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Die Siedler 7

Die Siedler 7

Über zwanzig Jahre sind sie schon im Geschäft. Blue Byte ist eins der wenigen deutschen Entwicklerstudios. Eins, das zwar heute zu den Franzosen von Ubisoft gehört, aber auch genau aus diesem Grund noch bestehen kann. Denn die Siedler-Reihe ist zwar in Deutschland sehr beliebt, aber der große internationale Durchbruch blieb bisher aus. Mit Siedler 7 versuchen sie erneut ihr Glück. Einen Fan haben sie dabei mindestens schon gewonnen.

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Meine Jugend, das gebe ich ganz freimütig zu, habe ich mit Civilization, Die Siedler und Sim City verschwendet. Stundenlang hockte ich vor dem Computer und beschloss stündlich, dass jetzt wirklich gleich Schluss ist. Jeden Morgen wartete ja wieder die Schule, und irgendwie musste das ja zu machen sein. Abspeichern und später weiterspielen. Zwei Klicks.

Die ersten Sonnenstrahlen erinnerten mich daran, dass wieder einmal das Spiel stärker war. Da nützte es nichts mich über den glorreichen Sieg zu freuen. So einsichtig war ich, zu wissen, dass es doch genau das wollte. Mich fesseln und einlullen, mit der Chance ein gutes Gefühl aus dem Geschaffenen zu ziehen. Und ja, ich fühlte mich durchaus glücklich über meine erreichten Ziele. Meine Zeit gab ich trotz alledem freiwillig gern her.

Irgendwann war ich dennoch über diese kleine Sucht hinweg und ich ließ die Finger von diesem Teufelszeug. Zu gute kamen mir damals größere Abstände bei den Veröffentlichungen und die teils magere Qualität. Jetzt aber folgt die traurige Erkenntnis, dass so ein Rückfall schneller einsetzt, als einem manchmal lieb ist. Die Siedler 7 macht so viel richtig, dass mir schwarz vor Augen wird. Wieso macht es das mit mir. Wieso kann ich nicht stark sein?

Damals waren es die ersten beiden Siedler-Spiele, die sich besonders bei mir festgesetzt haben. Entweder allein oder aber auch bei Freunden. Da wurde es dann zusammen mit Starcraft und Command & Conquer auf kleinen Netzwerkparties gespielt. Die Suche nach der richtigen Strategie für funktionierende Wirtschaftskreisläufe und einem Ausweg aus dem Dilemma überfüllter Wegkreuzungen waren der Schlüssel zum Sieg. Schlaf spielte da keine Rolle. Bauen. Ausspähen. Erobern. Veni. Vedi. Vici.

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Die Siedler 7
Die neue Generation des Siedelns bekommt eine neue, starke Grafikengine.

Plötzlich ist das alles wieder so nah. Und alles nur, weil ich mich aufgemacht habe, ein paar Stunden mit Blue Byte zu verbringen. Den Düsseldorfern ist es, so viel schon jetzt, tatsächlich gelungen, die Serie auf das nächste Level zu hieven. Ein Neustart ohne Bruch. Denn während früher auch der zaghafte, wirtschaftsorientierte Spieler in einen Kampf verwickelt wurde, hat heute jeder die freie Wahl. Kampf, Handel oder Wissenschaft, darauf baut Die Siedler 7. Gewonnen wird mittels Siegpunkten, die alle drei Bereiche abdecken. So simpel und zugleich unglaublich komplex.

Los geht's mit den üblichen Verdächtigen. Holzfäller und Steinmetze stellen auch in Siedler 7 die Grundlage einer jeden florierenden Wirtschaft dar. Neu ist jedoch, dass Gebäude zusammengefasst und an ein gemeinsames Hauptgebäude gebunden sind. Der Steinmetz zum Beispiel teilt sich ein solches mit Minen. Holzfäller können auch mit Förstern, Schreinern, Jägern und Fischern unter einem Dach auskommen. Die Spezialisierung erfolgt über die bis zu drei möglichen Seitengebäude.

