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Persona Q2: New Cinema Labyrinth

Persona Q2: New Cinema Labyrinth

Stefan verabschiedet sich vom Nintendo 3DS mit einem fulminanten Abschluss für echte Rollenspielfans.

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Persona Q2 hat mich in den letzten Monaten immer mal wieder von der Arbeit gerettet. Es ist einer der letzten 'großen' Titel für den Nintendo 3DS und könnte wohl kaum nischiger sein. Atlus führt das 2014 gestartete Dungeon-Crawler-RPG im Persona-Universum fort und bringt alles zusammen, was die Fans des Franchise in den letzten 13 Jahren lieben gelernt haben. Ihr wisst vielleicht, dass ich eine Affektion für die Reihe habe, seit ich das fantastische Persona 5 mit meinem besten Freund zusammen erlebt habe. Persona Q2: New Cinema Labyrinth nutzt das fein für sich aus, um ein Fest für seine Fans herzurichten.

Der Titel lässt es bereits vermuten; wir begeben uns erneut in die merkwürdige Schattendimension, in der gefährliche Mächte ihr Unwesen treiben. Als die Phantom Thieves gerade durch die Tiefen Mementos' reisen, verliert Mona (das ist eine sprechende Katze, ein treuer Vertrauter und gleichzeitig ein Tourbus) plötzlich die Kontrolle und rast geradewegs auf eine Leinwand zu. Diese bringt uns in einen Krimi, wo die Gruppe einem alten Widersacher begegnet. Als die Gruppe zurückehren will, landet sie plötzlich in einem Kino, dem Handlungsort von Persona Q2. Von dort aus erkunden wir verschiedene Filme, die wir von innen heraus verändern werden. All das hat mit der neu eingeführten Figur Hikari zu tun, der wir im Kino begegnen. Sie und ihre Begleitung Nagi gehören mit einem mysteriösen Schattenwesen namens Doe gewissermaßen zum Ambiente dieses Ortes, doch natürlich verbirgt sich hinter all dem mehr, als wir zunähst annehmen.

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Warum gibt es dich nicht für die Switch, Persona Q2?!
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In den Filmen begegnen wir nacheinander den Mitgliedern des Investigation Teams aus Persona 4, sowie den Persona-Nutzern des Specialized Extracurricular Execution Squad (kurz SEES) aus Persona 3 FES. Das sind insgesamt 25 spielbare Charaktere und drei Navigatoren, die wir selbstständig leveln und spezialisieren können. Wer aufmerksam mitzählt dürfte jetzt stutzig werden, denn es gibt eine Anomalie in Form der weiblichen Persona-3-Protagonistin. Die ist natürlich auch mit von der Partie, ebenso wie unsere strategischen Berater und Aufseher aus dem Velvet Room. Dieser bunte Haufen an größtenteils aufregenden Charakteren wird im Verlaufe der Geschichte schrittweise freigespielt, viele Figuren stehen also nicht von Anfang an zur Verfügung. Da wir allerdings nur mit fünf Personen gleichzeitig in die Filme schreiten dürfen, ist und bleibt die Teamwahl eine schwere Entscheidung.

In der Leinwand erwarten uns vier erkundbare Labyrinthe, die wir im klassischsten Dungeon-Crawler-Stil durchschreiten. Zufallsbegegnungen stoppen uns alle paar Schritte und stellen sicher, dass wir für die kommenden Tiefen gerüstet sind. Wir sollten dabei aufmerksam jeden Fortschritt auf der Karte markieren, glücklicherweise übernimmt der 3DS das nervige Herumgekritzel auf dem unteren Bildschirm, wenn wir es ihm in den Optionen erlauben. Besondere Stellen und Hinweise solltet ihr euch trotzdem festhalten, damit ihr nicht verloren geht.

Jedes Labyrinth erstreckt sich über mehrere Flure, die einem gewissen Szenario folgen. Häufig wurden thematisch passende Funktionen eingeführt, die zum jeweiligen Setting passen und in späteren Labyrinthen nicht mehr zum Einsatz kommen. Die Erkundung verläuft so reibungslos, dass man die Spielfortschritte fast in Etappen zusammenfassen könnte. Und wie viel Erfahrung Atlus mit der Erstellung von Dungeon-Rollenspielen im Stile von Etrian Odyssey hat beweist der Rucksack, der auffällig häufig erst dann voll ist, wenn wir eine Abkürzung freigeschaltet haben und zum Hauptpfad des aktuellen Flurs zurückgekehrt sind...

