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Celeste

Celeste

Der Blick von der Bergspitze ist jede Anstrengung wert. Das gilt in diesem Spiel ebenso, wie im echten Leben.

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Der Berg, die Festung der Götter - wohl auch bekannt als das „Dark Souls der Geologie". Ein zeitloses Symbol für Herausforderung, Anstrengung, Überwindung - und Klarheit für jene, die es bis zum Gipfel schaffen. Hier werden die Steintafeln verteilt und erinnerungswürdige Zeremonien abgehalten. Immer wenn das Leben Fallstricke bereithält und nicht so funktioniert, wie wir es uns erhoffen, scheinen Hügel und Berge im Spiel zu sein - so auch in Celeste. Kannst du es schaffen? Vielleicht, aber nicht ohne Anstrengungen. Nicht ohne zahlreiche Niederlagen, ständige Verzweiflung und unzählige Umwege in den Abgrund. Was für eine Art von Berg versuchen wir überhaupt zu besteigen? Die Sorte aus Stein - mit Schnee auf dem Gipfel? Oder jene in unserem Inneren, ebenso überwältigend und einschüchternd. Not und Überwindung sind schließlich ebenfalls Arten von Bergbesteigungen.

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Vielleicht ist die Verbindung zwischen Geschichte und Interaktionen deshalb sogar die größte Leistung von Celeste.

Nach diesem zugegeben recht mystischen Einstieg aber erst einmal zurück auf den Boden der Tatsachen. Celeste ist ein fordernder Plattformer der großartigen Leute hinter dem tollen und chaotischen Towerfall Ascension. Die Entwickler scheinen ein Faible für die Prinzipien Auf- und Abstieg zu haben und die pixelige Grafik setzt sich ebenfalls fort. Besonders die Größe, das Gewicht und das Spielgefühl dürfte Fans von Towerfall bekannt vorkommen. Der Titel kommt allerdings ohne Sofarivalitäten und einen Freundschaften zerstörenden Mehrspielermodus aus. Celeste lädt auf eine kurze, aber intensive Reise durch hunderte herausfordernder Plattform-Abschnitte ein.

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Die Steuerung ist unkompliziert: Wir springen, laufen an den Wänden und führen einen kleinen Dash in alle acht Richtungen aus. Wir können nur für kurze Zeit an der Wand hängen ohne herunterzufallen und der Sprint benötigt Bodenkontakt, um sich wieder aufzuladen. Im Großen und Ganzen besteht die Herausforderung darin, die korrekte Route durch Spitzen, Flammen und bodenlose Fallgruben zu planen und dann gekonnt auszuführen. Es gibt Plattformer die ihre Regeln etwas laxer auslegen, die Ziele vager und so den Spielern mehr Raum für eine eigene Spielweise bieten. In Celeste gibt es üblicherweise nur eine richtige Lösung: Hier dreht sich alles um Beobachtung, Konzentration und Präzision.

Das Spiel selbst ist nicht strikt linear, denn wie in anderen Titeln bewegen wir uns durch eine Reihe halbstatischer Gebiete. Jeder Bildschirm ist eine eigene Herausforderung und wenn wir sterben werden wir sofort wiederbelebt und wieder am Anfang dieser Herausforderung platziert. Mit anderen Worten: Wir müssen den gleichen Abschnitt nie zweimal absolvieren. Es gibt einen eher direkten Weg zum Gipfel, aber viel Raum für kleinere Abstecher und die Suche nach neuen Herausforderungen. Die Belohnung sind funkelnde Erdbeeren. Sie haben keine weitere Aufgabe und dienen nur als Trophäe, trotzdem finden sich in den Leveln auch Geheimnisse wie Kassetten, mit denen wir schwierigere „Remixe" von bereits gelöster Abschnitte freischalten.

