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Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs

Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs

Level-5 hat sich viel Zeit genommen, um Rollenspielfans in einem mitreißenden Abenteuer zu verzaubern.

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Evan Pettiwhisker Tildrum ist ein fantastischer und liebevoll konzipierter Charakter. Mit seinem unerschütterlichen Glauben an das Gute berührt er uns im Laufe der mindestens 40 stündigen Geschichte immer wieder. Obwohl Evan zu Beginn des Spiels seine komplette Familie und das gesamte Königreich verliert, ist es nicht das Mitgefühl, das uns mit dem Jungen mitfiebern lässt. Es sind seine Ideale und die Hingebung, mit der er versucht die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dabei ist es auch völlig egal, dass es sich Level-5 bei verschiedensten Charakteren und der Geschichte selbst an einigen Stellen zu leicht macht, denn Evans Abenteuer fesselt durch schiere Zauberei.

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Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs verbessert etliche Aspekts von Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin. Diejenigen Elemente, die nicht erweitert werden, wurden ersetzt oder abgeworfen.

In Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs erleben wir die Geschichte des jungen Prinzen Evan. Nach dem frühzeitigen Ableben seines Vaters muss er hilflos mitansehen, wie ein verräterischer Berater einen Staatsstreich anführt und gewaltsam die Krone an sich reißt. Gleichzeitig taucht ein mysteriöser Fremder namens Roland auf, der ihm fortan nicht mehr von der Seite weicht und zu einem engen Freund wird. Die beiden beschließen sich dazu ein eigenes Königreich aufzubauen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dabei bekommen sie es nicht nur mit eigensinnigen Herrschern zu tun, sondern auch mit bösen Mächten und gefährlichen Monstern. Das mag manchen Spielern zu voraussehbar sein, doch für Kinderherzen bedarf es bei einer solch großartigen Inszenierung gar keiner komplizierten Handlung - es bedarf nur ein Fünkchen Magie.

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Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin war bereits ein tolles Spiel, doch es hatte seine sehr berechtigten Kritikpunkte. Für den Nachfolger hat sich Level-5 sehr viel Zeit genommen, sogar um einiges mehr als ursprünglich geplant. Das merkt man dem Nachfolger in mehrerer Hinsicht an, sowohl im guten, als auch im schlechten Sinne. Wann immer zum Beispiel eine neue Mechanik eingeführt wird tauchen Textboxen auf, die die näheren Zusammenhänge erklären. Angesichts der schieren Masse an wichtigen Features ist es aber gar nicht so leicht, sich das alles sofort zu merken. Neben Higgeldies und ihren Bonuseffekten im Kampf müssen Ausrüstungsgegenstände, Zauber und Feindtypen bedacht werden, dazu gesellt sich eine unübersichtliche Anzahl an Crafting-Optionen und das Management unseres eigenen Königreichs. Durch all diese Bestandteile entsteht ein wahnsinnig vielschichtiges Spielerlebnis, dem es trotz seiner Komplexität gelingt uns mit Detailverliebtheit und Geduld ein wohlportioniertes und geschmacksvolles Gericht zu servieren.

Beim Gameplay hat Level-5 ein vielfältiges Erlebnis geschaffen, das eine famose Rollenspielstruktur mit actiongeladenen Kämpfen und Aspekte einer Aufbausimulation verbindet. Der Perspektivwechsel im Spiel symbolisiert die unterschiedlichen Säulen von Ni no Kuni II: Zum einen folgen wir Evan und seinen Verbündeten in der frei beweglichen dritten Person, in der wir Städte oder Dungeons erkunden und Kämpfe absolvieren. Große Teile des Spiels finden ansonsten in der isometrischen Sicht statt, in der unsere Figuren im Chibi-Stil (insgesamt sehr klein, dafür mit überproportional großem Kopf) darstellt werden. Diese Perspektive kommt zum Beispiel in der Königreichansicht zum Tragen und erleichtert außerdem die Orientierung auf der Weltkarte. Auch während der Schlachten findet die Isoperspektive Verwendung, um uns mehr Überblick über die Lage und die unterschiedlichen Armeen zu geben.

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Auch wenn das Animationsstudio nicht offiziell beteiligt ist schreien die Welt, ihre Charaktere und die Magie nach Ghibli und Fans des Originals werden das begrüßen.
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Der Königreichmodus weist viele Aspekte eines klassischen Aufbaustrategiespiels auf. Erbaute Gebäude erhöhen die Menge gesammelten Goldes pro Minute, verschlingen jedoch hohe Investitionskosten. Wir häufen diese Extrawährung nebenbei an, während wir uns auf Missionen befinden, wodurch die nachvollziehbare Entwicklung unseres Reiches an Fortschritte in der Geschichte gekoppelt wird. Viele neue Gebäude bringen eigene Forschungsgebiete mit sich, die wiederum Vorteile für verschiedenste Bereiche bereithalten. Die wichtigste Komponente unseres Reiches sind jedoch Evans individuelle Untertanen, die je nach Vorlieben in Gärten, Minen oder auf dem Markt Ressourcen sammeln oder uns bei Forschungen zur Hand gehen.

