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Assassin's Creed Odyssey

Assassin's Creed Odyssey

In Berlin haben wir sechs Stunden lang Ubisofts nächste Assassinen-Saga angespielt. Wie sich das Game im Vergleich zum letzten Ableger macht, erfahrt ihr hier.

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Trotz des großen Erfolgs von Assassin's Creed Origins war die Vorfreude auf den nächsten Ableger von Ubisofts Meuchelabenteuer bei mir verhalten. Diese schläfrige Stimmung merkte ich bei den ersten Leaks und sie blieb nach offiziellen Vorstellung auf der E3 erhalten. Ein paar Kollegen diskutierten deshalb kürzlich mit mir darüber, ob Assassin's Creed Odyssey vielleicht das erste Spiel sei, das keine Vorberichterstattung benötige. Spieler des letzten Teils würden ja ohnehin schon jetzt bestens Bescheid wissen und könnten ebenso gut wie die frühen Preview-Tester Aussagen zum Game treffen. Ganz ohne es selbst gespielt haben zu müssen... Das ist eine mutige und unfaire These, aber sie ist ehrlicherweise auch nicht völlig aus der Welt gegriffen.

Assassin's Creed Odyssey wirkt auf dem ersten Blick tatsächlich wie sein Vorgänger Assassin's Creed Origins. Der große Unterschied ist der neue Schauplatz, denn das staubige Ägypten wurde gegen das antike Griechenland ausgetauscht. Weil es zwischen den griechischen Inseln so verdammt viel Wasser gibt, hat man derweil die Serien-eigene Bootsmechanik wieder stärker eingebunden. Ist die Assassinen-Odyssee damit bereits vollumfänglich erklärt? Glücklicherweise nicht.

In den letzten Jahren hat sich Assassin's Creed von einem Actionspiel mit teils ausgeprägten Rollenspielmechaniken zu einem umfangreichen Rollenspiel entwickelt. Der nächste Schritt auf diesem Weg war die Implementierung von Entscheidungen, mit denen wir den Ausgang mancher Gespräche selbst bestimmen. Unser Protagonist (erstmals entweder weiblich oder männlich) hat Eigenarten und lässt diesen Charakter in den Diskussionen auch mal raushängen, wenn wir das wollen. Außerdem reagiert unsere Umwelt darauf, wie sich Kassandra oder Alexios in den Gesprächen verhalten. Wir können zum Beispiel so tun, als wären wir ein legitimer Nachfahre der Götter! Wer soll uns schon aufhalten?!

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Getroffene Gesprächsoptionen ziehen Konsequenzen nach sich und dadurch entstehen völlig neue Queststrukturen. Wenn uns nicht gefällt, wie ein NPC mit uns spricht, müssen wir die Aufgabe nicht annehmen. Wir können aggressiv werden oder unseren Auftraggeber bedrohen, wenn wir das wollen. Für Assassin's Creed als Reihe ist das bereits eine weitreichende Veränderung. Odyssey bietet uns aber dennoch nicht die spielerische Freiheit von Rollenspielgrößen wie The Witcher 3: Wild Hunt, Mass Effect 3 oder Divinity: Original Sin II.

Die starken Rollenspieleinflüsse zeigen ihre Wirkung auch im Kampfgeschehen: Ein dreiteiliger Fähigkeitenbaum schaltet aktive Fähigkeiten frei, die unsere Ausdauer belasten und eigene Abklingzeiten haben. Das sind beispielsweise Aktionen wie eine Ansturm-Attacke oder der ikonische Spartaner-Tritt, der im ersten Trailer auch dank der Nähe zum Film 300 so gefeiert wurde. Diese Fertigkeiten lassen sich verbessern, darüber hinaus können wir bei jedem Schmied passive Werte- und Schadensmodifikatoren (die wir durch das Abschließen von In-Game-Herausforderungen freispielen) in unsere Ausrüstung einweben.

Grundsätzlich unterscheidet Ubisoft in vielerlei Hinsicht zwischen dem eher klassischeren Meuchelmörder-Ansatz und der Spielweise des Kriegers. Viele Gegenstände erhöhen den Schaden der versteckten Klinge (neuerdings die abgebrochene Spitze eines uralten Speers) - also die Schadensmenge des Stealth-Kills - oder eben unsere Effektivität im Kampf. Dieser gesamte Zweig fühlt sich trotz der Optimierungen noch immer sehr nach Assassin's Creed Origins an, obwohl mir in den ersten sechs Spielstunden bereits viele kleine Detailanpassungen auffielen.