Und obwohl ich mittlerweile eher wenig am PC spiele, ist die Steuerung doch gleich so vertraut. Wege zum Beispiel gibt es auch in Siedler 7. Gebaut werden sie, indem man sich an den bereits vorgegeben, festen Pfaden entlang hangelt. Gezogene Wege sind grundsätzlich schnurgerade, aber schmiegen sich auch elegant an Hindernissen oder bereits errichteten Gebäuden entlang.

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Zum Beginn des Spiels, als Gebäude und ihre Funktionen noch nicht so recht bekannt waren, kam natürlich erst einmal der typische Deutsche in mir durch: Ordentlich und möglichst effizient musste es sein. Dabei lehrt Siedler 7 schnell, dass so ein bisschen Chaos das Leben manchmal auch leichter macht. Wohnhäuser zum Beispiel braucht man anfangs reichlich, da sie das Limit für verfügbare Arbeiter erhöhen. Was man aber nicht in gleichem Maße braucht, sind die drei möglichen Arbeitsstätten, die sich direkt an so ein Wohnhaus anschließen.

Die Siedler 7
An einem gemeinsamen Hauptgebäude hängen die eigentlichen Arbeitsstätten wie hier die Holzfäller.

Das heißt, ich musste lernen, dass es keine Verschwendung ist, wenn ein Wohnhaus einfach mal nur für sich steht. Ohne Seitengebäude. Dafür braucht es viel mehr Lagerhäuser, die man in den ersten Spielen nur sehr selten errichtet hat. Diesmal sind an so ein Lager aber auch die Träger gebunden. Siedler stehen also nicht einfach sinnlos auf der Karte herum, sondern jede Person, die auf dem Bildschirm wuselt, geht auch tatsächlich einer Beschäftigung nach.

Und wo es gerade fiel, das Wuseln. Wieder ist es geglückt, auch dass im Spiel fühlbar zu machen. Die neue Grafikengine macht es möglich, stufenlos direkt ins Geschehen zu zoomen. Theoretisch kann man so sogar einem Arbeiter direkt bei der Arbeit zusehen und jeden seiner Schritte verfolgen. Glücklicherweise hat Blue Byte aber darauf verzichtet, sich per Mausklick direkt an einen Siedler zu heften. Es reicht schon, dass ich jeden Grashalm sehe, aber dieses von den Sims bekannte Feature wäre wohl genau der eine Schritt zu weit gewesen.

Man ist ja sowieso genug mit dem Micromanagement beschäftigt. Wird von einem Zwischenprodukt zu viel hergestellt? Welche Wege nehmen Waren? In welche Richtung sollte sich das kleine Reich weiter ausdehnen, damit es keinen Versorgungsengpass erleidet? Doch für alle Fragen gibt es Spielelemente, die nützlich zur Seite stehen. Das im Grunde recht sparsam gehaltene Menü bietet beispielsweise einen Punkt, der beim Herüberfahren den gesamten Lagerbestand anzeigt. Überproduktionen lassen sich so schnell ausfindig machen.

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Das Waren- und Wirtschaftssystem von Siedler 7 ist angenehm überschaubar und trotzdem komplex.

Welchen Weg die Waren nehmen wird zumindest in der aktuellen Fassung auch schnell deutlich. Mit einem Klick auf ein Gebäude, werden dünne Fäden sichtbar, die alle ihm zugehörigen Arbeiter anzeigen. Zwar gab es in der spielbaren Version noch einige Probleme mit dem Warenfluss, weil Zwischenlager schnell überfüllt sind, aber gerade deswegen werden ja ausführliche Beta-Tests durchgeführt, um genau solche Probleme auszumerzen.

Die dritte hypothetische Frage nach der Landerweiterung lässt sich ebenso leicht beantworten. Denn in Siedler 7 gibt es keinen Nebel, der unentdeckte Gebiete bedeckt, sondern eben nur noch solchen, der als optische Augenweide dient. Tatsächlich kann man dank der freien Kamera quasi aufschauen, um zu sehen, wo der Gegner sich befindet. Übersichtlicher bleibt es vermutlich aber in der Übersichtskarte, die gleichzeitig die höchste Zoomstufe darstellt.

