Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Age of Wonders III

Age of Wonders III

Nach über zehn Jahren Pause meldet sich der Strategie-Klassiker zurück. Trotz der taktischen Tiefe ist das Game übersichtlich und einsteigerfreundlich.

HQ

Manchmal ist es schwierig, komplizierte Sachverhalte einfach zu beschreiben. Ein Strategiespiel etwa besitzt meist eine Vielzahl von Regeln und Möglichkeiten, die es so komplex erscheinen lassen, dass man schnell überfordert ist. Die Kunst ist es jedoch, langsam und behutsam an jedes Element herangeführt zu werden und erst mit einem steigenden Schwierigkeitsgrad zu verlangen, dieses auch ernsthaft beim Spielen zu berücksichtigen. So lange tasten wir uns vorsichtig an alles heran und entdecken immer wieder neue Tiefen.

Wenn ich jetzt versuchen würde zu beschreiben, wie Age of Wonders III funktioniert, es ginge mir ganz ähnlich. Wenn wir uns anschauen, was dieses Strategiespiel alles leistet, scheint es fast überwältigend. Wir bauen Städte, besiedeln das Land, forschen, entwickeln und üben uns Diplomatie und Bündnispolitik. Gleichzeitig gibt es taktische Kämpfe mit unzähligen Varianten zur individuellen Anpassung und zwei moralische Ausrichtungen, für die wir uns entscheiden müssen. Wer schon einmal Heroes of Might & Magic V gespielt hat, kann sich ungefähr vorstellen, was es heißt, rundenbasierte Kämpfe in rundenbasierte Aufbaustrategie einzupflegen.

HQ
Age of Wonders IIIAge of Wonders III
In rundenbasierte Aufbaustrategie ist quasi ein rundenbasiertes Taktikrollenspiel eingebettet.
Werbung:

Aus jenem Spiel dürfte auch das Helden-Prinzip bekannt sein. Über einen Anführer der Armee gibt es nämlich ein Repertoire von Spezialfähigkeiten, die einer Rollenspiel-Klasse entsprechen. Außerdem stammt der Held von einer der sechs Rassen ab: Menschen, Drakonier, Hochelfen, Zwerge, Orks und Goblins. Die bringen natürlich ebenfalls ihre Besonderheiten mit. Erobern wir die Stadt einer fremden Rasse, können wir sie in unser Reich integrieren und ebenfalls solche Einheiten ausbilden. Und im Verlauf einer Partie versuchen sich immer auch Helden uns anzuschließen, wenn wir sie denn bezahlen können.

Wir können die Umgebung zu unserem Vorteil nutzen und Städte und Burgen als Wehr einsetzen. Es gibt Zauber, um die Landschaft zu verändern, Feinde zu schwächen oder uns zu stärken. Durch all die verschiedenen Arten von Einheiten und Spezialisierungen ergeben sich so viele Kombinationen, dass eine Partie immer überraschend bleibt. Wem das alles zu lang dauert, der kann die Gefechte auch automatisch führen lassen. Aber selbstverständlich ist ein guter Heerführer nie durch einen Computer zu ersetzen.

Forschung wie auch das Heranschaffen von Ressourcen durch das Gründen neuer Städte sind ebenso wichtige Faktoren wie der Blick auf die militärische Sicherung des wachsenden Reiches. Städte ohne ausreichenden Schutz sind ein gefundenes Fressen für Feinde. Und obwohl pro Heereszug nur übersichtliche sechs Einheiten erlaubt sind, können sich diese zu Formationen zusammenschließen, wenn sie nebeneinander platziert werden. Durch die erreichte Überzahl lassen sich mächtige Gegner leichter bezwingen, aber gleichzeitig können wir auch schnell in Bedrängnis gebracht werden.

Age of Wonders III
Pro Armee sind eigentlich nur sechs Einheiten zulässig, aber durch Verbünde können Schlachten auch größer werden.
Werbung:

Es gibt sogar kleine Rollenspielelemente, denn unser Held kann durch das Erkunden von Dungeons zusätzliche Ausrüstungsgegenstände bekommen. Parallel dazu sammelt jede Einheit im Kampf Erfahrungspunkte und kann bei einem Levelaufstieg die Fähigkeiten verbessern. Dadurch wird jeder unser Kämpfer im Laufe der Zeit zum wertvollen Begleiter, den wir natürlich nicht verlieren wollen. Ein Frischling fängt nämlich wieder bei null an. Solche Furcht vor dem Tod einer Einheit kennen wir aus Strategierollenspielen, die Helden bei einer Niederlage ebenfalls unwiderruflich ausradieren. Vielleicht kommt daher auch das Gefühl, dass Age of Wonders III eine Mischung aus Civilization und eben jenen besonderen Rollenspielen ist.

