Deutsch
Gamereactor
Vorschauen
Homefront

Homefront

Ich spähe mit dem M112-Scharfschützengewehr vorsichtig immer wieder aus dem kleinen Scheunenfenster heraus. Zoome rein und raus und setze drei gezielte Schüsse: Bäm. Bäm. Bäm. Drei Typen aus dem gegnerischen Team, die 500 Meter vor mir versuchen, einen Hügel zur Farm zu nehmen, beißen ins Gras. Zum wiederholten Male. Ich warte nur darauf, dass sie aus den Aufnahmen ihrer Kill-Cam lernen, wo ich hocke. Draußen vor der Scheune tobt derweil der absolute Wahnsinn.

HQ

M1A3 Abrams-Kampfpanzer überrollen gnadenlos schutzlose Infanterieeinheiten und Hummvees und bekriegen sich mit ihren koreanischen Gegenstücken, den T99-Panzern. Ferngesteuerte Drohnen ballern am Boden und aus der Luft mit Raketen und MG-Salven dazwischen. C4 detoniert und EMP-Granaten legen die Drohnen lahm. Das Chaos kümmert mich momentan nur beiläufig. Aus der noch sicheren Deckung heraus kassiere ich seelenruhig Battle Points, die wichtigste Währung im Action-Egoshooter Homefront. Kassiere sie für Zielgenauigkeit, aneinandergereihte Abschüsse und Unterstützung bei Abschüssen meiner Teamkameraden - ohne selbst im Chaos zu sterben. Die Battle Points sind das Ticket hinein in einen der mächtigen AH-64 Apache-Kampfhubschrauber. 1400 Battle Points brauche ich, um nach dem zwangsläufigen Tod als Scharfschütze endlich abzuheben. Um aufzuerstehen im Helikopter und diesen einen Tod von oben vielfach zu rächen.

Homefront im Multiplayer - das heißt ganz klar: Yeah! Die Versprechen, die das Team der Kaos Studios ausgewählten Journalisten in London in ihre Notebooks, Ipads und einige Blöcke diktieren, klingen groß. Brian Holinka, Lead Technical Designer, spricht von einem "massiven Videospielkrieg mit 32 Spielern" und von "Guerilla Warfare im ganz großen Maßstab". Das Team bei den Kaos Studios muss es wissen. Es sind viele jener Typen dabei, die den Desert Combat-Mod für Battlefield 1942 und Frontlines: Fuel of War gemacht haben. Beides sind Online-Multiplayer-Kriegsspiele von großem Format. Im besten Marketing-Englisch versichern die Kaos-Jungs, dass ihr alleroberstes Ziel ein schnelles, fettes Kriegsspiel sei, dass konstant Action abliefere. Oder wie Brian Holinka es formuliert: "Wer für zehn Sekunden keine Kugel gesehen hat, läuft in die falsche Richtung". Infanterie, Bomben, Drohnen, Fahrzeuge, Luftschläge - alles ist am Start. Holinka behält Recht mit seiner These.

Eingebettet ist der Multiplayer-Wahnsinn in den Wahnsinn einer Story aus dem Solomodus, über die wir bereits eine ausführliche Vorschau geschrieben haben. Kurzfassung: Im Jahr 2027 haben die Kommunisten aus Nord-Korea die Vormacht in den USA gewonnen, nachdem sie bei den Amerikaner einmarschiert und das Land in Chaos und Elend gestürzt hatten. Auch die Multiplayerkarten spielen in diesem für Amerikaner traumatischen Szenario. Überrannte Vorstädte, zerbombte Großstädte und einsame Farmgegenden im Mittleren Westen werden wir sehen und dort die Schlachten zwischen Armee-Koreanern und Guerilla-Amerikanern ausfechten.

Homefront
AH-64 Apache-Kampfhubschrauber nehmen die Bodentruppen unter Beschuss.
Werbung:

Der Multiplayer soll, so klingt es jedenfalls, das wesentliche Verkaufsargument für Homefront werden. Damit das gelingt, muss man als Egoshooter-Macher Fakten schaffen, besonders in diesem gesättigten Marktsegment. Kaos Studios machen genau das. Bis zu 32 Spieler können sich in Homefront in zwei Teams oder Solo bekriegen. Sie bekommen dafür verlässliche Dedicated Server sowohl für die PC- als auch für beide Konsolenversionen zur Seite gestellt. Der Krieg spielt auf verhältnismäßig großen Karten und ein neuartiges Spawn-System sorgt dafür, dass man immer mitten in der Action landet.

