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Defiance

Defiance

In der Zukunft ist die Erde der Heimatplanet von Menschen, aber auch von vielen Aliens. Wir waren als Ark Hunter in der neuen, harten Welt unterwegs.

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In der letzten Zeit musste ich ein paar schwere Veränderungen hinnehmen. Am Frühstückstisch musste ich zum Beispiel schwermütig einsehen, dass Scarlett Johansson jetzt mit jemand anderem zusammen ist. Die größte Veränderung war wohl aber der Wechsel von der wunderschönen, schwebenden Stadt Columbia in Bioshock Infinite zu den grauen und tristen Weiten in Defiance. Während meiner ersten Minuten in Trion Worlds unfassbar ambitioniertem Projekt fluche ich deshalb nicht nur unentwegt über die schlechten Texturen, sondern auch über die langweiligen Umgebungen und wie unfassbar hässlich ich meinen Charakter Kenta gestaltet habe.

Allerdings sollte man ein Buch bekanntlich nie nach seinem Einband beurteilen. Klar, Defiance zeigt sich besonders zu Anfang von seiner hässlichsten Seite. Wenn wir uns aber nur etwas Zeit nehmen, entdecken wir, dass der Titel mehr zu bieten hat als generische Umgebungen und einen stockenden Bildaufbau. Es ist ein wirklich ehrgeiziges Online-Action-Sci-Fi-Spiel sowohl für PC als auch Konsolen und erscheint zusammen mit einer dazugehörigen TV-Serie.

Die Hintergrundgeschichte spielt auf einem zukünftigen Planeten Erde, der nach exzessivem Terra-Forming nun das Zuhause für Menschen und Aliens aller möglichen Größenordnungen, Farben und Formen ist. Einige von ihnen sind freundlich, aber es gibt natürlich auch jede Menge Banditen, Mutanten und andere Kreaturen. Dazu gehören zum Beispiel die Hellbugs, welche regelrecht danach schreien, aufgemischt zu werden. Wie die Entwickler versprechen, soll die Geschichte des Spiels geschickt mit den Geschehnissen in der TV-Serie verknüpft werden. Ob das Spiel dabei am Ende ein bloßer Zusatz wird, bleibt noch abzuwarten, denn die Serie startet erst am 15. April.

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Als Mensch oder Irathian stellen wir uns nicht nur den Missionen der Hauptgeschichte, sondern auch vielen Nebenquests, Events und Mehrspielermatches.

Wenn sie dann aber über den Bildschirm flimmert, vermittelt sie die Geschehnisse hoffentlich besser als es Trion Worlds in ihrem Spiel gelingt. Es gibt keinerlei Erklärungen dazu, wie die Erde nun zu ihrem neuen Äußeren gelangt ist, warum der Krieg ausbrach und wer eigentlich wer ist. Oft ertappe ich mich dabei, wie ich ratlos auf dem Sofa sitze und den kaum lippensynchronen Sprechern dabei zuhöre, wie sie sich über Ark-Technologien und Ark-Kerne unterhalten. Es ist fast so, als hätte ich vier Folgen der Serie verpasst. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, sind die Dialoge noch dazu schlecht und die Charaktere so interessant wie schnöde Marines in Halo.

Richtig nervig ist zum Beispiel Cass mit ihren klischeehaften Anwandlungen eines harten Mädchens, das aber innerlich natürlich sehr verwundbar ist. Colonel Grant ist der typisch schreiende Colonel, dem wir schon in anderen Spielen des Öfteren begegnet sind. Und Karl von Bach ist regelrecht peinlich, wenn er Sprüche von sich gibt wie: "Ich werde ein Held sein!" oder "Wer ist denn dieses heiße Mädchen?" Zum Glück hält mein Charakter während der ganzen Zeit seinen Mund, selbst wenn das natürlich gelegentlich auch etwas seltsam wirkt - ihm ist nicht einmal ein "Hallo" zu entlocken. Stattdessen starrt er nur mit seinen toten Augen umher, aber das ist vielleicht ganz gut so.

Mein Charakter heißt Kenta und ist ein sogenannter Ark Hunter. Ausgestattet ist er mit einigen Waffen, EGO-Implantaten, einem mächtigen Kiefer und einer Nase, die so lächerlich groß ist, dass man sie als zweiten Schutzschild verwenden könnte. Im modernen Sinn ist Kenta so etwas wie ein Grabräuber, der sich auf Alien-Relikte spezialisiert hat und diese gewinnbringend verkauft. Da will man natürlich nicht, dass der eigene Charakter einen so massiven Unterkiefer hat, der fast dreiviertel des Gesichtes einnimmt - subtil ist das schließlich nicht gerade.