Diese Ansicht zeigt aber nicht nur alle verfügbaren Rohstoffvorkommen und die Lage und Ausbreitung der Kontrahenten, sondern macht auch Sektoren sichtbar. Diese bilden nämlich neuerdings die Karte und sind durch ein militärisches Gebäude gekennzeichnet, an dessen Eroberer dann das Gebiet fällt. Anfangs steuert man lediglich eine Armee mit der man in Sektoren einfallen kann, da nur ein General zur Verfügung steht. Mit dem Bau einer Festung wird es jedoch auch möglich sein, mehrere Generäle zu befehligen.

Eine Truppe beherbergt Soldaten, Musketiere und Kanoniere. Je nachdem, wem der Angriff gilt, sollte die Truppe gut zusammen gemischt werden. Für den Sturm eines Schutzwalls beispielsweise können die auf den Nahkampf ausgerichteten Soldaten gar nichts ausrichten. Außerdem muss jede Einheit für kostbare Güter teuer eingekauft werden, so dass man sich gut überlegen sollte, was und wieviel man wirklich braucht.

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Kirchen sind Gebäude der Geistlichen. Sie sind die Forscher im Spiel.

Doch es gibt auch noch Handel und Wissenschaft. Über das Erschließen neuer Handelsrouten mittels der drei Händlertypen Straßenhändler, Geschäftsmann und Handelsmann lassen sich beispielsweise clevere Tauschmöglichkeiten freischalten und auch Siegpunkte und Ansehen verdienen. So kommt man an leichter an Güter und mehrt kinderleicht seinen Reichtum.

Ebenso sind es die forschenden Geistlichen, die hilfreiche Technologien freischalten. Mit Novizen, Brüdern und Priestern ist es dann nicht zwangsläufig notwendig, sich stark auszubreiten. Sie ermöglichen es, mit dem auszukommen, was das Stück Land eben so bietet. Außerdem bieten die Kirchengänger eine Möglichkeit, neutrale Sektoren gegen ein paar Goldstücke ganz friedlich einzukaufen.

Drei weitere Spielelemente sind ebenfalls bekannt, die sich beeinflussend auswirken. Das eine nennt sich Ansehen und mittels dieser sammelbaren Punkte lässt sich Verschiedenes freischalten. Beispielsweise der Bau einer Festung, Kirche und eines Kontors, die den Einstieg in die drei Schwerpunkte Kampf, Handel und Wissenschafft eröffnen. Auch das tiefere Schürfen durch Geologen oder aber Gebäudeverbesserungen werden hierdurch möglich. Das zweite Element sind die Belohnungen. Siedler 7 gewährt für bestimmte Leistungen Sofortzugriff auf gewisse Güter wie Steine, Holz oder Münzen.

Zu guter letzt gibt es auf der Karte verstreut Sondergebäude, darunter unter anderem dass schwarze Schloss. Gewisse Rohstoffe und Güter können hier gegen besondere Dinge getauscht werden. Möchte man beispielsweise eine große Armee gegen den Feind hetzen? Kein Problem, so lange man es sich leisten kann. Und genau da kommt ein weiterer Kniff zum Tragen. Wer mehr Siegpunkte hat, muss mehr auch mehr zahlen. Spieler, die also ins Hintertreffen geraten sind, können sich so vielleicht noch retten.

Die Siedler 7
Es ist möglich, so weit ins Geschehen zu zoomen, dass Siedler bei der Arbeit beobachtet werden können.

Und jetzt stellen wir uns alle mal ein große Karte vor. Die meisten Sektoren sind besiedelt. Ein Spieler hat auf Wissenschaft gesetzt und im Bieterwettstreit um Schlüsseltechnologien gewonnen, die jetzt nur er besitzt. Der andere hat sich daraufhin in Richtung Handel entwickelt und scheffelt Geld ohne Ende. Nummer drei war zunächst auch auf Wissenschaft aus, zog aber den kürzeren und konzentriert sich nun auf das Gefecht. Das liegt ihm ohnehin mehr.