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Persona Q2: New Cinema LabyrinthPersona Q2: New Cinema Labyrinth
Dieses Spiel weiß sich zu inszenieren und spielt die eigenen Stärken gekonnt aus.

In den Kämpfen wollen wir einen Gegner möglichst schnell in einen kampfunfähigen Zustand versetzen, indem wir auf seine Schwäche abzielen. Können alle Feinde gleichzeitig auf diese Art und Weise verwundet werden, erhalten wir die Chance auf eine cool animierte und sehr mächtige All-Out-Attacke, die hohen Schaden verursacht und Zufallskämpfe in den meisten Fällen beendet. Das ist aber nur eine Möglichkeit, um einen Kampf zu gewinnen.

Nach wie vor ist es das SP-Management (quasi Mana) ein Problem, das lange Grind-Sessions entgegenwirken soll und bewirkt, dass wir uns regelmäßig zurückziehen müssen. Zu identifizieren welche Stärken und Schwächen ein Feind besitzt kann aufgrund komplizierterer Gegnerkonstellationen in tieferen Labyrinthen eine anstrengende Sache werden, auch weil wir natürlich ein breit aufgestelltes Team mit vielen Angriffsarten benötigen, um die komplette Bandbreite abzudecken.

Interessant ist im Late-Game die Vielfalt an verfügbaren Kampfoptionen. Hassou Tobi ist nicht mehr die einzige sinnvolle Attacke, da wir uns zum Beispiel auf CC-Circle, Binds, Link-Attacken und die bekannte Debuff-Buff-Rotation spezialisieren können. Ich habe mich ausgiebig damit beschäftigt und war zufrieden von den unterschiedlichen Ergebnissen, obwohl das Hauptlevel ab einem gewissen Level natürlich zum bestimmenden Faktor wird.

Neueinsteigern würde ich Persona Q2 nicht empfehlen, weil die Kämpfe der absolute Overkill in Sachen Komplexität sind. Selbst wenn ihr Erfahrung mit JRPGs habt, ist der Einstieg aufgrund der übermäßigen Anzahl an Systemen nicht leicht: All-Out-Attacken, der Batton-Pass, aktive und passive Talente unserer Navigatoren, ein ganzer Sack voll Items und über 250 Sub-Personas wollen eure Aufmerksamkeit. Der Umfang ist absurd, da Atlus natürlich weiß, dass die alten Dungeon-Crawler nicht mehr mit ihrem Gameplay überzeugen können.

Dafür punktet das Rollenspiel in den ruhigen Situationen umso mehr: Banale Gespräche über die irrsinnigsten Themen werden Fans der Persona-Reihe ein Lächeln auf die Lippen zaubern, selbst bei unbeliebten Charakteren ist man davor kaum sicher. Das alles ist super japanisch und wahrscheinlich oberflächlich, gleichzeitig entfaltet sich durch die punktuellen Kommentare der warme Zauber einer tollen Gruppe von Freunden, von der zumindest ich gerne ein Teil wäre. Es kommt immer wieder zu Überschneidungen und Gemeinsamkeiten zwischen diesen vielen Personen und das mitzuerleben, ist eines der schönsten Dinge von Persona Q2.

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Anstatt sich zu entscheiden hat Atlus' Persona-Team einfach alle Kampfmechaniken aus den drei letzten Persona-Hauptablegern eingebunden.

