen Sinn.
Im Gegensatz zu den anderen Dead Island-Spielen wird man in Escape Dead Island keine offene Welt und auch keine Rollenspiel-Elemente vorfinden. Und auch bei den Spielmechaniken gibt es wenig Ähnlichkeiten mit dem Rest der Serie. Es können keine Waffen hergestellt werden - es gibt aber dankbarer Weise auch keine Waffen, die bei Benutzung kaputtgehen. Und es gibt keinen Fähigkeiten-Baum und auch keine Nebenmissionen.
Stattdessen finden wir uns in einem linearen Action-Abenteuer in der Art von Tomb Raider oder Uncharted wieder - allerdings auf völlig unterschiedlichem Produktionsniveau und ohne Kletterpassagen. Wir durchstreifen die Landschaft auf dem Weg zu klar markierten Aufgaben, um nach Gegenständen zu suchen, leise Zombies zu erledigen oder diese in direkter Konfrontation mit zahlreichen Waffen wie Äxten, Katanas, Pistolen oder Schrottflinten zu bekämpfen.
Zum größten Teil ist das gut gelungen, lässt aber trotzdem oft einiges zu wünschen übrig. Man merkt dem Spiel sein schmales Budget an und viele Umgebungen und Teile des Sets werden oft recycelt. Es gibt kaum eine Gegend aus der ersten Hälfte des Spiels, die in der zweiten Hälfte nicht wieder aufgesucht werden muss.
Und leider hat das Kampf-System Probleme, die sich nicht ignorieren lassen. Manchmal können die Waffen nicht gewechselt werden. In den hektischen Kämpfen ist das ein echtes Problem, denn die Munition ist knapp und man kann es sich nicht leisten, seine Kugel sinnlos zu vergeuden. Zu oft werden Schüsse einfach in die Luft gefeuert, wenn man von seiner Knarre zur Axt wechseln will, weil ein Zombie einem zu dicht auf den Pelz gerückt ist.
Ein Knopfdruck und das Interface bestätigt den Waffenwechsel, obwohl man immer noch mit der vorhergehenden Waffe herumfuchtelt. Das Cliff nach kurzer Zeit ohne Kämpfe seine Waffe wieder einsteckt, macht das Ganze nicht einfacher. Und in den letzten Abschnitte des Spiels rennt man eigentlich ohne Pause von Kampf zu Kampf und dann werden die Fehler besonders offensichtlich und frustrierend.
Das die Speicherpunkte ständig vor Zwischensequenzen gelegt wurden, die sich dann nicht abbrechen lassen, macht es nur noch schlimmer. Wenn man stirbt muss man sich in der Regel eine, wenn auch kurze Zwischensequenz wieder und wieder ansehen, an der man nach dem ersten Mal schon jedes Interesse verloren hat. Außerdem muss man sich üblicherweise erst seinen Weg durch drei bis vier Zombiegruppen freikämpfen, bevor man wieder die Stelle erreicht, an der man gestorben ist.
Die Optik ist von Comics inspiriert, was sicher eine Entscheidung aus ganz pragmatischen Gründen gewesen sein dürfte, wie etwa Budget und Team-Größe. Das hat aber wenig Konsequenzen und wirkt, bis auf die steifen Gesichtsanimationen, Wunder. Die Wahl des Grafikstils holt das meiste aus dem Spiel heraus. In den psychedelischen Abschnitten muss es für die Designer ein Traum gewesen sein, etwas so radikal anderes machen zu können, das immer noch in das Gesamtbild passt.
Escape Dead Island hätte ein so viel schöneres Spiel sein können, als es letztlich geworden ist. Mit einem funktionierenden und verlässlichen Waffen-System, besseren Checkpoints und etwas mehr Balance beim Schwierigkeitsgrad hätte es auch eine 8 als Wertung werden können - und das vor allem wegen der starken Geschichte. Man findet hier eine schöne Ausgeglichenheit von Ambition und Möglichkeiten und man kann nur hoffen das Deep Silver und Fatshark die derbsten Schnitzer noch ausbügeln werden. Momentan muss man noch in der Lage sein, einige der Design-Probleme zu ignorieren um die fesselnde Geschichte zu genießen, die Escape Dead Island zu bieten hat.