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Die Steuerung ist unkompliziert: Wir springen, laufen an den Wänden und führen einen kleinen Dash in alle acht Richtungen aus.
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Es ist eine beschwerliche Reise, voller Scheitern und gelegentlicher Wutausbrüche. Celeste hält sich nicht zurück und unsere sich wiederholenden Todesurteile werden gnadenlos ausgeführt. Manche Teile des Spiels wirkten fast zu schwer, aber waren sie es wirklich? Wir haben sei schlussendlich ja bezwungen und sind eigentlich nie wirklich lange steckengeblieben. Nach einer extrem schweren Herausforderung folgt üblicherweise eine leichtere. Ja, Celeste ist hart, aber das ist Teil der Spielerfahrung. Es gibt einen alternativen Spielmodus für jene, die feststecken oder nicht bereit sind den Preis in Blut und Schweiß zu zahlen, aber die Entwickler bestehen darauf, dass dieses Spiel Schmerzen bereitet und sogar manchmal ein wenig unfair sein soll.

Das ist der Gedanke und das bestimmende Thema von Celeste, das auch durch die Geschichte zum Ausdruck kommt. Es ist ein Spiel über das Besteigen eines Berges und wenn ihr das nicht nur wortwörtlich nehmt, bekommt ihr eine vage Idee wohin uns das führen könnte. Es ist eine liebenswert ehrliche Erzählung, die sich nicht prätentiös oder didaktisch anfühlt. Man könnte befürchten, dass eine Geschichte die primär durch Textdialoge zwischen den Charakteren vermittelt wird in den Hintergrund gedrängt wird, aber in Celeste gibt es starke Verbindungen zwischen den Narration und Interaktion. Die Entwickler fordern die Idee heraus, dass zwischen unserer Herausforderung und den mechanischen Aspekten eines Spiels kein Zusammenhang mit der Geschichte besteht, doch das gilt zumindest für Celeste nicht.

Vielleicht ist die Verbindung zwischen Geschichte und Interaktionen deshalb sogar die größte Leistung von Celeste. Die Atmosphäre des Titels ist gleichzeitig niedlich und gruselig. Die einzelnen Abschnitte haben ihre ganz eigene Identität - optisch und mechanisch - und die Motive der Geschichte bekommen ein Art „mechanisches Echo" in den Leveln: Die ruhige Feder, der zermürbende Gegenwind und der bodenlose Abgrund. Die gesamte Spielerfahrung wird durch einen vorsichtig ausgewählten Soundtrack begleitet, der stets die Atmosphäre unterstützt, ohne vom Rest des Spiels abzulenken.

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Es gibt einen alternativen Spielmodus für jene, die feststecken oder nicht bereit sind den Preis in Blut und Schweiß zu zahlen.

Also, was ist jetzt Celeste in weniger blumigen Worten? Ein solider Plattformer mit klarer Botschaft. Ihr könnt das Spiel an einem Tag schlagen, aber der Titel hat großen Wiederspielwert für nimmermüde Bergsteiger. Es ist ein Abenteuer, das seinen Schwierigkeitsgrad einsetzt, um seine Geschichte zu erzählen und nicht nur als reine Notwendigkeit. Die Schwierigkeit hat natürlich in einem Spiel, das unsere zahllosen Tode zählt, seinen ganz eigenen Wert und sorgt dafür, dass wir am Ende stolz sind, uns auf die Schulter klopfen und sagen: „Schau dir an, wie du gescheitert bist - sieh was du gelernt hast!"

Celeste ist eine Übung der Willenskraft und der Beharrlichkeit. Ihr werdet euch in manchen Abschnitten abquälen und durch andere förmlich fliegen. Auf dem Gipfel ist es kalt, aber es ist auch ein Ort des Lichts, der Offenbarung, des Lernens und der Selbstentdeckung. Er ist es wert dafür zu kämpfen - nicht nur in Celeste - sondern auch im Leben.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Herausfordernder Plattformer mit motivierender Geschichte; gelungene Präsentation; Wiederspielwert gegeben.
-
Manchmal ist es nicht so leicht zwischen Hinter- und Vordergründen zu unterscheiden.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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