Und an dieser Stelle komme ich noch einmal auf den Anfang zurück. Wie wird ein komplizierter Sachverhalt beschrieben? Dieses Spiel verbindet die Aufbaustrategie, in der wir ein Reich auf- und ausbauen, mit taktischen Kämpfen wie beispielsweise in Fire Emblem oder auch Xcom: Enemy Unknown. Ein bisschen Erkundung ist anfangs auch noch mit dabei, wenn wir mit dem Helden die Karte aufdecken und geheime Verstecke und kleinere Gegner aufmischen. Keines der Elemente ist unwichtig für die Spielerfahrung. Alles greift ineinander und muss für den angestrebten Sieg beachtet werden. Und in dem Moment, wo das deutlich wird, erscheint Age of Wonders III als eine Art Überspiel für Strategie-Freunde, dem noch dazu eine ziemlich hübsche Präsentation und ein toller Soundtrack verpasst wurde.

Was die Triumph Studios aber mit dem Comeback des Strategie-Klassikers erreicht haben, ist ihr Spiel trotz der vielen Möglichkeiten nicht zu überladen. Die Spielerfahrung ist individuell anpassbar und wir entscheiden selbst, wie viel Tiefe wir uns anfangs zutrauen. Als gute Einführung gibt es zwei Kampagnen, die uns im perfekten Tempo an alles heranführen. Einmal spielen wir aus der menschlichen Sicht mit dem Staatenbund oder für den Rat der Hochelfen. Das kleine Team aus Delft in den Niederlanden hat sich dabei viel Mühe gegeben, uns eine interessante Geschichte zu erzählen. Sie haben versucht, viele Referenzen auf die alten Spiele zu integrieren und ein interessantes Werk abgeliefert. Auch wenn wir uns wahrscheinlich schnell mehr für das Spiel selbst und weniger für die Hintergründe interessieren.

Age of Wonders III
Ein besonderes Element sind die Zauber, mit denen wir kämpfen und auch die Karte beeinflussen können.

Daher werden wir irgendwann zwangsläufig im freien Spiel landen. Dort lassen sich im Vorfeld viele Einstellungen festlegen und das Tempo ist besser anpassbar. Es gibt Optionen, die schnelle oder besonders ruhige Partien ermöglichen. Bestimmte Aspekte und Mechaniken lassen sich reduzieren oder vertiefen. Darüber hinaus beinhaltet Age of Wonders III eine ganze Reihe interessanter Szenarien. Etwa eines mit Zwillingsstädten, bei dem beim Erobern einer Stadt die jeweils andere zerstört wird. Das ist eine fantastische Erfahrung, die das Tempo am Start deutlich erhöht. Schließlich geht es darum, rasch die Städte einzunehmen, bevor sie einem vor der Nase zu Staub zerfallen.

Die Szenarien und Kampagnen sollen natürlich über kommende Erweiterungen und den für den Launch geplanten Leveleditor noch ergänzt werden. Aber langweilig wird es schon jetzt nicht. Uns steht ein Spielmodus zu Verfügung, in dem wir simultan ziehen müssen, es gibt eine Hot-Seat-Variante und unterstützt werden weiter sogar Duelle via E-Mail, was eine ziemlich netter Fan-Service ist. Das Strategiespiel ist ziemlich ausgeklügelt und schafft es, einen Stunden vor dem Rechner zu fesseln. Über die angesprochenen Anpassungen und die austauschbaren Konstellationen gelingt es Age of Wonders III zudem, viele abwechslungsreiche Erfahrungen zu liefern.

Und obwohl natürlich immer eine Spur Glück und Zufall mit dabei ist, so sind wir doch in erster Linie für jedes Missgeschick selbst verantwortlich. Darum ärgert man sich auch nicht über eine Niederlage, sondern analysiert die eigenen Fehler. Gerade bei großen Karten kann es ein bisschen dauern bis zu Erkenntnis, dass selbst mit viel gutem Willen kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Trotz der Möglichkeiten der Diplomatie und des Bündnissiegs ist ein Gegner vielleicht irgendwann einfach zu mächtig, weil wir zu viele Runden geschlafen haben. Aber auch verlorene Duelle machen Spaß, weil sie lehrreich sind. Age of Wonders III offenbart immer wieder schonungslos die Lücken in der eigenen Strategie, zeigt aber auch Kniffe und Tricks, wie wir diese schließen können. Es legt dabei ein Tempo vor, das Anfänger wie auch Profis mitnimmt. Auch das macht es so besonders.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
überfordert trotz umfangreicher Möglichkeiten nicht, viele Optionen zur Individualisierung, tolle Präsentation
-
Diplomatie nur rudimentär, Kampagne etwas lahm
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
Age of Wonders IIIScore

Age of Wonders III

KRITIK. Von Martin Eiser

Nach über zehn Jahren Pause meldet sich der Strategie-Klassiker zurück. Trotz der taktischen Tiefe ist das Game übersichtlich und einsteigerfreundlich.

0
Launchtrailer zu Age of Wonders III

Launchtrailer zu Age of Wonders III

NEWS. Von Martin Eiser

Mit Age of Wonders III veröffentlichen die Triumph Studios nach über zehn Jahren einen Nachfolger für ihre bekannte Stratege-Serie. Wir erschaffen mit den Völkern der...

0
Kritik zu Age of Wonders III online

Kritik zu Age of Wonders III online

NEWS. Von Martin Eiser

Nach über zehn Jahren erweckt der niederländische Entwickler Triumph Studios seine beliebte Strategiereihe wieder zum Leben. Age of Wonders IIIzeichnet sich durch eine...



Lädt nächsten Inhalt