Company of Heroes 2 spielt an der Ostfront. Tief im kalten Russland, wo der Winter ist die einzige Sache ist, die gnadenloser agiert als die Rote Armee. Dort, wo die deutsche Kriegsmaschinerie im Schnee stecken geblieben ist und wo die Gefahr von Erfrierungen so groß war wie die erschossen zu werden. In gewisser Weise wird die Wahl des Settings von Company of Heroes 2 zur Metapher für das Spiel an sich.
Das erste Company of Heroes wurde im Jahr 2006 veröffentlicht und erhielt allgemeines Lob. Es ist die am höchsten bewerteten Echtzeitstrategiespiel überhaupt und eines der am besten bewerteten Strategiespiel ebenso. Quasi jeder liebte es und es verkaufte sich über vier Millionen mal, mehr als genug, um zwei eigenständige Erweiterungen rechtfertigen, darunter das ausgezeichnete Dawn of War 2.
Aber nach vier Jahren Pause ist da nun Company of Heroes 2. Die Erwartungen für die Fortsetzung sind natürlich riesig. Und deshalb sage ich es gleich jetzt: Company of Heroes 2 erfüllt die Erwartungen nicht. Es scheint so, als ob Relic mehr abgebissen haben, als sie kauen und verdauen können. Während des Essens wurden einige unglückliche Design-Entscheidungen getroffen, so dass das Spiel von seinem eigenen Gewicht gewählt wird. Wie gesagt: Die Wahl der Ostfront hätte als Fokus nicht angemessener sein können.
Meine ersten Eindrücke sind fast alle negativ. Die Spielkontrolle ist träge, die Truppen wirken wenig schlagfertig und die erste Handvoll Missionen sind nicht sehr interessant. Wir kämpfen uns häufig durch Ruinen und Schutt. Die vielen Details im Gelände machen es schwer zu sehen, wo die eigenen Truppen überhaupt sind, wo sie sich Deckung suchen können und auf wenn oder was sie feuern sollen. Man klickt häufig irgendwas falsch an, das Interface fürs Erschaffen neuer Truppen ist umständlich und die Gebäude sehen sich alle sehr ähnlich. Einzelne Matches fühlen sich an, als ob sie unnötig in die Länge gezogen werden und feindliche Soldaten agieren eher als Kugelschwämme den als echte Gegner. Und die Grafik ist insgesamt nicht gerade spektakulär.
Als ich das erste Mal dem harten, russischen Winter begegne, wird es gleich nervig. Die Soldaten werden noch langsamer, wenn sie durch den tiefen Schnee waten. Sofern sie nicht an einem Lagerfeuer stehen, in einem Gebäude oder irgendwo vorm Wind geschützt, sinkt ihre Körpertemperatur ständig. Und zwar in einem solchen Ausmaß, dass sie nach wenigen Minuten ohne Schutz sterben. Die Scharfschützen dagegen haben lange Unterhosen dabei, so dass sie immun gegen die Kälte sind. Darum bin ich gezwungen, sie als Späher feindliche Stellungen finden zu lassen, bevor ich den Rest der Truppen bewege.
Auf dem Papier mag das vielleicht lustig klingen, aber es ist auch schnell klar, dass es durch ein solches Design einen richtigen und einen falschen Weg gibt, um die Scharfschützen los zu schicken. Wer den falschen Weg wählt, stellt fest, dass sie ohne Vorwarnung erschossen werden. Das zieht alles an Tempo aus dem Spiel. Wurde das erste Company of Heroes für seine Schnelligkeit und Hektik gelobt, ist das hier der erste Vorbote einer winterlichen Depression.
Ich weiß kaum, was ich denken soll. Gewiss, es könnte etwas mit der ganzen THQ-Pleite zu tun haben. Aber das allein kann kaum erklären, wie man so vom Thron knallen kann. Und glücklicherweise finde ich meine Antwort. Es stellt sich heraus, dass Company of Heroes 2 trotz der Tatsache, dass die Grafik kaum erwähnenswert ist, eine absoluter Ressourcenfresser ist, wenn es um Systemanforderungen geht. Mein PC hat in der Regel ausreichend Power. Spiele wie Bioshock Infinite laufen mit allem Bling Bling und auch bei Metro 2033 kaum der Rechner kaum ins Schwitzen. Aber Company of Heroes 2 killt ihn. Als ich die Grafikeinstellungen auf unangenehme Optionen wie Niedrig oder Mittel stelle, wird die Spielerfahrung plötzlich eine ganz andere.