Man spawnt nämlich nicht fernab der Action, sondern mittendrin. Zum Beispiel direkt hinein in den Schützenplatz eines Abrams-Panzer, den ein Mitspieler für teure BP eingekauft hat und nicht so schnell verlieren will. So lernt man, die Fahrzeuge zu schätzen und sie vorsichtig einzusetzen. Spawn-Kills sind übrigens wertlos, man bekommt weder Punkte noch Abschüsse dafür gutgeschrieben. Man darf zum Spawnen aber auch eigene Fahrzeuge kaufen (wenn genügend Battle Points am Start sind) oder muss im schlimmsten Fall zu Fuß zurück in die Schlacht rennen.

Um dem Online-Krieg seine spezielle Note zu geben, haben sie bei Kaos ein Aufgaben-basiertes System aufgesetzt, in dessen Zentrum die Battle Points stehen. Die Punkte symbolisieren ein Belohnungssystem, das nach dem Save- oder Spend-Prinzip funktioniert. Entweder man investiert die erspielten Punkte in große Sachen wie Panzer und Helikopter oder gibt sie schnell für kleine Annehmlichkeiten aus, die das Soldaten-Leben erleichtern. Battle Points rasseln unter anderem für Kill-Assists, Kills und diverse kleine Aufgaben während der einzelnen Spielrunden aufs Konto.

Homefront
Anfangs werden die Multiplayerkarten noch von Duellen zwischen Bodentruppen dominiert.
Werbung:

Ein Beispiel dafür: Jeder Spieler startet mit einem kleinen Kontingent Battle Points die Runde. Für 50 Battle Points kauft man sich mit einem schnellen Klick aufs D-Pad einen Raketenwerfer. Der Einkauf lässt sich fix refinanzieren. Für den Abschuss des gegnerischen Helis, einen gleichzeitigen Rache-Kill an dem Piloten und für das erfolgreiche Befreien eines Teamkameraden im Rahmen dieser kleinen Aufgabe kassiert man über 700 Battle Points als Belohnung. Kleinere Hilfsmittel wie der Raketenwerfer sind abhängig von der gewählten Klasse und dem damit verknüpften Loadout, der Ausrüstung.

Sechs voreingestellte Sets wurden gezeigt: Assault, SMG, Heavy, Tri-Burst Assault, Sniper und Stealth. Assault etwa besteht aus einem XCR-Gewehr mit Holo-Scope und EMP-Granaten und der Spieler darf direkt im Kampf einen Raketenwerfer oder eine Air Assault-Drohne einkaufen. Heavy kommt mit M249-Maschinengewehr, Rotpunktvisier und C4 und der Spieler darf einen mobilen AAWS-Luftabwehrsuchraketenwerfer oder eine Bodendrohne mit MG einkaufen. Der Stealth-Kandidat rennt mit einem handlichen und sehr effektiven Super V SMG nebst Schalldämpfer und C4 in den Krieg und darf einen Raketenwerfer und für teuer Geld einen Airstrike direkt bestellen. Gezeigt wurde auch noch ein SCAR-Gewehr und die Standardarmeepistole, alle weiteren Waffen werden sich im Spektrum der bekannten Technologien aufhalten. Die Waffen klingen fett und schießen sich satt. Deutlich spürbar sind die Unterschiede im Druck und der Durchschlagskraft.