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Bei den Arkfalls versammeln sich dutzende Spieler an einem Ort, um gemeinsam gegen extrem schwere Hellbugs ins Gefecht zu ziehen, aber leider bricht bei zu vielen Teilnehmern die Bildwiederholrate erheblich ein.

Deshalb ist die Gestaltung unseres Charakters besonders wichtig. Wir spielen entweder als Mensch oder als Alien der Rasse Irathian. Mehr Auswahl gibt es nicht. Stattdessen aber vier Klassen, von denen wir uns eine passende auswählen: Veteran, Überlebenskünstler, Gesetzloser oder Maschinist. Aber all zu sehr ins Schwitzen kommen sollte man bei dieser Wahl nicht: Nach unseren bisherigen Erfahrungen im Spiel zu urteilen, sind die Klassen rein kosmetischer Natur. Viel wichtiger ist da dagegen die Wahl der EGO-Force.

Nachdem wir in der Eröffnungssequenz unsanft in San Francisco landen, können wir vier unterschiedliche Fähigkeiten ausprobieren und müssen uns dann für eine entscheiden. Mit dabei sind zum Beispiel Blur, durch das wir schneller laufen, Overcharge, durch das unsere Waffen größeren Schaden anrichten oder auch Cloak. Ich entscheide mich für Letzteres. Wie bei Prophet in Crysis 3 lässt sich damit ein Tarnmodus aktivieren, durch den wir unsichtbar werden. Diese Fähigkeit passt perfekt zu Kenta, der so hinter Feinde schleicht und ihnen gezielt mit der Schrotflinte in den Nacken feuert.

Zusätzlich zur Cloak lassen sich durch das Besiegen bestimmter Gegner oder auch Abschließen von Herausforderungen noch viele passive Fähigkeiten freischalten. Defiance bietet nicht nur Missionen zum Handlungsverlauf und Aufgaben, die sich direkt auf die TV-Serie beziehen. Auf der Karte finden sich stattdessen lose verteilt Nebenmissionen, Zeitaufgaben, zufällige Events und sogenannte Arkfalls. Die sind vor allem zwischen den Hauptmissionen unterhaltsam - und irgendwer braucht immer Hilfe und vor allem jemanden, mit einem schnellen Finger am Abzug.

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Die Welten sind oft grau und trist und gerade zu Anfang zeigt sich das Spiel von seiner hässlichsten Seite.

Bei den Arkfalls versammeln sich dutzende Spieler an einem Ort, um gemeinsam gegen extrem schwere Hellbugs ins Gefecht zu ziehen. Sie erscheinen ab und an auf der Karte und alles was wir brauchen, um teilzunehmen, ist ein Fahrzeug, das uns zum Ort des Geschehens befördert. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich die Playstation 3-Version gespielt habe. Die Teilnahme an den Arkfalls macht Spaß, allerdings wird der Bildschirm sehr schnell extrem voll. Gelegentlich bricht die Bildwiederholrate stark ein, wenn zu viele Spieler an dem Spektakel teilhaben wollen. Aber auch bei normalen Verhältnissen macht es nicht gerade Spaß, Kenta zu beobachten. Zu sehen, wie er bei zehn Bildern pro Sekunde in der Gegend herumhüpft, ist einfach nur nervig. Bei vielen Gelegenheiten verlieren sich dann sogar noch einige der Sound-Effekte.

Während der Koop-Missionen und anderen Mehrspieler-Events stabilisiert sich der Bildaufbau zum Glück wieder. Mehr Spaß macht da zum Beispiel Shadow War, in dem Teams mit bis zu 64 Spielern gegeneinander antreten. Leider gab es dann aber gelegentliche Server-Probleme. Immerhin: Mir gefällt, wie leicht es ist, Spiele zu finden und an ihnen teilzunehmen. Mit nur wenigen Knopfdrücken springen wir direkt in ein schnelles Match und gehen mit anderen Spielern auf Raubzug. Doch hier gibt es ebenfalls wieder Probleme. Die Chat-Funktion wurde für die Konsolen-Variante nicht gerade optimal umgesetzt und in der Folge nutzen wir sie deshalb nie.

