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Anarchy Reigns

Anarchy Reigns

Die Welt der Actionspiele ist infiziert von Waffen, von großen wie kleinen, von Knarren und Schwertern. Platinum Games wollen das ändern. In den Onlinearenen der Japaner fliegen primär die Fäuste - und nicht die Kugeln.

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Mit nur vier Spielen auf dem Buckel hat Platinum Games bereits einen erkennbaren und eigenständigen Stil geprägt. Und der neuste Titel Anarchy Reigns fügt sich nahtlos in die Reihe von Mad World, Bayonetta und Vanquish ein. Es ist wieder ein Game im Geiste der Ära der 1990er - bizarre und schöne Welten und Gegner, rasend schnelle Action. Diese Attribute stehen ohnehin direkt auf der Visitenkarte der Japaner. Verrückte Konzepte wie diese sind selten geworden in einer Zeit der realistischen Kriegsführung.

Anarchy Reigns ist das genaue Gegenteil eines Shooters, eine massive Third-Person-Multiplayer-Schlägerei im Nahkampf, garniert von zufälligen Events als Erweiterung des Wahnsinns. Es ist eine Liebeserklärung an die Spielhalle und genau die Art von Spiel, die sofort beim Betreten einer Arcade das Interesse weckt. Man hat auf den ersten Blick keine Ahnung, was da auf dem Bildschirm los ist. Aber die Hand ist schon in der Hosentasche und fingert das Kleingeld heraus, um die Neugierde zu befriedigen. Das Videomaterial zum Game, das uns Sega im Rahmen der Präsentation zeigt, ist vorsichtig gesagt chaotisch. Es passiert echt eine Menge auf dem Bildschirm. Unten am Text klebt ein Trailer, schaut selbst rein.

Alles scheint darauf hinaus zu laufen, dass Anarchy Reigns Segas eigene Interpretation des Marvel vs. Capcom-Themas wird (oder von Fighters Megamix auf dem ehrwürdigen Saturn). Der Publisher schickt Kämpfer aus allen möglichen Franchises gemeinsam in den Kampf. Momentan hört sich das wie eine Übertreibung an, besteht doch die Riege der derzeit bekannten Kämpfer in erster Linie aus Mad World-Charakteren. Aber wir werden sicher nicht dagegen wetten, dass nicht auch gewisse Hexen oder rauchende Supersoldaten mitmischen werden. Das Gameplay ist einfach zu ideal zugeschnitten für diese Charaktere.

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Spezialattacken wie diese hier erledigen alle Gegner in nächster Nähe.
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Aber das ist nur eine mögliche Zukunft - wie steht‘s um die Gegenwart? Was ist konkret? Produzent Atsushi Inaba (Viewtiful Joe, God Hand) wird leider nicht sehr konkret im Laufe der Präsentation. Aber die Kombination seiner Ausführungen gepaart mit dem Videomaterial und dem Ausquetschen von Segas PR-Maschinerie führt zu folgenden Tatsachen.

Anarchy Reigns spielt sich wie ein superschnelles Third-Person-Adventure, während man gemeinsam mit Freunden durch die Arenen streift. Die Kamera sitzt direkt hinter dem eigenen Charakter und ist leicht zur Seite positioniert. Das ist mehr eine Gears of War-Kamera mit festem Abstand als ein Schulterspion wie bei Resident Evil. Kämpfen kann man „nur" mit den Fäusten oder mit Nahkampfwaffen - wir haben jedenfalls niemanden mit Distanzwaffen gesehen und Mathildas Peitsche hatte die größte Reichweite. Die Kämpfer kloppen sich gegenseitig, um ihre Energiebalken zu dezimieren, bis nur noch einer lebt. Spawnen wie im traditionellen Shooter ist möglich, es hängt aber vom Modus ab, ob das erlaubt ist.

Die Modi sind etwas, in das Platinum nur kurz eingetaucht ist. Anarchy Reigns wird einen vollständigen Story-Modus haben und einen separaten Koop-Modus. Der Koop, erklären sie uns, sei sehr wichtig, da dort die unterschiedliche Stärken und Schwächen der Charaktere voll ausgespielt werden. Das bedeutet, ein Team muss sich vor dem Start gut besprechen, um kompatible Kämpfer zu finden. Zu sehen gab‘s auch zum ersten Mal den Survival-Modus, eine Variante des mittlerweile offenbar unvermeidlichen Horde-Modus, der einem Gegnerwellen entgegen schickt.

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Die Kettensäge von Jack aus Mad World hat ein knisterndes Comeback.
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Jeder Charakter hat spezielle Attacken: Jack aus Mad World wirft seine Kettensäge ins Rennen, der Ninja Zero slammt seine Gegner mit Power in den Boden. Diese Attacken sind limitiert und brauchen eine Abkühlphase vor der erneuten Nutzung - gut so, sie sind einfach zu mächtig. Mein persönliche Favorit heißt übrigens Baron (ursprünglich Black Baron in Mad World, aber nun Sega zufolge "blacker and badder") mit seinem aufgemotzten gelben Umhang und Stab und den glühenden Fists of Fire.

