Detective Cole Phelps wirkt anfangs nur wenig sympathisch, denn irgendetwas passt einfach nicht. Während sich die Story entwickelt lernen wir den Mann mit dem Trilby näher kennen und schnell wird klar, dass er nicht die Sorte Typ ist, mit dem man nach der Arbeit noch einen trinken geht. Aber auch wenn er ein bisschen wie ein kalter Fisch wirkt ist Phelps ein faszinierender Charakter und eine der nuanciertesten und interessantesten Persönlichkeiten, die uns in den letzten Jahren begegnet sind. Moralisch auf der einen Seite, undurchschaubar auf der anderen, aber immer auch hypnotisierend.
Ähnlich vielschichtig ist auch das Spiel selbst. Team Bondis' (mittlerweile geschlossen) Open-World-Abenteuer L.A. Noire geht einen unüblichen Weg und ist ein echtes Erlebnis für Erwachsene, mit fordernden Figuren und einer düsteren Geschichte. Jetzt - sechs Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung - ist das Spiel plötzlich zurück. Diesmal mit neuer Steuerung für die Switch und verbesserter Grafik für PS4 und Xbox One. Aber brauchen wir diesen alten Fall in einem so beeindruckenden Jahr mit all den wirklich großartigen Spielen? Absolut! L.A. Noire überzeugt auch nach all den Jahren noch, zumindest größtenteils. Damals war vor allem das qualitativ hochwertige Motion-Capturing ein Kaufgrund. Durch dessen Qualität und die gut geschriebenen und gespielten Szenen kann das Spiel auch heute noch überzeugen. Außerdem hat der alte Schinken immer noch einiges zu bieten.
Coles Geschichte führt ihn durch diverse Abteilungen der L.A. Polizei. Nach einem brillanten Tutorial als Eröffnung wird Cole zum Detective befördert und seine Erzählung beginnt. Es gibt verschiedene miteinander verwobene Handlungsstränge, die ein lebendiges Bild der Ära zeichnen. Zwischensequenzen zeigen seine Vergangenheit beim Militär und die Beziehung zu verschiedenen Charakteren. Dazu gesellen sich die brillanten Dialoge, die während der Geschichte immer weiter ausgebaut werden. L.A. Noire ist meisterhaft umgesetzt und sticht ohne Frage aus den Spielen für die letzte Konsolengeneration hervor. Es ist nicht unbedingt das beste Spiel der vergangenen Ära, denn bei der näheren Betrachtung lassen sich durchaus auch einige Fehler finden, aber es ist ein Spiel das Dinge anders angeht und es gab weder vorher noch nachher etwas Ähnliches.
Das Spiel mischt die Jagd nach Indizien mit Verhören, in denen wir eine Kombination aus Intuition und den subtilen Hinwiesen der Figuren nutzen müssen, um unser Urteil zu bilden. Die Stimmung des Nachkriegs-Los Angeles' wurde dank eines tollen Soundtracks und gut beobachteter Architektur großartig eingefangen. Egal ob wir nur ziellos herumfahren und die Welt erkunden oder eine Nebenquest annehmen - es ist stets eine immersive Spielerfahrung. Ab und zu noch eine Verfolgungsjagd oder eine kleine Ballerei und schon haben wir ein abwechslungsreiches Abenteuer, das viele unterschiedliche Dinge versucht.
Das große Problem von L.A. Noire ist das Gameplay. Es versucht sich an allem, aber sticht in keinem Bereich besonders hervor. Nahezu alles wurde anderswo besser umgesetzt. Die Verfolgungsjagden sind fummelig, die Verhöre manchmal schwer vorherzusehen, weil sie so vage bleiben, und die Welt wirkt vielerorts leblos. Trotzdem ist L.A. Noire größer als die Summe seiner Teile und wenn man es in seiner Gesamtheit betrachtet, kann man seinen Sinn für Stil nur bewundern. Die Verhöre sind seine größte Stärke und gleichzeitig die Quelle für die größte Frustration. Es ist nur schwer abzuschätzen was Phelps sagen wird. Die alten Dialog-Optionen wurden in der Neuauflage durch „guter Cop", „böser Cop", und „beschuldigen" ersetzt. Das funktioniert zwar besser als früher, ist aber immer noch nicht nuanciert genug. Ich habe selbst beim erneuten Spielen das Bedürfnis bekommen, zurückzuspulen und die Konversationen erneut durchzugehen. Doch auch wenn ich den Ausgang einer Anspielung falsch vorhergesehen habe gab mir das System doch immer etwas zu denken und die Story lief flüssig weiter.
Und wie sieht es mit der Restaurierung aus? L.A. Noire unterstützt 4K und HDR auf der PS4 Pro und der Xbox One X, während sich die Besitzer der Standard-Konsolenversionen mit 1080p-Darstellungen begnügen müssen. Beide Fassungen bieten verbesserte Texturen, neue Belichtung und zusätzlich cineastische Kamerawinkel in den Zwischensequenzen, aber unabhängig von der Konsole bleibt das Spielgefühl stets bei konstanten 30 FPS. Das ist schade und es ist gleichzeitig schwer zu verstehen, warum die Besitzer einer One X oder der 4 Pro nicht die Wahl zwischen 4K oder 60 FPS haben.
L.A. Noire sieht gut aus und dieses Remaster erlaubt es uns, das Spiel auf einer neuen Konsole erleben, ohne das der Titel übertrieben veraltet wirkt. Die grafischen Verbesserungen machen ihren Job gut ohne besonders zu beeindrucken. Es ist kein Remake und auch wenn die verbesserten Texturen ihre Wirkung zeigen, merkt man dem Spiel natürlich sein Alter an. Deswegen sind die einzigartigen Gesichtsanimationen so wichtig, denn die können immer noch überzeugen und dank der nahtlos eingebauten DLCs haben wir jetzt auch die komplette Spielerfahrung.
Die Switch-Version bietet die gleichen Inhalte, wie die Fassungen von PS4- und Xbox One, hat aber ein paar einzigartige Features erhalten. Mit dem Gyroskop der Joy-Cons lassen sich Beweise untersuchen, über das Touchscreen dürfen wir mit Gegenständen interagieren und auf die Karte zugreifen. Trotzdem bleibt die Steuerung mit einem Standard-Controller insgesamt zugänglicher. Der Modus für unterwegs ist eine große Attraktion und die relative Kürze der Fälle ist gut geeignet für schnelle Spiel-Sessions zwischendurch. L.A. Noire sieht auf dem kleinen Bildschirm mit 720p am besten aus, denn der kleinere Bildschirm wirkt Wunder für die Grafik. Auf den großen 4K-Bildschirmen zeigt sich das Alter des Spiels und die Switch hat Probleme, die Framerate zu halten - besonders in hektischen Momenten und beim Betreten von Gebäuden.
L.A. Noire stellt viele interessante Dinge mit seiner Geschichte an und sorgt mit seinen vielen Gameplay-Mechaniken für ein fesselndes Abenteuer. Das Skript und die Motion-Capture-Darstellung gehören immer noch zu den besten Vertretern des Genres. Das Setting ist ebenfalls großartig und Fans von Noir-Geschichten werden ihre helle Freude haben. Trotz der vielen Fehler bleibt es ein tolles Open-World-Abenteuer, obwohl es sich hier nicht um das beeindruckendste Remaster der Welt handelt. Wir wollen dieses Spiel jedem empfehlen, der keine Angst davor hat, die Dinge ein wenig anders zu spielen.