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Octopath Traveler

Octopath Traveler

Mit gleich acht Heldenfiguren geht Square Enix auf der Switch an den Start. Hat der Entwickler einen Geheimtipp für Fans von Japan-Rollenspielen geschaffen?

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Es hat eine kleine Ewigkeit gedauert, bis ich einen passenden Vergleich für Acquires neues Japan-Rollenspiel Octopath Traveler fand. Letztendlich bin ich spannenderweise bei Bravely Default hängen geblieben, ein sehr feines Werk auf dem Nintendo 3DS. In diesem Spiel habe ich meine Liebe zum Grinden entdeckt, denn das nimmt neben dem Kampf und der Story im Zusammenspiel mit der Charakterentwicklung eine große Rolle ein. Octopath Traveler gab mir ein ähnliches Gefühl, beschritt im Endeffekt aber ganz andere Wege...

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Nach vielen Spielen der letzten Jahre hat es die eckige Pixel-Optik aktuell nicht leicht. Ich habe mich beim Spielen auch immer wieder gefragt, ob Octopath Traveler nicht von einem klareren Stil profitiert hätte.

In Octopath Traveler erleben wir die Geschichten von nicht weniger als acht Recken, die auf ihrer Reise durch das mystische Land von Osterra jeweils vier spannende Abenteuer erleben. Diese non-linearen Geschichten haben keinerlei Verknüpfungspunkte und können in beliebiger Reihenfolge erledigt werden. Vorherbestimmte Levelbeschränkungen helfen uns allerdings dabei, den einfachsten Weg durch das Spiel zu finden.

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Diese Missionen sind so geschrieben, dass stets nur der jeweilige Protagonist im Vordergrund der Szene steht. Wenn dieser aber zum Beispiel in einen für den Handlungsverlauf wichtigen Hinterhalt gerät, vergisst das Spiel, dass wir ja eigentlich zu acht unterwegs sind und uns sehr gut gegen solch unlautere Tricks zu verteidigen wüssten. Böse bin ich Acquire deshalb nicht, aber es zeigt eben, dass die unterschiedlichen Gruppenmitglieder kaum aufeinander eingehen. Deshalb muss man sich eben auch die Frage gefallen lassen, wieso es überhaupt acht Charaktere gebraucht hat.

Die einzigen Momente, in denen mehr als ein Charakter mit den anderen Mitgliedern der Reisegruppe interagiert, sind die sogenannten Geplänkel. Abhängig vom Storyverlauf und der aktiven Party beginnt an vorherbestimmten Orten ein optionales Gespräch zwischen zwei oder mehr Figuren, die uns etwas über die aktuelle Gefühlslage der Akteure erzählen. Diese Gespräche geben uns interessante Einblicke in die Motivation bestimmter Akteure und lockern den Spielfluss etwas auf.

Es gelingt Acquire sehr gut, all die unterschiedlichen Berufe in ein Spiel zu packen und Motivationen und Beweggründe ansprechend zu veranschaulichen. Die Ausarbeitung der Spielfiguren und der Geschichten liegt jedoch nicht auf einem Niveau, weshalb die jugendlichen Abenteuer der kindlicheren Figuren ultimativ nicht gegen die bedachten Missionen der erwachsenen Gruppenmitglieder bestehen. Einige Situationen wirken dadurch unfreiwillig lächerlich und teilweise sehr naiv.

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Im Kampfverlauf sammeln unsere Krieger Boost-Punkte, mit denen sie Angriffe verstärken oder die Anzahl verfügbarer Attacken in die Höhe treiben.

Octopath Traveler nutzt rundenbasierte Strategiekämpfe, in denen die Figuren nacheinander agieren und wir jederzeit sehen, wer wann an der Reihe ist. Finden wir eine Schwäche in der gegnerischen Verteidigung und greifen mit entsprechenden Attacken wiederholt an, unterbrechen wir den feindlichen Zug und lassen unseren Widersacher schutzlos zurück. Diese sogenannte Bruch-Mechanik kommt vor allem bei den regelmäßigen Bossgegnern zum Einsatz, die sich in späteren Auseinandersetzungen gern mal gegen bestimmte Schwächen schützen oder ihr Wesen im Schlachtverlauf ändern.

