Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Assassin's Creed: Pirates

Assassin's Creed: Pirates

Ubisoft greift sich das Segel-Element aus Assassin‘s Creed IV: Black Flag und macht daraus ein eigenständiges iOS-Spiel über das Piratenleben auf See.

HQ

Ich habe großen Respekt vor Ubisofts talentiertem Entwicklerteam. Es ist tatsächlich eher selten, dass sie nicht korrekt abliefern. Ihr Fähigkeit, Teile ihrer Spieleserie zu erneuern, indem sie diese um neue Spielmechaniken erweitern, sorgte immer wieder für eine ganz eigene Assassin's Creed-Erfahrung. Nicht ganz leicht, immerhin besteht die Serie aus nunmehr fünfzehn Teilen.

Allein auf den mobilen Geräten finden sich zehn davon. Verantwortlich für die Entwicklung eines 2D-Jump'n'Runs war zwar Gameloft, im Kern aber lieferte Ubisoft die Reihe. Selbst die Ausreißer auf den mobilen Geräten. Viele von denen überzeugten immerhin mit solidem Gameplay, hatten aber wenig gemein mit den traditionellen Assassin's Creed-Titeln.

HQ
Assassin's Creed: PiratesAssassin's Creed: Pirates
Mit der richtigen Hardware wird es sehr hübsch und die Wasseranimationen sind die besten, die wir bisher für iOS zu Gesicht bekommen haben.
Werbung:

Assassin's Creed: Pirates greift nun auf die Steuerung zurück, die wir noch aus Assassin's Creed III kennen, als wir uns mit Connors Schiff in die Wellen stürzten. In Form von Seeschlachten wiederum wurde das zum Herzstück von Assassin's Creed IV: Black Flag. Wie der Titel des mobilen Abenteuers suggeriert, konzentriert sich nun auch der neueste Unterwegs-Ableger auf die Welt der Piraten und die Abenteuer auf hoher See.

In der Beschreibung werden eine 3D-Welt sowie eine wundervolle Grafik versprochen. Geraten wird deshalb auch zur neuesten iPad-Version. Und tatsächlich sieht das Spiel toll aus. Nicht so beeindruckend, dass wir den Mund wegen des krassen Detailgrades nicht mehr zu bekommen würden so wie nach dem Segelsetzen in der PS4-Version. Aber doch zumindest in einem Maße, dass wir die Sonnenstrahlen genießen, die durch die Segel scheinen. Insgesamt wirkt das Ganze mit der richtigen Hardware hübsch und die Wasseranimationen sind die besten, die wir bisher für iOS zu Gesicht bekommen haben.

Auf einer Abstergo-Karte bekommen einen ersten Überblick und mit Devil's Rock eine erste Anlaufstelle. Sechs weitere Orte werden uns durch Symbole angezeigt, zugänglich sind sie aber anfangs noch nicht. Jeder von ihnen führt wiederum zu weiteren großen Karten, die dann frei erkundet werden dürfen. Beim Abschluss des Spiels erscheint schließlich ein siebtes Symbol. Statt eine neue Karte zu liefern, verpricht es zukünftige Inhalte. Die sechs Karten unterhalten aber schon eine ganze Weile.

Assassin's Creed: Pirates
Alles viel zu leicht: Nicht ein einziges Mal während der achtstündigen Kampagne oder den Nebenmissionen bin ich ansatzweise in Gefahr gekommen.
Werbung:

Wie schon bei Assassin's Creed IV: Black Flag geht es ums Segeln und heimliche Manöver. Letzteres wurde durch einige einfache Missionen umgesetzt, die wir aus der Vogelperspektive im Metal Gear Solid-Stil bestreiten. Dabei müssen wir vermeiden, ins Sichtfeld der Gegner zu geraten, während wir uns ihnen annähern. Es bleibt kaum Zeit, das Schiff zu verlassen, denn die Action im Spiel fokussiert sich ganz klar auf das Meer.

Neben der Hauptgeschichte gibt es aber auch noch einige Nebenaufgaben zu erledigen. Locker kann man Tage damit vertun, Schiffbrüchige aufzusammeln, alle Schätze zu finden, Sklaven von ihren trostlosen Schiffen zu retten, Auftragsmorde auszuführen, neue Schiffe zu kaufen und eben jene mit unseren erbeuteten Schätzen zu verbessern. Wer will, liefert sich Segelrennen auf Zeit oder erkundet die Karte über die typischen Aussichtsplattformen, die hier in Form von Leuchttürmen umgesetzt wurden und gleichzeitig als Schnellreisepunkte dienen. Nachdem das Intro durchgerauscht ist, steht es uns frei, zu tun, wonach uns der Sinn steht. Es ist ordentliche Unterhaltung in einer offenen Spielwelt.