Auf den ersten Blick wirkt vieles vom Gameplay wie für hirnlose Knöppedrücker gemacht, aber Platinum hat ein paar kleine Strategien eingesetzt, um genau das zu verhindern. Quick-Time-Events kommen ins Spiel fürs Blocken, für Gegenangriffe und Gegengegenangriffe. Das Antippen der entsprechenden Taste auf dem Bildschirm leitet den jeweiligen Move ein. Wer alles korrekt drückt, liefert am Ende eine mächtige und ziemlich verheerende Attacke ab.

Persönliche Rivalitäten lassen sich per Item-Nutzung begleichen. Sega hat hierfür bisher nur ein Beispiel gezeigt, wo wir mit einem Rivalen per Item in eine separate Arena gebeamt wurden für einen Kampf auf Leben und Tod. Gewinnt man den, gibt's ein Power-up als Belohnung, das man in der regulären Arena nutzen darf - sicher ein netter Vorteil.

Anarchy Reigns spielt in einer postapokalyptischen Welt. Wir erleben eine riesige Ruinenstadt und die Schlachten in den Arenen führen durch mehrere Straßenzüge, finden auf Baugerüsten statt und ziehen sich hinauf auf die Dächer. Netterweise haben alle Kämpfer eigene Launch-Fähigkeiten. Sie können den Hulk machen, wenn sie auf Gebäude springen oder zurück auf die Straße, was übrigens jeweils einige Sekunden dauert. Wer beim Einschlag eines Helden in der Nähe steht, verliert einen guten Teil seiner Lebensanzeige. Die Umgebungen sind teilweise zerstörbar und wir dürfen Arena-spezifische Objekte als Waffe benutzen. Autoreifen fliegen als tödliche Frisbees tief oder die Renngummis werden einem Feind einfach über den Kopf gestülpt, um ihn festzusetzen.

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Spezialeffekte im Stil von Platinum - und nicht zu knapp. Die Partikeleffekte aus Vanquish lassen grüßen.

Doch es gibt noch andere Bedrohungen außer den prügelnden Mitspielern. Jede Karte ist in Zonen unterteilt, jede mit einer besonderen Eigenart. Es gibt prügelnde Mutanten oder Angriffstrupps, die Raketenwerfer von den Dächer aus einsetzen, um den Kampf zu torpedieren. Gegen die kann man sich noch wehren wie jeden gegen Mitspieler. Was man aber nur vermeiden kann (und sollte) sind die ATEs.

Attack-Trigger-Events sind per Zufall initiierte Ereignisse, die das Level und den Spielfortschritt drastisch verändern. Sie werden mit einer kurzen Zwischensequenz oder einer schmetternden Warnung eingeleitet. In einem Match segelt ein Bombenteppich herab, abgeworfen von einem Schwader Kampfjets. In einem anderen spült ein Tsunami ein gigantischen Schlachtschiff durch die Arena. Oder es fliegen gigantische Klingen aus dem Himmel herab und würfeln die Kämpfer klein, die unglücklich genug sind, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Die ATEs können kleine und große Bereiche der Arenen gleichermaßen treffen. Ob sie nur Kämpfer treffen, die in einem Spiel auf dem Weg zum Sieg sind, hat Sega nicht aufgeklärt. Aber ein Vergleich zum blauen Schildkrötenpanzer, der den Mario Kart-Führenden automatisch sucht, wurde im einen oder anderen Gespräch genannt.

Anarchy Reigns wurde ursprünglich durch bloßes Gerede im Studio geboren. Die Entwickler machten sich Gedanken, ob es möglich ist, ein traditionelles Prügelspiel in einem Multiplayer-Arena-Setting zu machen und wie das aussehen müsste. Ob nun bewusst oder nicht, Anarchy Reigns passt ziemlich gut in den Anzug eines Vorfahren aus dem Hause Capcom: die Dreamcast-Serie Powerstone. Vieles, was Anarchy Reigns macht, kann man hier bereits erleben. Das ist kein Vorwurf der Unoriginalität (wir zweifeln, dass es Platinum nötig hat, andere Serien zu kopieren, warum auch, wo ihre eigenen Ideen so gut sind), sondern eher ein Zeichen der Verheißung. Konkrete Zweifel bleiben derzeit nur am Konzept der Nahkämpfe im Multiplayer, in den offenen und großen Arenen. Das könnte etwas zu hektisch werden.

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KRITIK. Von Christian Gaca

In diesem Low-Budget-Produkt von Platinum Games wird ohne Unterlass gekloppt - leider ohne allzu viel Spielspaß zu liefern.



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