Die Fetch-Quests aus dem Originalspiel wurden ordentlich angepasst und laufen nun unter dem Banner der "Special Screenings". Nehmen wir eine solche Mission an, gelangen wir in einen abgegrenzten Bereich, in dem unser Ziel ausfindig machen müssen. Häufig hängt die Aufgabe mit einem oder mehreren Charakteren zusammen, die während dieses Auftrags besonders im Rampenlicht stehen. Da ihr sicher nicht alle Charaktere gleichzeitig levelt (das wäre wirklich zu viel des Guten), profitieren die entsprechenden Spielfiguren von temporär gesteigerten Werten, damit ihr sie ruhigen Gewissens mitnehmen könnt und eure Konstellation ab und zu aufbrecht. Nicht all diese Special Screenings sind gut geworden, aber insgesamt machen sie echt Spaß und stellen eine tolle Ablenkung vom sich manchmal etwas erschöpfenden Fortschritt in den Hauptlabyrinthen dar.

Das Art-Team vom Persona-Studio unter Führung des Design Directors Naoya Maeda hat hervorragende Arbeit geleistet, um das Letzte aus dem 3DS rauszuholen. Ich kenne PS4-Titel, die schlechter aussehen und künstlerisch so viel weniger hermachen, als dieser Augenschmaus. Die Charakter-Sprites mögen nicht sehr hochaufgelöst sein (was vor allem auf dem Nintendo 2DS XL auffallen dürfte), doch die geringe Leistung wurde mit vielen schlauen Einfällen umgegangen und durch eine hochwertige Design-Philosophie ausgeschöpft. Nennenswert ist in erster Linie das bestechende Chibi-Design und die reduzierte Detailmenge, wodurch ironischerweise jeder einzelne dieser Charaktere betont wird:

Die extravagant gekleideten Phantom Thieves nehmen zum Beispiel bereits allein durch ihre auffälligen Outfits viel visuellen Raum ein, doch daneben können die aus heutiger Sicht wahrscheinlich langweilig wirkenden Studenten der Gekkoukan Highschool souverän auftreten und gehen optisch nicht verloren. Das Studio hat sich auf das Herausstellen grundlegender Unterscheidungs- und Alleinstellungsmerkmale konzentriert, um das klare Figuren-Design aus über einem Jahrzehnt Persona in diesem Spiel zusammenkommen zu lassen. Das ist echte Handwerkskunst und umso beeindruckender, wenn man das Ergebnis auf einem 3DS-Handhelden in Bewegung sieht.

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Persona Q2: New Cinema LabyrinthPersona Q2: New Cinema Labyrinth
Selbst wenn ihr kein Labyrinth-Fan seid, könnte sich dieses Spiel für euch lohnen - sofern euer Herz für Japan schlägt.

Was ansonsten noch gelobt werden muss ist der Soundtrack, der sich aus vielen ikonischen Titeln der drei letzten Haupt-Persona-Spiele zusammensetzt. Einige weitere Soundtracks lassen sich zudem kostenlos herunterladen und in den Mix mischen, damit die Kämpfe nicht zu monoton werden. Das Thema DLC verdient eigentlich keine Nennung, aber es ist halt da und verringert den Grind, wenn ihr weniger lange spielen wollt (und dafür bereit seid, ein paar Euro zu investieren). Das muss jeder selbst wissen, ob man mit hohem Level durch die Labyrinthe stapfen sollte und alle Kämpfe überspringt. Für nötig habe ich es nicht gehalten, das Spiel ist nämlich insgesamt deutlich fairer als sein Vorgänger.

Und damit sollen wir wirklich langsam zum Ende kommen. Ich liebe Persona und deshalb finde ich auch Persona Q2: New Cinema Labyrinth fantastisch. Der rundenbasierte Kampf in Kombination mit dem akribischen Nachzeichnen der Labyrinthe auf der alten Hardware ist natürlich etwas, mit dem man sich arrangieren muss. Atlus hat viel dafür getan, diese Komponenten so angenehm wie möglich zu gestalten, und der Titel sieht (und klingt) absolut spitze auf dem Handhelden aus. Für Persona-Fans wird sich dieses Abenteuer zweifelslos lohnen, denn es ist die ultimative Huldigung einer extravaganten und bedeutenden Spielereihe.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Persona-Charme verzaubert Fans, audiovisuelle Präsentation überzeugt auf ganzer Linie, Grind ist erträglicher geworden, gewaltiger Umfang.
-
Labyrinth-Gameplay ist trotzdem nicht gerade spannend, nicht alle Figuren werden gleichbedeutend einbezogen, unnötige DLC-Politik.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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