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Need for Speed Payback

Need for Speed Payback

Die Serie benötigt ganz schrecklich schnell ein großartiges Comeback, doch ist Payback das Spiel, das die Reihe wieder auf die Strecke zurückführt?

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Vor gut zehn Jahren hat sich das Need for Speed-Franchise auf der Arcade-Front in unsere Herzen gerast, doch von dieser einstigen Glorie bleibt heute nur noch ein leerer Schatten zurück. Das Repertoire der Serie enthält mittlerweile mehr als nur ein paar durchwachsene Titel, doch mit Need for Speed Payback versucht es EA ein 23. Mal. Seit dem selbstbetitelten Reboot von 2015 ist Entwickler Ghost Games am Zug und trat damals einen Schritt zurück, um die Features kommender Titel zu überdenken. Nun haben wir ein Hollywood-reifes Setting mit Ganoven und Racheakten, erzählerischer Action und ein neues Upgrade-System erhalten. Doch reicht das aus, damit Payback als Wendepunkt in die Historie eingehen wird?

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Sogenannte Locktruhen geben uns eine große Menge an Bargeld, sobald wir es schaffen eine Polizeistreife in der Verfolgung durch ein bestimmtes Areal zu führen.

Paybacks actionlastige Geschichte stellt uns zuerst einmal drei Charaktere vor, die von der dubiosen Gang The House übers Ohr gehauen wurden. Die Organisation beherrscht die Straßen des Las Vegas-Verschnitts namens Fortune Valley und unsere drei Protagonisten legen sich mit ihnen an. Der Geschwindigeitsfreak Tyler Morgan, Mac, eine Offroad-Rennfahrerin aus London, und Jess, eine hitzköpfige, frivole Dame sind die Kernpfeiler unserer eigenen Crew. Jeder dieser Figuren hat seine eigene Dynamik, die in der Kampagne und während Missionen gut zum Tragen kommen. Glücklicherweise hat sich Ghost Games endlich von den Full-Motion-Sequenzen verabschiedet und wieder auf Cutszenen gesetzt, die mit der natürlichen In-Game-Engine berechnet werden.

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Aus Gameplay-Sicht gibt es fünf Veranstaltungstypen (Drift, Drag, Off-Road, Rundkurs und Runner - Sprint), die sich in Queststränge zwischen den jeweiligen Charakteren aufteilen. Neu für die Serie sind die Raubmissionen, die in komplexen Versatzstücken erzählt werden und uns sehr teure Sportschlitten klauen lassen. Diese Sequenzen sind das spielerische Highlight der Geschichte von Need for Speed Payback, auch weil hier alle drei Protagonisten Hand in Hand arbeiten (wir übernehmen jeweils in unterschiedlichen Intervallen die Kontrolle über sie). Das Hauptproblem ist jedoch, dass die ganze Action eigentlich nur in den Cutszenen stattfindet und das Gameplay an sich verhältnismäßig eintönig bleibt. Trotzdem sind diese Missionen eine absolut willkommene Abwechslung von den Veranstaltungen, die bisherige Ableger uns geboten haben.

Abseits der Aufträge fühlt sich Need for Speed Payback sehr nach Forza Horizon an und die Radarfallen, Stunt-Sprünge, Drift-Herausforderungen und die thematischen Sammelsachen (jede Aktivität versorgt unser Konto mit Bargeld) könnten direkt aus dem Xbox-Racer stammen. Die auffälligste Gemeinsamkeit ist der Fund von heruntergekommenen Schrottautos, die wir wieder herrichten indem wir quer durch die weiter Welt fahren und auf eine gewaltige Sammeltour ziehen. Wurde diese Scheunen-Mission erledigt wartet irgendwann ein schicker Flitzer auf uns - Forza Horion-Fans kennen das wie gesagt alles. Sogenannte Locktruhen geben uns eine große Menge an Bargeld, sobald wir es schaffen eine Polizeistreife in der Verfolgung durch ein bestimmtes Areal zu führen - das ist wirklich eine spaßige Beschäftigung. Insgesamt sorgen diese Aktivitäten für viel Spaß, allerdings hätten es ruhig ein bisschen mehr eigene Ideen sein dürfen.

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Jeder dieser Figuren hat seine eigene Dynamik, die in der Kampagne und während Missionen gut zum Tragen kommen.
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Dem Vegas-Setting angepasst dürfen wir auf verschiedene Sachen wetten und für den Abschluss etwaiger Herausforderungen zusätzliche Kohle scheffeln. Das reicht vom Erreichen des ersten Platzes in einem bestimmten Rennen bis hin zur Zerstörung einer gewissen Anzahl an Objekten in einer Verfolgungsjagd. Mir hat vor allem gefallen wie glaubwürdig diese Mechanik in die Welt von Fortune City hineinpasst und dadurch vor allem das frühe Spiel inszeniert. In sogenannten Autologs dürfen wir gegen die Community antreten und deren Streckenzeiten schlagen. Dadurch wird ein gewisser kompetitiver Gedanke geschürt, der der Wiederspielbarkeit zugutekommt.

