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Fist of the North Star: Lost Paradise

Fist of the North Star: Lost Paradise

Sega wagt einen Neustart von Kenshiros tödlicher Hokuto-Shinken-Kampfkunst. Wir konnten uns bereits einen ersten Eindruck einholen und sind etwas baff...

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Unser Kollege Kalle hat mir kurz vor meinem Termin mit Atlus in München vorgeschwärmt, wie sehr er sich auf das neue Fist of the North Star von Sega freut. Das Game wird zu großen Teilen vom Yakuza-Team Ryu Ga Gotoku entwickelt und dafür brennt er ja bekanntlich. Nachdem ich die ersten beiden Spielstunden von Kenshiros Martial-Arts-Drama erlebt habe, bin ich jedoch nachhaltig verwirrt. Denn obwohl ich einiges mit der japanischen Gangster-Soap rund um Obermacker Kazuma Kiryu anfangen kann, zerschellten meine Erwartungen zu hart an der grausigen Realität.

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Kalle würde das hier bestimmt als Trash bezeichnen und die Entwickler für ihre wirren Ideen feiern. Aber wo verläuft die Grenze zwischen Kunst und Schrott?

Fist of the North Star: Lost Paradise heißt das neueste Game der vor allem im japanischen Raum bekannten Actionspiel-Reihe. Hierzulande wurden nur wenige Ableger lokalisiert, dafür sieht es bei der Anime-Vorlage und den Manga-Umsetzungen ganz gut aus. Lost Paradise wird aber ohnehin nicht die etablierte Geschichte nachkauen, sondern eine parallele Handlung in einem alternativen Universum erzählen. Zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten kann ich nichts sagen, die Welt ist aber ebenfalls vor die Hunde gegangen. Was übrig geblieben ist, wird nun von niederträchtigen Banditen und schlimmerem Gesocks dominiert.

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Wir sind Kenshiro, ein ruhig-wirkender Muskelprotz, der seine Verlobte Yuria sucht. Sie wurde von einem fähigen Bösewicht entführt, dem wir zu Beginn des Spiels gegenübertreten. Nach der folgenschweren Auseinandersetzung erfahren wir, dass sich Yuria in der Stadt der Wunder befinden soll - Eden. Natürlich entpuppt sich unser Ziel nicht als Hoffnungsschimmer, denn selbst hier leiden Menschen. Wir müssen uns also etwas Schlaues einfallen lassen, um Yuria zu finden.

Zum Glück ist Kenshiro in der tödlichen Martial-Arts-Kampfkunst Hokuto Shinken ausgebildet. Hokuto Shinken ist eine Geheimtechnik, bei der der Anwender die Vitalpunkte seines Gegners trifft und dessen Energiefluss beeinträchtigt. In den meisten Fällen sind die Konsequenzen tödlich, in der Regel schwellen die Körper getroffener Feinde einfach an, bis sie schließlich in einer grellen Explosion zerbersten. Friedlich eingesetzt hilft diese Fertigkeit Kenshiro jedoch dabei, Verletzungen und Verspannungen zu heilen, was regelmäßig bei Quests zum Einsatz kommt. Die Nebenmissionen konzentrierten sich eingangs auf seichte Handelsquests und Botengängen, aber darauf kann Sega ja aufbauen.

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Die Finisher-Moves werden exzessiv choreografiert, während grundlegende Animationen und Mimik nirgends anzutreffen sind...
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Obwohl die Nebenbeschäftigungen einen Anteil an Fist of the North Star: Lost Paradise haben, ist das Game in erster Linie ein Brawler aus der dritten Person. Kens Widersacher werden mit Schlägen und Tritten in eine Paralyse-Haltung verfrachtet, in der sie unseren gefährlichen Kampfkünsten wehrlos ausgesetzt sind. Quick-Time-Events sind ein weiterer Bestandteil der Auseinandersetzungen, die nicht nur bei Bossgegnern zum Einsatz kommen. Nach der erfolgreichen Prügelei bewertet das Spiel unsere Performance und gewährt entsprechend Erfahrungspunkte, mit denen wir neue, tödliche Spezialtechniken und Weiteres freischalten.

Während uns die Story zumindest eingangs noch recht geradlinig von einem Schauplatz zum Nächsten führt, erleben wir die Spielwelt und ihre Aktivitäten in "Endless Eden" freigelöst von einem narrativen Rahmen. Wir erledigen also Nebenaufgaben und cruisen mit einem Wüstenbuggy durch die Gegend. In der freien Erkundung dürfte Fist of the North Star: Lost Paradise eher an die Yakuza-Spiele erinnern, obwohl zwischen der Präsentation und dem Spielaufbau der beiden Franchise aktuell ansonsten Welten liegen. Die hölzerne Mimik der Akteure und die ungelenken Animationen von Lost Paradise überraschten mich in ihrer Form negativ, gerade von den Yakuza-Machern dürfte man mehr erwarten.

Fist of the North Star: Lost Paradise scheint sich an der Endzeitstimmung von Mad Max zu versuchen, darauf deuten zumindest der viele Sand, die brennenden Autos und die große Anzahl wahnsinniger Banditen hin. Dass die widerlichen Schurken Regenbogen-farbene Irokesenfrisuren tragen, während es in dieser Welt offenbar nichts Lebenswertes mehr gibt, wird derweil natürlich ignoriert. Ob das aktuell doch sehr platt eingesetzte Gefühl des Mangels im Verlauf des Spiels noch stärker in ein narratives Szenario eingewoben wird, wie bei der oben erwähnten Vorlage, bleibt vorerst abzuwarten. Ehrlicherweise sieht es zumindest für mich aber so aus, als hätte Sega das Setting nur gewählt, um die extreme Gewalt gegen niederträchtige Banditen zu rechtfertigen. Und vielleicht ist das auch alles mehr Kritik am Ausgangsmaterial, als an der Spielumsetzung - die kenne ich nämlich nicht.

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Zur Verteidigung des Spiels möchte ich noch erwähnen, dass wirklich gar nichts an Kenshiros Auftreten auch nur entfernt auf mich ansprechend wirkt. Das ist halt kein guter Start...

In die gleiche Kerbe dürfte meine Bemerkung zum heftigen Gewaltgrad von Fist of the North Star: Lost Paradise schlagen: Augen zerplatzen, Körperteile werden abgetrennt, mächtige Kämpfer gleiten scheinbar mühelos mit ihrer Hand durch gestählte Körper und reißen dabei innere Organe auseinander; die Gewalt gegen Menschen ist eine unumstößliche Säule dieses Spiels. Sega hat deshalb eine Option eingeführt, mit der wir die Lautstärke und den Detailgrad des Blutvergießens bei Spielstart reduzieren können. Ich habe leider aber nicht mehr ausprobiert, was sich bei dieser Option im Spiel konkret verändert.

Mich hat Fist of the North Star: Lost Paradise bislang also noch nicht umgehauen, aber ich habe zugegeben auch keinen Bezug zum Ausgangsmaterial. Das Spiel ist ohne Frage verrückt, scheint seine Thematiken aber mit der Stoßstange durchdrücken zu wollen und verbindet den überdrehten Wahnsinn der Bewohner dieser Welt mit übertriebener Darstellung von Gewalt. Die Neuerungen des Yakuza-Teams könnten dem Titel sicherlich dabei helfen, die bedrückende Stimmung etwas auflockern, aber ob unser Freund Kalle mit dem Teil glücklich wird?

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