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Cuphead

Cuphead

"Wallop!" und "Ihr seid gestorben!" sind nur zwei Sätze, die sich in eure Seele und auf euren Fernseher einbrennen werden.

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Ich habe Cuphead das erste Mal auf der GDC 2015 gespielt. Die Brüder und Entwickler Chad und Jared Moldenhauer boten der ersten Person die an diesem Tag einen der drei gezeigten Bosslevel schlagen würde, einen Geldpreis an. Cuphead war auf der E3 im Jahr davor angekündigt worden und ich konnte meine 30-minütige Anspielsitzung kaum erwarten. Am Ende wurden daraus 2 Stunden, in denen ich mich immer wieder in die Schlange schummelte, um mich erneut am bockschweren Titel zu versuchen. Am Ende musste ich passen und ging mit leeren Taschen, aber voller Vorfreude auf die Veröffentlichung nach Hause. In den nächsten zweieinhalb Jahren bin ich Cuphead immer mal wieder begegnet, habe gegen einen der vielen Bosse gekämpft und auf die Veröffentlichung gewartet. Jetzt ist es endlich soweit, ich durfte es durchspielen - was für eine tolle, schreckliche Zeit.

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Trotz handgemalter Protagonisten und Gegner glänzt Cuphead beim Thema Trefferzonen und Animationen.

Cuphead ist inspiriert von Cartoons der 1930-er Jahre und dem Run'n'Gun-Gameplay der alten Schule - also Bullethell-Level mit knackigen, mehrstufigen Bosskämpfen. Wir steuern Cuphead und im Koop seinen Bruder Mugman, die im Devil's Casino um ihre Seelen kämpfen. Ich bin froh, dass man dieses Spiel kaufen konnte, denn wäre es ein Automat gewesen, ich wäre mittlerweile wohl komplett pleite. Die Ästhetik stammt direkt aus den Cartoons des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und erinnert stark an Streamboat Willie, Betty Boop und Swing you Sinners. Trotz handgezeichneter Animationen und gemalten Hintergründen in Technicolor läuft alles bei butterweichen 60 FPS, denn hier zählt jede Bewegung.

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Die Welt und die Charaktere sind so gut gemacht, dass man glauben könnte, sie stammen aus einem etablierten Cartoon. Jeder einzelne Bosskampf ist einzigartig und sofort interessant. Die Vorstellungskraft, die Details und die kleinen Unregelmäßigkeiten in der gezeigten Kunst geben dem Spiel Seele und sind eine willkommene Abwechslung zur ewig gleichen Pixelkunst, die den gegenwärtigen Indie-Markt beherrscht. Die Stimmung von Cuphead wird von einem Big-Band-Jazz-Soundtrack unterstützt. Zudem bittet uns ein Ansager darum, nach dem Bildschirmtod neu zum Controller zu greifen und Neustarten müssen wir oft in diesem Spiel.

Manchmal, nach einem besonders erfolglosen Bosskampf, gerät man in Versuchung Unterstützung in Form eines Freundes in der Rolle Mugmans anzufordern. Das macht sicher viel Spaß, hilft aber eigentlich selten. Auch wenn sich die Schwierigkeit nicht anpasst, sorgt es doch zumindest für ein weiteres bewegliches Element auf dem sowieso schon überfüllten Bildschirm und stiftet so häufig mehr Verwirrung bei unseren Paraden und Angriffen, als wir sicherlich gebrauchen können. Trotzdem denken die Entwickler über Online-Optionen nach und es wird auch dafür ein Publikum geben.

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Das Gameplay bleibt knüppelhart und repetitiv, wer das nicht mag, sollte trotz hübscher Optik einen Bogen um den Titel machen.
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Cupheads Gameplay erinnert an Contra, Megaman und manchmal an Super R-Type. Der Hauptgang sind die Bosskämpfe, die alle einzigartig sind und die es in zwei Geschmacksrichtungen gibt: Run'n'Gun und Shoot'emUp. Cuphead muss hier wechselnden Angriffen und Projektilen ausweichen und dabei Schaden austeilen, um den Boss in seinen unterschiedlichen Formen und mit den immer stärker werdenden Angriffen zu besiegen. Meiner Meinung nach gibt zu viele Shoot'emUp-Passagen in denen Cuphead in einem kleinen Flugzeug mit vorgegebener Bewaffnung fliegt, ohne das Upgrades wirksam werden. Für mich werden diese Level dem Bullethell-Genre nicht wirklich gerecht und die Run'n'Gun-Bosse sind einfach viel interessanter.