Die Ausrüstungs-Loadouts sollen vom Spieler frei modifizierbar sein, vermutlich aber im Rahmen einiger Balanceregeln, an denen derzeit heftig gearbeitet und herumprobiert wird. Die Balance ist das derzeit größte Problem des Multiplayers von Homefront und wie immer fast die größte Herausforderung überhaupt. Noch scheinen die Drohnen zu mächtig, obwohl sie im Spiel natürlich bekämpft werden können. Infanteristen können sie mit EMP-Granaten oder Raketenwerfer temporär deaktivieren, um Raum für die Flucht zu haben. Die Bodendrohnen sind mit modularer Panzerung versehen, die Stück für Stück weggeschossen werden kann. Das führt dazu, dass man natürlich die geschwächte Seite als Drohnenpilot aus dem Kampf drehen kann. Einfliegende Raketen lassen sich zudem mit einem Abwehrsystem verwirren, das allerdings länger aufgeladen werden muss. Aber wie gesagt: Die Balance stimmt hier gefühlt noch nicht so richtig aber es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie das als alte Multiplayerexperten nicht bis zum Release Ende März 2011 in den Griff bekommen werden.

Homefront
Im Schutz eines Abrams-Panzers überleben auch Infanteristen länger. Aber die Schlachten mit bis zu 32 Spielern leben ohnehin davon, dass Spieler sterben.

Die Battle Points sehen sie bei den Kaos Studios übrigens nicht als Ersatz für Erfahrungspunkte (die es an anderen Stelle auch nicht geben soll), sondern als eine Art In-Game-Währung, "um Spieler zu motivieren, im Team zu spielen", sagt Brian Holinka. Das funktionierte selbst in der zusammengewürfelten Gruppe bereits ganz ordentlich. Richtig toll ist, dass man durch die Battle Points als einzelner Spieler verschiedene Stile direkt in eine Session packen kann und dafür endlich auch sinnvoll belohnt wird. Der Weg zu den 1400 Battle Points für einen Apache-Helikopter ist nämlich aus jeder der Loadout-Klassen identisch - und doch so total verschieden. Ein Sniper arbeitet eben länger ruhiger als ein echtes Frontschwein. Beide eint aber das Ziel, möglichst schnell einen Helikopter fliegen zu wollen. So soll in Homefront im Laufe einer Spielrunde ein sich beständig weiterentwickelndes Schlachtfeld entstehen, dass mit vielen kleineren Infanterieduellen beginnt und sich langsam zur epischen Materialschlacht hochschaukelt. Was nicht heißt, dass man als Scharfschütze nicht trotzdem noch auch im späteren Spielverlauf gut zum Zug kommt, aber im Bombenchaos wird man als regulärer Infanterist schnell zur Dauerzielscheibe.

In meiner Session habe ich den Modus Ground Control auf zwei Karten gespielt. Alle Spieler starten an derselben Frontlinie und müssen drei Capturepunkte einnehmen. Ist das gelungen, verschieben sich die Ziele und wenn das Punktlevel erreicht ist, gewinnt ein Team. Die Cul de sac-Karte für acht gegen acht Spieler treibt uns durch eine zerbombte US-Vorstadt, hier gibt es keine Fahrzeug außer kleinen Bodendrohnen und unbemannten Heli-Drohen (in einer unbewaffneten Aufklär- und einer mit einem MG bewaffneten Angriffsvariante. Auf den großen Karten für 16 vs. 16 steht dann das gesamte Arsenal zur Verfügung.

Die Grafik war schon ziemlich anständig, wobei der Code, den es zu sehen gab, noch einem sehr frühen Entwicklungsstadium entnommen war. Pre-Alpha ist in der Regel wenig aussagekräftig, aber es lässt sich locker sagen, dass Homefront optisch absolut auf Augenhöhe mit den Genregrößen unterwegs sein wird. Besonders die Vorstadt-Karte glänzte mit vielen kleinen Details in den Vorgärten, die eine lebendig wirkende Tristesse erzeugen. Sehr passendes Ambiente für eine Guerilla-Krieg im überlaufenen Amerika.

Die Standards vernachlässigen sie trotz des Battle Points-Systems natürlich nicht, sagen die Kaos-Jungs. Es werde Level-Progression, ein Rängesystem und freischaltbare Sachen geben, aber auf Details hierzu müssen wir noch warten.

HQ
HomefrontHomefrontHomefrontHomefront

Ähnliche Texte

2
HomefrontScore

Homefront

KRITIK. Von Christian Gaca

Mit Homefront will THQ den umkämpften Markt der Action-Egoshooter angreifen. Die Munition: bewährte Konzepte plus Innovationen.



Lädt nächsten Inhalt