Der Handelstreibende hat die zuvor festgelegte Zahl an Siegpunkten nach einiger Zeit erreicht. Dass die beiden anderen sich beharkt haben, kam ihm gerade recht. Der Countdown zum Sieg läuft bereits, er reibt sich die Hände. Offenbar zu früh, denn arm ist der Spieler mit seinen Mönchen und Klöstern auch nicht. Seine Effektivität erweist sich als äußerst nützlich. Gleichzeitig setzt der Kampferprobte seine Truppen in Bewegung. Da muss doch noch was zu machen sein.

Und tatsächlich ergibt sich daraus kurz vor Schluss ein Dilemma. Einerseits muss er sich gegen angreifende Truppen wehren und in ein eigenes Heer investieren. Damit sinkt sein Geldvorrat, der ihm aber seinen Siegpunkt gegenüber dem anderen Konkurrenten sichert. Jetzt nur hoffen, dass die verbesserten Befestigungen aus Stein lange genug halten und nicht etwa die Kämpfernatur noch aufholt und sich durch die große Armee sowie die wachsende Zahl an Sektoren noch den Sieg krallt.

Ein bisschen erinnert einiges davon sicherlich an Civilization. Auch dort gibt es Siegpunkte und gewonnen wird, in dem man militärisch, durch Forschung oder Reichtum siegt. Auch der Krampf am Ende, so bald ein Sieg in greifbare Nähe rückt, ist ganz ähnlich. Trotzdem spielt sich Siedler 7 ganz anders, was allerdings nicht nur am Ablauf in Echtzeit liegt. Vielleicht kommt an einigen Stellen der Einfluss von Bruce Shelley durch. Der Spieleveteran war unter anderem mitverantwortlich für Civilization, Railroad Tycoon und Age of Empires und ist als externer Berater sicher nützlich beim Ausbalancieren des Gameplays.

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Einfache Benutzeroberfläche, die trotzdem viel verrät. Alles wichtige auf einen Blick.

Jenes Ausbalancieren ist es auch, wo noch viel Arbeit wartet. Derzeit sitzen die Jungs von Blue Byte am Kampagnenmodus. Der übrigens soll behutsam in das neue Spielsystem einführen. Anfangs gibt es noch viele Aufgaben, aber nach und nach werden diese durch das Siegpunktsystem ersetzt. Am Ende sollte jeder fit sein, für das komplexe System, was Benedikt Grindel und sein Team entwickelt haben.

Mit seinen wahren Stärken will der Titel ohnehin im Mehrspielermodus auftrumpfen. Dann nämlich sind unter anderem Siegpunkte anpassbar und die Menge von Rohstoffvorkommen können geändert werden. Immer werden sich die Anforderungen an den Spieler ändern. Immer wieder erwartet ihn eine neue Welt. Ich bete dafür, dass es ihnen gelingt, das Spiel auszubalancieren. Bisher hapert es noch an einigen Stellen, selbst der Kampagnenmodus läuft noch nicht rund.

Aber ein bisschen Zeit haben sie ja noch, sich genau darum zu kümmern. Es zu polieren, um für jeden Spieler das ideale Erlebnis zu bieten. Aber obwohl das Spiel noch nicht fertig ist, hat es ich mich bereits eingefangen. Ja, das Gefühl von damals war wieder da. Ich, total gefesselt, jede Minute auskostend. Gleich muss ich Schluss machen. Ich glaube mein Zug fährt. Oder war das später? Egal, ich schau noch nach. Ja, gleich. Klar.

Am Ende konnte ich mich von niemanden mehr verabschieden. Nicht von den Jungs von Ubisoft, nicht vom Produzenten Benedikt Grindel. Ich habe meine Tasche geschnappt, bin zur U-Bahn gehetzt, um dort in den bereits wartenden Zug zu springen. Es war der letzte, der mich noch rechtzeitig am Bahnhof absetzte. Nur so hatte ich noch eine Chance, zurück nach Berlin zu kommen. Aber wenn ich ihn verpasst hätte, wäre ich einfach zurück zu meinen Siedlern. Eine halbe Stunde hätte ich ja noch spielen können...

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KRITIK. Von Martin Eiser

An allen Ecken und Enden wurde geschraubt. Alles ist neu und trotzdem fühlt sich Siedler 7 so vertraut an.



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