Das klingt alles nach jeder Menge Spaß, oder? Leider ist es genau das, was zu häufig fehlt: der Spielspaß.

Assassin's Creed: Pirates
Locker kann man Tage damit vertun, Schiffbrüchige aufzusammeln, alle Schätze zu finden, Sklaven von ihren trostlosen Schiffen zu retten, Auftragsmorde auszuführen, neue Schiffe zu kaufen und eben jene mit unseren erbeuteten Schätzen zu verbessern.

Ubisoft zeigt wenig Respekt für die Spieler auf mobilen Geräten. Geboten wird uns eine schlichte Steuerung mit einer Touch-Bewegung, wie wir sie aus Rayman: Fiesta Run kennen, wo sie auf Grund des Genres auch durchaus angemessen ist. Bei einem Spiel aber, das auf Seeschlachten und strategische Entscheidungen setzt, ergibt das wenig Sinn. Wenigstens hätte es die Wahl über einen Schwierigkeitsgrad geben können oder ein paar mehr Optionen im Kampf, um dessen Tiefe zu erhöhen. Ein wenig Abwechslung und Herausforderung ist nicht zuviel verlangt.

Denn das ist am Ende, was wir wirklich tun in diesem Spiel: Ob wir nun zu einem bestimmten Ort segeln, Feinde aufspüren, von ihnen überrascht werden, schleichen, einen Boss-Gegner bekämpfen oder Unschuldige aufmischen - das Ergebnis ist immer das gleiche. Ein Beispiel gefällig? Das Spiel wechselt die Einstellung, als wir uns in einer Schlacht mit anderen Schiffen befinden. Es setzt pompöse Musik ein und die immer gleichen drei Sprachaufnahmen werden wiederholt. Zuerst schlägt der Gegner zu. Dann müssen wir uns links oder rechts ducken oder bleiben in der Mitte stehen und halten den Angriff mit den richtigen Power-Ups auf. Das machen wir dann drei bis fünf Mal. Dann wechselt die Perspektive zu uns und wir wählen unseren Angriff aus den bereitstehenden Waffen aus. Je nach Gefährt stehen uns bis zu fünf davon zur Verfügung. So viel zum Ablauf. Der wiederholt sich dann, bis der Kampf überstanden ist.

Nicht ein einziges Mal während der achtstündigen Kampagne oder den Nebenmissionen bin ich ansatzweise in Gefahr gekommen. Einmal lese ich sogar Zeitung, während ich nebenbei eine Seeschlacht führe. Ein andere Mal spiele ich nur mit meiner linken Hand und einem Finger. Aus Spaß versuche ich mich später einfach nicht mehr zu ducken, wenn die Gegenangriffe anrücken. Es bleibt alles gleich: Ein langweiliger Kampf, den ich schließlich gewinne. Und genau daraus besteht der Hauptteil des Spiels.

Assassin's Creed: PiratesAssassin's Creed: PiratesAssassin's Creed: Pirates
Es fehlt leider an allen Stellen im Spiel die Abwechslung und mehr Inhalte müssten auch am Start sein.

Die unterschiedlichen Abkühlphasen der Waffen könnten das Ganze rein theoretisch aufregender machen. Doch maximal geraten wir in die Gefahr, dass ein Gegner während dieser Phase überhaupt angreift. Dann heißt es wieder links, rechts oder ducken, ohne, dass auch nur ein Hauch echter Gefahr aufkommt. Die Belohnungen, die wir uns verdienen, indem wir neue Crew-Mitglieder anheuern, spielen deshalb auch schlicht so gut wie keine Rolle, weil sie nur selten zum Einsatz kommen. Und warum zur Hölle ruft einer meiner Getreuen immer "Und nun trinken wir!", nachdem ein Schiff gesunken ist, obwohl wir uns schon lange auf dem Weg zum nächsten Feind befinden?

Alles wiederholt sich einfach zu oft. Dazu gibt es noch eine repetitive Steuerung und ein angstfreies Abenteuer. Der Schwierigkeitsgrad ist so gering, dass man fast einschläft.