Ausspielen kann Defiance seine Stärken dafür im normalen Handlungsverlauf und in den Nebenmissionen. Dabei hat Trion Worlds einen einfachen Weg gewählt: Wir müssen nicht zwangsläufig bereits in einer Gruppe sein oder mit Einladungen um uns werfen, um andere um Hilfe zu bitten. Es reicht schon, einem anderen Spieler zu begegnen, der am selben Ort ist - schon können wir einander unterstützen.

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Gemeinsam mit anderen Spielern fällt die Schwäche der künstlichen Intelligenz kaum auf, aber im Alleingang wird sie dafür umso deutlicher.

Einige der besten Spielmomente erlebe ich während einer riesigen Bedrohung, die mich bereits zu Boden gerungen hat. Wie aus dem nichts taucht plötzlich ein anderer Spieler auf und belebte mich wieder. Seite an Seite nehmen wir dann den vorher übermächtigen Gegner auseinander. Andererseits ist das Sterben in diesem Spiel nicht ganz so dramatisch. Wir starten danach nur wenige Meter entfernt neu und verlieren ein paar Münzen der Spielwährung.

Defiance konzentriert sich nicht so sehr auf das Leveln der Charaktere. Stattdessen gibt es ein umfangreiches Waffenarsenal, das sich aufrüsten lässt. Mit vielen unterschiedlichen Arten von Angriffswerkzeugen, richten wir unsere Figur nach dem gewünschten Spieltyp aus. Wie bei vielen moderneren Action-Titeln können wir zeitgleich nur zwischen zwei Waffen wählen. Schnell habe ich mich dabei auf eine Kombination aus Schrotflinte und Scharfschützengewehr festgelegt. Dabei wird der Umgang mit beiden immer einfacher je besser meine Fähigkeiten mit der Force werden. Am Ende bedarf es dennoch vieler vieler abgeschossener Mutantenköpfe damit meine Schrotflinte endlich mehr Schaden anrichtet und schneller nachlädt.

Ohne die vielen Waffenarten und Verbesserungen hätten die Kämpfe schnell monoton werden können. Die Gegner stellen sich oft nicht klüger an, als kopflos auf uns zu zu stürmen. Sind wir im Team oder einer größeren Gruppe unterwegs, denken wir über die künstliche Intelligenz kaum nach, deren Schwäche wird vor allem im Alleingang mehr als deutlich. Oftmals können die Feinde nicht mehr als ein paar Meter weit vor sich sehen und wenn wir sie abschießen, geben sie alle dasselbe Todesgeräusch von sich.

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Schon früh bekommen wir unser erstes Quad, das später noch ausgebaut und verbessert werden kann - oder wir entscheiden uns für ein komplett anderes Fahrzeug.

Es fiel mir am Ende schwer, mich auf eine Note für Defiance zu einigen. Es gibt unübersehbare Probleme mit dem Bildaufbau, einige Verzögerungen, alle Arten von Grafikproblemen und Störungen mit dem Server wie bei Shadow War. Die Geschichte wird schlampig erzählt und die Charaktere sind kurz gesagt irritierend. Auf der anderen Seite können viele dieser technischen Probleme in Zukunft durch Updates ausgebessert werden und die Action könnte noch größer werden, wenn auch die TV Serie startet.

Das reine Gameplay macht mehr Spaß, auch wenn die Umgebungen teilweise trist sind und einige einfallslose Design-Entscheidungen nicht zu übersehen sind. Die Steuerung funktioniert reibungslos und es macht auch irgendwie süchtig, in unserem Gefährt in der Gegend herumzufahren, mit anderen Spielern Missionen abzuschließen und unsere Waffen zu verbessern. In Mehrspielermatches einzusteigen ist einfach und es gibt immer, wirklich immer etwas zu tun oder Neues zu entdecken.

Am Ende ist es nun eine schwache Sieben geworden. Ich bin gespannt, zu sehen, wie die Interaktion zwischen Spiel und Serie funktionieren wird. Wird beides geschickt miteinander verknüpft und die technischen Fehler behoben, hat Defiance das Potenzial dazu, etwas wirklich Großes zu werden. Im Moment aber fühlt es sicher eher unfertig an.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
es gibt viel zu tun, großes Waffenarsenal, Zusammenarbeit mit anderen Spielern, Suchtfaktor
-
dumme Gegner, schlechte Bildwiederholrate, verschwommene Action, langweiliges Design
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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