Ein Spiel, das nicht so recht hübsch war, wird nun noch ein bisschen weniger schön. Aber das Spieltempo schießt durch die Decke. Wo die Steuerung zuvor hinkend und ungeschickt war, reagiert nun alles viel schneller und auf den Punkt. Es könnte auch etwas mit der Tatsache zu tun haben, dass die Missionen später einfach viel unterhaltsamer werden. So oder so stelle ich plötzlich fest, dass ich Spaß habe. Die Winterdepression ist verflogen und stattdessen lasse ich MG-Truppen, Panzer, Artillerie und dergleichen über die verschiedenen Karten huschen.
Es ist bei weitem nicht perfekt. Die Deckung macht immer noch Ärger. Kanonen und fest montierte Maschinengewehre haben die dumme Angewohnheit, das sie in die diametral entgegengesetzte Richtung des Feindes zeigen, wenn man sie bewegt. Feindliche Soldaten stehen manchmal einfach nur doof herum, während wir sie erschießen. Und ich weiß immer noch nicht, was der Offizier, der regelmäßig in der Basis auftaucht und Auftrag 227 (erschießen sie alle russischen Soldaten, die sich zurückziehen) eigentlich für einer ist. Er ist einfach nur da und sieht einsam aus.
Aber wenn die T-34-Panzer auf das Schlachtfeld rollen und ich meinen Truppen befehle, den Feind zu flankieren, während Artillerie und Mörsergranaten vom Himmel regnen, kann ich nicht anders als zu lächeln. Einer der brillantesten Momente ist eine Mission etwa auf halbem Weg durch die Kampagne. Mit einer sehr kleinen Truppe sollen wir einen deutschen Tiger-Panzer durch ein verlassenes Dorf jagen. Es wird zu einer Art Katz-und-Maus-Spiel, in dem man verzweifelt versucht, Anti-Panzer-Waffen aufzutreiben. Dann wendet sich das Blatt und man muss Guerilla-Taktiken nutzen, den Panzer umgehen und ihn schließlich abservieren.
Die Intensität wird erhöht, als wir den zerstörten Panzer reparieren, danach kommandieren und uns in Sicherheit bringen, während sich die deutschen Truppen von allen Seiten nähern. Es ist eine schwierige Aufgabe, stellt hohe Anforderungen an das eigene, strategische Bewusstsein und die taktischen Fähigkeiten.
Leider zeigen sich hier auch sehr deutlich die technischen Probleme. Bei meinem dritten Versuch, die Mission zu schaffen, entdeckte ich, dass das deutsche Sturmgeschütz (eine gepanzerte Kanone auf Schienen), das die Hauptstraße aus der Stadt absperrt, einfach unverwundbar ist. Ich hab' von sechs Seiten drauf gefeuert, mit allem was geht. Kein Kratzer. Als ich die Mission endlich schaffe, gelingt es nur durch, weil ich mit dem Tiger die Straßen entlang schleiche, während andere Truppen die deutschen Panzer ablenken. Der einzige Grund, warum ich in der Lage war, das zu tun: Ich hatte das Dorf bereits sorgfältig von Panzerschreck-Truppen gereinigt.
Hoffentlich kriegt Company of Heroes 2 eine Menge Patch-Support von den Entwicklern direkt zum Start und danach, weil es wirklich nötig ist. Das Spiel lässt aus technischer Sicht zu wünschen übrig und die Grafik kann in keiner Weise die Anforderungen an die Hardware rechtfertigen. Aber wenn man Effekte und Grafik runterdreht findet man ein lustiges und unterhaltsame Strategiespiel - man muss nur darauf vorbereitet, dass es nicht immer funktioniert wie beabsichtigt. Company of Heroes 2 ist trotz der offensichtlichen Mängel aber absolut einen Blick wert.