Diese Kampfmechanik ist gleichzeitig der Grund, warum wir so sehr auf unsere Gruppenkonstellation achten müssen. Nutzen drei von vier aktiven Abenteurern Fähigkeiten und Attacken, gegen die ein Feind resistent ist, werden wir große Probleme im Kampf bekommen. Haben wir den Verteidigungswall eines Gegners aber erstmal gebrochen, agiert dieser bis zum Ende des nächsten Zuges nicht. In dieser Zeit verursachen alle Angriffe auf das Ziel deutlich erhöhten Schaden und wir bekommen zudem eine Verschnaufpause, um uns zu regenerieren oder Angriffe vorzubereiten.

Visuell bietet Octopath Traveler eine reduzierte Retro-Aufmachung aus dem 16-bit-Zeitalter. Trotz der technischen Beschränkungen werden kleine Details an der Kleidung oder in der Umgebung eingefangen, lediglich die wenigen Animationen wirken unnötig veraltet und staubig. Beim Design fallen ansonsten noch die schönen Partikeleffekte auf, die den sehr statischen Kampfverlauf angenehm aufbrechen. Wann immer wir den Verteidigungswert eines Gegners durchbrechen, explodiert der Bildschirm förmlich in einem Farbenfeuerwerk. Noch ein Stück hübscher wird es, sobald wir mehrere Gegner mit der gleichen Attacke in diesen Zustand versetzen.

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In der freien Bewegung steht jedem der acht Figuren eine einzigartige Wege-Aktion zur Verfügung. Damit absolvieren wir einfache Quests und sammeln zusätzliche Ausrüstung für unsere Party.

Die Welt von Osterra ist mit ihren vielen Bereichen hübsch anzusehen und mir gefällt der verschachtelte Kartenverlauf mit all seinen kleinen Geheimnissen. Insgesamt überzeugt mich die Präsentation von Octopath Traveler letztlich aber nicht und das hat einige Gründe. Höhlenareale gleichen sich zu sehr und sind generell zu dunkel geraten, die lichten Gebiete hingegen werden mit einem aufdringlichen Unschärfe-Filter überlagert, der viel zu viele Details abschneidet. Auf dem kleinen Bildschirm der Nintendo Switch habe ich sehr gern und lang gespielt, das Erlebnis auf dem großen Fernseher empfand ich oftmals als langweilig und unspektakulär.

Was mir persönlich am meisten fehlt sind richtige End-Game-Inhalte, denn Octopath Traveler endet recht abrupt nachdem die Geschichte jedes Akteurs zum Abschluss gekommen ist. Es gibt zwar noch einige zusätzliche Bereiche mit sehr schwierigen Bossgegnern, das ist jedoch alles verhältnismäßig überschaubar. Ganz zum Schluss können begabte Spieler noch einmal völlig neue Laufbahnen für die Charaktere freischalten, die wiederum nicht groß zum Einsatz kommen (können), weil es schlicht und ergreifend nichts mehr zu tun gibt. Ich hatte großen Spaß daran unterschiedliche Charakter-Builds auszuprobieren, doch sobald es an Herausforderung mangelt, fällt diese Motivation flach.

Versteht mich nicht falsch, im Grunde will ich gar nicht meckern. In einer Woche habe ich 65+ Stunden in Octopath Traveler investiert, das spricht ja für sich. Die Episodenmissionen empfand ich anfangs ein stückweit belanglos, später haben die Textsequenzen angenehm zur Auflockerung des repetitiven Kampfes beigetragen. Fans von Grind-RPGs finden strategische Tiefe im Rundenkampf und Individualität im Charaktersystem - obwohl es ebenso nervig sein kann, diese Reise mit einer der eingeschränkteren Charakterklassen zu starten. Dieser Titel mag in einem alten Gewand verpackt sein, doch Acquire liefert mit modernen Ideen und solidem Handwerk eine ordentliches Gesamtpaket ab.

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Obwohl das Spielgeschehen von Octopath Traveler so gleichförmig ausfällt, hatte ich eine schöne, wenn auch unaufgeregte Zeit mit dem Spiel. Schade, dass es am Ende einfach vorbei war.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Erfrischend eigene Kampfmechanik; Berufe und Zweitlaufbahnen ergeben spannende Möglichkeiten der Charakterentwicklung; Professionen werden ernsthaft rübergebracht; individuelle Wege-Aktionen beschäftigen.
-
Klasse des Protagonisten kann bis zum Ende des Spiels nicht ausgetauscht werden; kaum Endspiel-Inhalte; Storys und Partymitglieder haben kaum Anknüpfpunkte.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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