Seht euch mal schnell das unten folgende Bild an. Die Aufgabe: Untersucht die Umgebungen nach einem Händler und einem versteckten Schatz. MEINT IHR, IHR KÖNNT DAS RIESIGE SYMBOL ERKENNEN, NACHDEM IHR SUCHEN SOLLT? ODER MÜSSEN WIR EUCH ERST MIT DER NASE DIREKT REINSTECKEN? Obwohl diese kleinen Rätsel die Grundlagen eines gesamten Arsenal von tollen Touch-Spielen sind, verwandeln sie die Spielmechanik in Assassin's Creed: Pirates in einen Witz.

Assassin's Creed: Pirates
Die Aufgabe: Untersucht die Umgebungen nach einem Händler und einem versteckten Schatz.

Es ist unbegreiflich: Ich habe noch nie ein Spiel dieser Art vor mir gehabt, bei dem ich vom Anfang bis zum Ende nicht einmal ansatzweise das Gefühl bekomme, herausgefordert zu werden. Und ich habe nur selten einen iOS-Titel gespielt, der so gut aussieht und so viel Potenzial bietet und mich gleichzeitig so gelangweilt hat. Sid Meiers Pirates! und Assassin's Creed IV: Black Flag haben schon gezeigt, wie solche Spiele aufgebaut sein müssen. Es müssten zum Beispiel wesentlich mehr Abwechslung und Inhalte am Start sein.

Die Entwickler könnten uns etwa selbst die Schiffe kapern lassen. Vielleicht sogar mit einfachen 2D-Schwertkämpfen oder in 3D im Stile eines Infinity Blade. Das wäre doch toll! Dazu würden auch den Angriffsmustern der Gegner einige Änderungen gut tun. Dazu noch ein paar mehr Kampfoptionen und richtige Rätsel, die ein bisschen mehr herausfordern als dieser "Finde den Schatz"-Mist. Man könnte mich wenigstens nach dem Schatz suchen lassen!

Selbst Gamelofts Backstab bot echtes Klettern und Piraten-Kram, wie wir ihn aus Assassin's Creed kennen. Und wenn schon nicht das, warum gibt es nicht mehr Abwechslung? Allein die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad einzustellen, hätte schon viel ausrichten können. Es hätte vielleicht nichts an der Monotonie geändert, aber das Spiel herausfordernder gemacht. Auf Reaktionen basierte Kämpfe können trotz ihrer Einfachheit Spaß machen - wenn es denn die Chance gibt, zu verlieren.

Assassin's Creed: PiratesAssassin's Creed: Pirates
Es gibt zauberhafte Sonnenaufgänge, dröhnende Winde, Schaum auf den Wellen und grandiose Boote.

Vielleicht ist es aber auch der Versuch, Unterhaltung für unerfahrene und junge Touch-Spieler zu liefern? Es ist möglicherweise sogar das maßgeschneiderte Assassin's-Creed-Abenteuer für ein Publikum, das normalerweise Farmville-Klone zockt. Zum Glück gibt es immerhin keine In-App-Käufe. Toll. Doch selbst dieses Publikum dürfte das Spiel schnell öde finden. Und Fans der Reihe dürfen schon gar keine großen Wunder erwarten. Es ist ein Assassin's-Creed fürs Casual-Pubilkum. Jippie!

Die Geschichte dreht sich um Alonzo Batilla und wird auf eine ebenso cartoonhafte wie langweilige "Oh wir haben so viel Spaß"-Weise vermittelt. Sie beschränkt sich auf das Geplänkel zwischen drei Piraten, ein paar Feinden und dem Gastauftritt von Kapitän Blackbeard. Dazu gibt es noch ein Abstergo-Fragment, damit die Fans sich nicht beschweren können, Ubisoft hätte den Assassin's-Creed-Teil völlig außen vor gelassen.

Und trotzdem ist es eine Schande. Der technische Teil des Spiels ist großartig. Rein optisch funktionieren alle Mechaniken wie sie sollen. Die interaktive Karte lässt sich sehr intuitiv benutzen. Auch die seichten Rollenspielelemente sind vertretbar. Einige Musikstücke klingen, als wären sie direkt aus Assassin's Creed IV: Black Flag übernommen worden und die Lichtreflexionen, der Nebel und das Leben auf See wirken großartig auf dem iPad Air. Gerade die letzte Karte bietet hervorragende Stürme, Lichtschimmer, Regenschauer und brechende Wellen. Das sieht alles wirklich toll aus!

Assassin's Creed: Pirates
Zum Glück gibt es immerhin keine In-App-Käufe gegen Echtgeld.