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Die effektive Reichweite der Waffen tritt nun zum Beispiel deutlicher hervor, weil unsere Spielfigur die Entfernung zum Feind nicht mehr selbstständig überwindet. Wir sind also manuell für die Positionierung verantwortlich und verschenken das kritische Angriffsfenster, wenn wir das Momentum nicht richtig nutzen. Diese Herangehensweise hat zuletzt Insomniac Games in Spider-Man genutzt, und überraschenderweise ist dieser Vergleich passender, als viele jetzt vielleicht denken werden. Auch in Assassin's Creed Odyssey kommen weiße Leuchtsignale zum Einsatz, wenn unmittelbare Gefahr droht. Das ist nur eben nicht der Spinnensinn unseres Charakters, sondern so etwas wie Spiegelungen auf den Waffen der vielen Feinde.

Die unterschiedlichen Fraktionen in Assassin's Creed Odyssey sind sehr defensiv aufgestellt, weshalb wir zuerst die Verteidigung der meisten Gegnern durchbrechen müssen, bevor wir ihnen Schaden zufügen. Glücklicherweise stehen uns hierfür viele Optionen zur Verfügung, zum Beispiel die Hexenzeit-Mechanik aus Bayonetta oder anderen Character-Action-Games. Bei perfektem Ausweichen etwa verlangsamt sich das Spielgeschehen, woraufhin wir mit erhöhter Geschwindigkeit attackieren können.

In Assassin's Creed Odyssey kloppen wir uns nicht nur an Land, sondern auch auf Booten und im Wasser. Wer Assassin's Creed IV: Black Flag oder ein anderes Spiel der Reihe mit ausgeprägter Segelmechanik gespielt hat, dürfte sich direkt zurückerinnert fühlen. Die altgriechischen Schiffe sehen schick aus und verhalten sich so, dass es Spaß macht, mit ihnen über das virtuelle Mittelmeer zu schippern. Unsere Crew darf neuerdings mit jedem dahergelaufenen Halunken erweitert werden, wir müssen die künftigen Seefahrer dafür nur im Faustkampf ausknocken und später einmalig rekrutieren. Wichtig wird das während der Kaperfahrten auf hoher See, wenn wir von mächtigen Schiffen angegriffen werden oder selbst kleinere Kutter überfallen.

Die Art und Weise, wie sich Alexios und Kassandra in Assassin's Creed Odyssey verhalten, hat neuerdings weitreichende Konsequenzen auf die Spielwelt. Erwischen uns die Dorfbewohner bei Diebstählen oder böswilligen Morden, wird ein Kopfgeld ausgesetzt. Das lockt wiederum gefährliche Kopfgeldjäger an, denen wir zumindest am Anfang des Spiels (aufgrund des Levelunterschieds) kaum etwas entgegenzusetzen haben. Wir können ihnen zwar, wie jedem Gegner, problemlos davonlaufen, doch spätestens ab Mitte des Spiels dürfte ihre Ausrüstung interessant genug sein, um eine aktive Konfrontation zu rechtfertigen.

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Auf den ersten Blick erinnert diese Mechanik an das Nemesis-System von Mittelerde: Mordors Schatten, letztlich wird die Umsetzung aber deutlich näher an den aus Assassin's Creed Origins bekannten Phylakes liegen. Schalten wir einen dieser mächtigen Krieger aus, steigen wir im Assassinenrang und profitieren weltweit von unserem Ruf als starker Kämpfer. Die Kopfgeldjäger mischen sich übrigens gern in längere Gefechte ein, was scheinbar leichte Konfrontationen sehr schnell eskalieren lässt. Unser Ruf steigt im Kampfverlauf unaufhörlich. Manchmal ist es deshalb sinnvoll, bei übermächtiger Feindpräsenz die Beine in die Hand zu nehmen.

Ausrüstung und unser Schiff lassen sich umfangreich individualisieren und auch die sehr hilfreiche Adler-Übersichtsmechanik hat es natürlich wieder in Assassin's Creed Odyssey geschafft. Schon früh fielen mir beim Spielen zudem etliche Rohstoffe und Handwerksmaterialien auf, die man nebenbei einsammelt, weil sie beinahe überall in der Spielwelt verteilt sind. In Origins flossen diese Ressourcen noch in die Stärkung der eigenen Statuswerte ein, in Odyssey ist dieses Feature noch einmal deutlich aufgebauschter.

Die vielen Parallelen zwischen den beiden jüngsten Ablegern der Assassin's Creed-Reihe mögen die Stimmung etwas drücken, doch sie sollten die kleinen Innovationen des Teams nicht überschatten. Assassin's Creed Origins war der besten Spiele des Jahres 2017 und Ubisoft hat uns mit den gesammelten Anstrengungen hunderte Stunden lang sehr gut unterhalten. Warum sollte man daran nicht ansetzen dürfen? Mit einem ausgearbeiteten Gesprächssystem, dem stärkeren Fokus auf Schiffsschlachten und vielen weiteren Detailverbesserungen scheint Assassin's Creed Odyssey diese Leistung zumindest von einem spielerischen Standpunkt her bestens replizieren zu können. Und wenn die Spieler es wollen, wird Odyssey seinen Vorgänger sogar übertreffen.

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