Wenn Evans Freunde es mit großen Gruppen von Feinden zu tun bekommen, dann müssen wir unsere Armeen auf das Schlachtfeld rufen. Im klassischen Schere-Stein-Papier-Prinzip wollen Vor- und Nachteile von Einheiten gegeneinander ausgenutzt und gewiefte Strategien entwickelt werden. Wir bleiben in diesen Auseinandersetzungen in Evans Rolle, er wird jedoch von bis zu vier Truppführern und deren Soldaten umgeben. Mit den beiden Schultertasten rotieren wir die Formationen im oder entgegen des Uhrzeigersinns um unsere eigene Achse herum und weichen damit Geschossen aus und nutzen die jeweiligen Angriffsboni. Verteidigungsanlagen, eine eigene Militärwährung und Zwischenbosse verfeinern diesen Spielmodus, der schon nach kurzer Zeit arg im Schwierigkeitsgrad anzieht. Man muss sich da ziemlich reinfuchsen, weil diese Komponenten in Nebenmissionen und im späteren Verlauf der Geschichte bestehen bleibt.

Gerade der Anfang von Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs trumpft mit starken Thematiken, Szenerien und tollen Ideen auf, allerdings kann dieses eingangs sehr hohe Niveau nicht bis zum Ende aufrechterhalten werden. Den späteren Königreichen mangelt es zwar nicht an Ideen, doch ein bisschen mehr Abwechslung hätte sicher auch nicht geschadet. Bestimmte Abläufe wiederholen sich nämlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit und große Überraschungen bleiben insgesamt aus. Diese Gleichförmigkeit ist in mehreren Aspekten ersichtlich, allem voran beim Feind-Design: Nach nur wenigen Stunden kennen wir bereits alle Gegnerarten, spätere Variationen unterscheiden sich fast ausschließlich optisch davon. Nach der Kreaturenvielfalt des ersten Spiels ist das ein deutlicher Rückschlag, weil wir viel Kämpfen werden.

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Nur sehr wenigen Spielen gelingt es so viele unterschiedliche Spielkomponenten unter einen Hut zu bringen und dabei eine eigene Form zu wahren.

Ganz im Gegensatz dazu stehen die häufigen Ladepausen, die unser Spielerlebnis prägen werden, und die Quests, die zwar häufig liebevoll umgesetzt, aber eben auch selten wichtig oder gar sinnvoll sind. Für unser Königreich müssen wir zum Beispiel neue Bewohner gewinnen und dazu suchen wir regelmäßig bekannte Orte auf und halten nach neuen Aufträgen Ausschau. Hier beweist sich Evan als Botenjunge, begibt sich auf Sammelquests (die aber nie lästig werden) und macht sich die Hände schmutzig, um motivierte Talente in das eigene Königreich zu locken. Gegen Ende unserer Spielzeit sind die Straßen verbündeter Reiche dann quasi wie leergefegt, schließlich hängen alle Personen von Interesse bei uns ab. Natürlich stehen zu diesem Zeitpunkt ohnehin ganz andere Facetten des Spiels im Vordergrund.

Obwohl Studio Ghibli nicht an Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs beteiligt ist, tauchen in den Credits einige bekannte Namen des berühmten Animationsstudios auf und die Spielwelt kann ihre vielen Einflüsse auch kaum verbergen. Das Charakterdesign, die Gestaltung der Umgebungen und nicht zuletzt die Higgeldies teilen die gleiche Magie und durch den sehr eigenen Grafikstil wirkt Evans Abenteuer wie ein richtiger Märchencomic zum Mitspielen. Einige Areale sind stellenweise derart malerisch gestaltet worden, dass sie der Qualität der In-Game-Videosequenzen Konkurrenz machen. Und obwohl der Präsentationsstil auf dem ersten Blick gewöhnungsbedürftig wirken mag, sieht das Ergebnis in der natürlichen Bewegung noch viel besser aus, als auf den Screenshots. Ein großes, eigenes Lob verdient die Soundkulisse, die nichts Geringeres als fantastisch ist. Level-5 bedient sich zwar zu weiten Teilen der Musik aus dem Erstling, erweitert das bereits grandiose Orchester jedoch an vielen Stellen sehr sinnvoll. Die audiovisuelle Qualität ist auf hohem Niveau und unterstreicht die emotionale Geschichte.

Mit Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs hatte ich eine wahrlich magische Zeit. Evan und seine Freunde sind sympathische Charaktere und die Welt ist eine unglaubliche Wucht. Ich verzeihe dem Spiel seine Fehler sehr gerne, denn die starken Momente der Geschichte berührten mich und hallen zum Teil bis heute nach. Obwohl dem Titel zum Ende hin etwas die Luft ausging habe ich nach weit über 60 Stunden überaus sehr zufrieden den Controller aus der Hand gelegt und noch einige Tage später von diesem Abenteuer geschwärmt. Vielleicht ist Ni no Kuni II überladen, an einigen Stellen unsauber konstruiert und spielerisch repetitiv, doch das nehme ich gerne in Kauf, um diesem kleinen, blonden Katzenjungen dafür dabei zu helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Level-5 hat ein fantastisches JRPG geschaffen, das ihr nicht verpassen solltet.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Evan ist ein toller König; enormer Umfang; einfache Spielstruktur aus verschiedensten Genres; Spielwelt ist eine Augenweide; flotte Kämpfe überzeugen mit Tiefgang; liebevolle Präsentation in Ton und Bild.
-
Gegnern fehlt es an Variation; viele Tutorials in Textform; Ausbau des Königreichs wird einige Male künstlich unterbrochen; Schlachtmodus und Higgeldies sind eigenwillige Neuerungen.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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