Auf der Weltkarte finden sich auch die erwähnten Run'n'Gun-Level, in denen uns Horden von Gegnern entgegenkommen. Diese Level sind unterhaltsam, dienen am Ende aber nur dazu Münzen zu sammeln, um Upgrades für Cuphead kaufen zu können (auch wenn ein NPC in einer kryptischen Nachricht andeutet, dass ein eher pazifistischer Ansatz interessante Dinge freischalten könnte). Die Upgrades werden mit Spielfortschritt zunehmend wichtiger und reichen von unterschiedlicher Artillerie für Cuphead, über Super-Moves, die in speziellen Mausoleum-Missionen freigeschaltet werden, bis hin zu Talismanen, die Cuphead verschiedene passive Fähigkeiten geben.

Es können zwei Schuss-Muster ausgerüstet werden, zwischen denen wir je nach Situation wechseln dürfen, während die anderen Upgrades nur einen Slot belegen, auch der besser gefüllt ist bevor das nächste Level beginnt. Für unterschiedliche Bosskämpfe braucht es unterschiedliche Ausrüstung. Cupheads Fingerknarre mit einem mächtigen, aufladbaren Schuss und einem schwächeren Gegner-suchenden Schuss auszustatten hat mir durch viele Bereiche geholfen, doch die Kombination aus Unverwundbarkeits-Super und automatischen Sprung-Ausweichmanövern kann den Unterschied zwischen Niederlage und Triumph machen.

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Nicht alle Gegner sind auf gleich hohem Niveau, aber für Abwechslung sorgen sie allemal.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase stellt man fast unweigerlich fest, wie erstaunlich gut die Kernelemente Gameplay und Ästhetik zusammenpassen. Aber seid gewarnt: Cuphead ist sehr schwer. Obwohl es immerhin zwei Schwierigkeitsstufen (Einfach und Normal) gibt, stirbt man auch in der leichteren Herausforderung bei drei Treffern. „Einfach" entfernt lediglich Elemente aus den Bosskämpfen, was insgesamt sehr schade ist und eher als Hilfe genutzt werden sollte, um die Angriffsmuster der Fieslinge zu verinnerlichen und sie anschließend in ihrer normalen Form zu besiegen. Cuphead ist wirklich nur halb so gut, wenn eine Phase vom Boss verschwindet oder weniger Angriffsmuster zur Verfügung stehen. Die variablen Angriffsmuster sorgen nämlich erst dafür, dass Spannung aufkommt und wir Skill und Köpfchen beweisen müssen.

Das liebevolle Audiodesign und die Charakter-Animationen kündigen jeden Angriff an und das bedeutet, dass fast jedes verlorene Leben auch für ein Gefühl von frustrierendem Unvermögen sorgt. Ich sage „fast" weil einige Level zufällige Umgebungsrisiken haben, die dem Spieler in Verbindung mit bestimmten Angriffen, kaum eine Chance lassen. Man könnte glauben ein Spiel mit handgemalten Protagonisten und Gegnern hätte Probleme mit Trefferzonen oder dem Beenden von Animationen, aber Cuphead glänzt bei beidem.

Auch wenn Cuphead schon anfangs ein hartes Spiel ist, steigert sich die Schwierigkeit über die vier Welten tatsächlich noch deutlich. Es gibt die Möglichkeit für unterschiedliche Enden, aber die möchte ich euch natürlich an dieser Stelle nicht verderben. Die attraktive Weltkarte hat ebenfalls ein paar Tricks auf Lager: Versteckte Abkürzungen, Gespräche mit NPCs, zusätzliche Münzen, kryptische Botschaften und ein Barbershop-Quartett, das die Spieler zu kurzen Pausen einlädt.

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Wer hier nicht an Streamboat Willie, Betty Boop und Swing you Sinners denkt, hat kulturellen Nachholbedarf.

Ich habe das Spiel - dank Microsofts „Play Anywhere"-Programm - sowohl auf dem PC als auch auf der Xbox One S gespielt und es lief auf beiden Plattformen flüssig und problemlos. Auf der Xbox ruckelt der Ladebildschirm ein wenig (was das Gameplay nicht beeinflusst) und am PC habe ich versucht mit Tastatur zu spielen, aber ein Controller ist hier die wesentlich bessere Wahl. Ich bin auf einen ziemlich nervigen Bug gestoßen, aber ein Patch ist schon unterwegs.

Cuphead sorgt für das seltene Gefühl verärgerter Freude und lebt vom Mantra „Nur-noch-ein-Versuch", aber wer kein Interesse an schwerem und sich wiederholendem Gameplay hat, sollte sich von der großartigen Optik nicht täuschen lassen. Nach 23 Stunden und 653 Toden kann ich sagen, dass mir meine Zeit mit Cuphead viel Spaß gemacht hat und nachdem ich diese Kritik getippt habe, werde ich einen neuen Durchgang im gerade freigeschalteten Experten-Modus starten. Vielleicht schaffe ich das Spiel ja auch irgendwann in unter einer Stunde.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Ikonischer und wunderschöner Kunststil; hingebungsvolles Gameplay; solide Mechaniken.
-
Einige weniger inspirierte Level; Zufälligkeit nervt in speziellen Szenen; Koop kaum hilfreich.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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