Es gibt zauberhafte Sonnenaufgänge, dröhnende Winde, Schaum auf den Wellen, springende Wale, Szenen wie auf Postkarten und einige grandiose Boote. Es macht Spaß zu segeln und mit ihnen auf Schleichfahrt zu gehen, wenn es in den Missionen verlangt wird. Auch das Fahren gegen die Zeit unterhält. Was nützt das aber, wenn man das Gefühl hat, ständig alles in jedem Match zu wiederholen und das während des gesamten Spiels? Die englischen Stimmen wirken schwach und nerven mit häufigen Wiederholungen. Das Entern ist purer Schwachsinn und selbst bei den Upgrades hoffen wir nur, dass wir bald so stark schießen, dass wir die Gegner schneller ausschalten und das langweilige Ausweichen im Links-Rechts-Tanz vermeiden.

Am schlimmsten wiegt wohl aber, dass - ist das Spiel einmal abgeschlossen - wir uns auf allen Karten frei bewegen können und jede Menge Nebenmissionen absolvieren. Und erst an diesem Punkt so richtig ins Spiel gezogen werden. Assassin's Creed: Pirates ist so verdammt schön anzusehen und hat so viel Potenzial. Wir kriechen förmlich in das Abenteuer hinein und die meisten Inhalte wurden richtig gut produziert.

Leider gibt es nach Abschluss der Hauptgeschichte kaum noch etwas zu erreichen. Vermutlich habt ihr zu diesem Zeitpunkt nämlich genug Geld gesammelt, um das teuerste aller Schiffe zu kaufen. Sicher habt ihr bis dahin auch schon alle Crew-Mitglieder angeheuert und das höchste Level als Piratenkapitän erreicht. Es geht nun also nur noch darum, auf allen Karten alles zu erreichen. Öde! Das Spiel hat so viel Potenzial und ich hoffe, dass zukünftige Updates mehr liefern. Ansonsten bleibt der Titel so mittelmäßig wie er jetzt ist.

Assassin's Creed: Pirates
Die Geschichte dreht sich um Alonzo Batilla und wird auf eine ebenso cartoonhafte wie langweilige "Oh wir haben so viel Spaß"-Weise vermittelt.

Allerdings geschieht noch etwas nach der Hauptstory, das Assassin's Creed: Pirates vor dem Sinken bewahrt. Denn plötzlich sind die Gegner wesentlich schneller, schlagen härter zu und endlich hat man sogar fast die Chance, auch mal zu sterben. Das Geschehen kommt nahe an den Zustand heran, Spaß zu machen - besonders beim Verteidigen während der Kämpfe.

Tatsächlich habe ich seit dem Beenden der Hauptgeschichte mein iPad immer wieder in die Hand genommen, um einige Nebenmissionen zu erledigen. Der Epilog liefert endlich eine erträgliche Schwierigkeitsstufe, die der Titel von Anfang an gebraucht hätte. Und das sage ich nicht aus der Sicht eines elitären Berufsspielers, sondern aus der Perspektive eines ganz normalen Durchschnittszockers und dessen Fähigkeiten und Verlangen, herausgefordert zu werden und unterschiedliche Erfahrungen zu machen.

Jetzt genieße ich es etwas mehr. In letzter Minute entscheide ich mich deshalb, die Note für Assassin's Creed: Pirates hochzusetzen. Doch dann ruft der Seemann wieder: "UND NUN TRINKEN WIR!" und das erinnert mich wieder daran, wie krass sich alles wiederholen wird in den nächsten Minuten. Dann doch eine Fünf für den Bier trinkenden Seefahrer.

05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
tolle Grafik, große Karten, guter Soundtrack, viele tolle Mechaniken, keine In-App-Käufe
-
repetitive Kämpfe, keine Herausforderung, sich wiederholende Stimmen
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
Assassin's Creed: PiratesScore

Assassin's Creed: Pirates

KRITIK. Von Lee West

Ubisoft greift sich das Segel-Element aus Assassin‘s Creed IV: Black Flag und macht daraus ein eigenständiges iOS-Spiel über das Piratenleben auf See.

0
Update für Assassin's Creed: Pirates

Update für Assassin's Creed: Pirates

NEWS. Von Martin Eiser

Ubisoft hat iOS und Android mit Assassin's Creed: Pirates auch ein bisschen vom Piratenflair aus Assassin's Creed IV: Black Flag spendiert. Für das mobile Abenteuer gab...

0
Kritik zu Assassin's Creed: Pirates

Kritik zu Assassin's Creed: Pirates

NEWS. Von Martin Eiser

Assassin's Creed: Pirates erzählt eine Geschichte abseits vom großen Abenteuer Assassin's Creed IV: Black Flag und ist exklusiv für iOS und Android entwickelt worden. Das...



Lädt nächsten Inhalt