Gepackt hat mich Call of Juarez: Gunslinger nach dem Intro. Schicke Momentaufnahmen entführen uns in das Jahr 1910, in dem der Hauptcharakter Silas Greaves gerade in die Stadt einreitet. Der einsame Typ wirkt dabei ebenso verloren wie einst John Marston in Red Dead Redemption. In einer staubigen Kneipe wird Greaves schließlich von den neugierigen Stadtbewohnern zu einem Drink eingeladen, die im Gegenzug den Geschichten seiner Abenteuer lauschen wollen.
Silas ist nämlich nicht irgendein alter Pistolero. Er ist einer der bekanntesten Kopfgeldjäger der Gegend, dessen Wege sich mit so manchem legendären Gesetzlosen des Wilden Westens wie Billy the Kid, Butch Cassidy oder Jasse James kreuzten - um nur einige der berühmtesten Vertreter zu nennen. Mit einem gewissen Sinn für Dramatik teilt er seine Erlebnisse mit den staunenden Anwesenden und wird dabei hin und wieder von einem der Einwohner und gelegentlich sich selbst berichtigt.
Unsere Aufgabe ist es nun, genau diesen Erinnerungen bildhaftes Leben einzuhauchen. Mit anderen Worten: Wir spielen die Geschehnisse nach und das hört sich wesentlich leichter an, als es tatsächlich ist. Einmal finden wir uns etwa in der offenen Steppe wieder, als sich Silas an eine alte Scheune erinnert, die plötzlich wie aus dem Nichts erscheint. Und waren die amerikanischen Ureinwohner, an die sich Silas zu erinnern glaubt, nicht vielleicht doch eher Cowboys, die sich auf die falsche Seite des Gesetzes geschlagen hatten? Sofort werden die Gegner ausgetauscht. Das Konzept sorgt für eine wunderbar dynamische Spielwelt, die wir so noch nie gesehen haben.
Geholfen hat dabei sicher vor allem, dass sich Entwickler Techland nicht an historisch korrekte Fakten halten musste. Stattdessen reiht das Studio ein unwahrscheinliches Szenario ans nächste, ganz so, als würden sie uns von einem notorischen Lügner aufgetischt werden. Zu solchen Geschichten passt deshalb auch keine realistische Farbpalette von grau zu braun. Das sah Techland auch so und verpackte seinen Action-Titel in einer tollen Cel-Shading-Optik, die Call of Juarez: Gunslinger den unverwechselbaren Look einer Graphic Novel verleiht. Und das passt nicht nur perfekt zum Grundton des Spiels, sondern auch zur Steuerung.
Wer die ersten beiden Teile gespielt hat, sollte aber ohnehin keine Probleme mit dem Gameplay von Call of Juarez: Gunslinger haben. Im Waffenarsenal finden sich wieder schwere Handfeuerwaffen sowie Schrotflinten, die Gegner in zwei Hälften teilen. Und Gewehre, die sich besonders im Fernkampf als nützlich erweisen. Vielleicht ist das alles aber am Ende auch ein wenig zu vertraut und das Tempo erinnert schon beinahe an Call of Duty 4: Modern Warfare. Von A nach B schießen wir in extrem linearen Leveln auf alles, was sich bewegt und werden schließlich von einem Boss-Gegner herausgefordert.
Vielleicht hatte auch Techland das Gefühl, der Titel könne etwas mehr Abwechslung vertragen und hat darum neue Fähigkeiten eingebaut, mit deren Hilfe wir Kugeln ausweichen oder mehrere Gegner durch eine Art Minispiel mit gezielten Schüssen außer Gefecht setzen. Es gibt außerdem eine ähnliche Funktion wie das Dead Eye in Red Dead Redemption. Weiter für Auflockerungen sollen auch Duelle sorgen, in denen wir unseren Gegenüber so schnell und heroisch wie möglich ausschalten müssen. Um ehrlich zu sein, geben die kleinen Spielereien dem Titel kaum zusätzliche Substanz und schon einige Rätselelemente hätten sowohl in Bezug auf Tempo wie auch Variation Wunder bewirken können.
Heraus sticht dafür umso stärker die Arcade-Struktur, für die sich Techland entschieden hat. In Call of Juarez: Gunslinger geht es vor allem um jede Menge Kopfschüsse, sauberes Töten und natürlich auch darum, in der Rangliste aufzusteigen. Dabei schalten wir mit voranschreitendem Spielstand neue Fähigkeiten frei. Dann kann beispielsweise während des Laufens nachgeladen werden oder wir rüsten uns gleich mit zwei Flinten auf einmal aus. Mit denen geht es dann weiter auf Highscore-Jagd. Haben wir das Abenteuer durchgespielt, lassen sich einzelne Sequenzen im Arcade-Modus noch einmal erleben. Ich zumindest hatte aber nach dem Abspann nicht wirklich den Drang dazu, meine Punktzahl in bestimmten Passagen zu verbessern.
Das sechsstündige Intermezzo hat genau die richtige Länge für einen Online-Abstecher und irgendwie wirkt Call of Juarez: Gunslinger mit seinem Old-School-Ansatz unheimlich befreiend. Es gibt keine unnötigen Extras. Es geht einfach nur um pure Action mit tollem Design, einer schönen Geschichte und einem Highscore, den es zu knacken gilt. Wem das reicht, der wird gut bedient.