Paybacks größte Straftat ist die Implementation der sogenannten Speed-Karten. Statt, wie in vergangenen Spielen, einfach in der Garage neue Tuning-Teile zu installieren müssen wir nun die Speed-Karten einsetzen, um uns das gewünschte Teil zu besorgen (sie entsprechen jeweils einer Komponente unseres Autos). Um eine Chance gegen die anderen Fahrer zu haben muss unsere aktuelle Karre zudem immer die vorgegebene Anzahl an Autopunkten treffen, was ausschließlich darüber funktioniert, bessere Karten aka. Tuning-Bestandteile zu erhalten. Da die Garagen nur sehr selten ihr Inventar erneuern gibt es manchmal stundenlang nichts zu tun. Wer sich dann auch noch gerade ein neues Auto gekauft hat, der befindet sich gefühlt wieder am Anfang des Spiels und muss dann erst einmal die Upgrade-Leiter neu erklimmen, um wieder bei ordentlichen Rennen mitfahren zu dürfen. Das sorgte natürlich dafür, dass ich bereits beendete Events wieder und wieder nachholen musste, um meinem neuen Schlitten ein paar ordentliche Speed-Karten zu erspielen. Diese Idee mag der Vegas-Thematik in die Karten spielen, allerdings ist das System ein deutlicher Rückschritt zu allen Titeln der letzten zehn Jahre. Der langsame Grind sorgte ultimativ auch bei uns Autonarren dafür, dass sich der Spielspaß irgendwo auf der Straße abrieb. Selbstverständlich lassen sich diese Mechaniken komplett aussetzen, wenn man bereitwillig zum Portemonnaie greift und mit ein bisschen echtem Geld die benötigten Fortschritte einkauft.

Insgesamt bietet Need for Speed Payback 78 spielbare Autos, die von klassischen Modellen wie der Chevrolet Bel Air, bis hin zu modernen Supercars wie dem 2017er Acura NSX reicht. Diese Vehikel fahren sich allesamt überraschend gut und sehen ebenso markant aus. Falls ihr bereits Erfahrung mit früheren Titeln der Reihe gesammelt habt (abgesehen von den simulationsfokussierteren Shift-Ablegern) werdet ihr euch sicher schnell mit dem arkadigen Fahrprinzip vertraut machen. Alles fühlt sich flott an, egal ob wir gerade durch den Sand driften oder über die Straßen vom Downtown Casino-Distrikt düsen.

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Abseits der Aufträge fühlt sich Need for Speed Payback sehr nach Forza Horizon an.

Ein Aspekt der uns an den Vorgängerspielen nicht überzeugen konnte waren die offenen Welten, die häufig vernachlässigbar und uninspiriert wirkten. Für Fortune Valley kann das gleiche definitiv nicht gesagt werden. Die Welt in Need for Speed Payback ist zwischen der weitläufigen Wüste und den Neonlichtern der Casino-Straßen geteilt. Es gibt ein dynamisches Wettersystem und einen kompletten 24-Stunden-Tag-Nacht-Zyklus - eine echte Steigerung gegenüber der rabenschwarzen Umsetzung seiner Vorgänger. Technisch läuft Payback zudem brillant und macht exzellenten Einsatz der Frostbite-Engine, was am Ende einen der beeindruckendsten Racing-Titel der letzten Jahre auf den Bildschirm zaubert. Der Soundtrack bedarf dank der vielen rockigen Titel der Queens of the Stone Age, Stormzy und den Gorillaz ebenfalls einer eigenen Würdigung.

Die offene Welt mag überwältigend sein, allerdings leidet das Spiel unter einem der Alleinstellungsmerkmale der Reihe: den Polizisten. Das ist richtig enttäuschend, denn diese Komponente war jahrelang der Grund, warum sich Leute Need for Speed-Spiele gekauft haben. Wir hatten damals unglaublich viel Spaß den Cops in den knappen Verfolgungsjagden der offenen Sandbox-Welten zu entkommen. Jess' Missionen sind zwar einige coole Polizeiverfolgungen, in denen sie durch ein Checkpoint-Netzwerk entkommen muss, doch während dieser Fahrten geht die Freiheit der Welt komplett verloren. Most Wanted hat großartigen Einsatz von dieser Komponente gemacht und uns immer wieder versteckte Passagen entdecken lassen - Payback überzeugt höchstens dann, wenn wir die Polizeiwagen im imposanten Burnout-Stil von der Straße kicken.

Online gibt es nun ein Lobby-System mit dem wir einfach und unkompliziert Rennen beitreten können. Wer viele unterschiedliche Modi erwartet, wird jedoch von der spärlichen Auswahl enttäuscht werden. Grundsätzlich wird zwischen Ranglisten und ungewerteten Rennlisten unterschieden, die jeweils fünf Rennen à sieben Fahrern organisieren. Warum wir uns darüber beschweren? Es ist lediglich möglich Rundkurse im Mehrspielerodus zu spielen. Sprints, Drifts und Drags werden ausschließlich in der Kampagne unterstützt. Die Rennen gegen echte Fahrer sind aber natürlich weiterhin eine spaßige Angelegenheit. Need for Speed Payback hat durch seine Trennung von Online-Mechaniken eine schöne Lösung für die Always-Online-Pflicht gefunden, die so viele Spieler am vergangenen Teil störte.

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Paybacks größte Straftat ist die Implementation der sogenannten Speed-Karten - das ist ein No-go!

Unter Need for Speed Paybacks rissiger Karosserie ist eine tolle Erfahrung versteckt, die eine beeindruckende offene Welt vorstellt, eine solide Autowahl beinhaltet und einen sehr angenehmen Story-Ansatz wagt. Gleichzeitig ist es eine Schande, dass EA trotz dieser elementaren Verbesserungen so derbe neue Fehler an der tollen Formel seiner Vorgänger einfügt. Das kartenbasierte Upgrade-System der Autoteile bindet dem Fortschrittsgedanken einen Klotz ans Bein und das Fehlen der Polizeistreifen in der offenen Welt reißt genau den Bestandteil des Spiels raus, für den die Reihe so lange zurecht gefeiert wurde. Need for Speed Payback ist bestimmt nicht der schlechteste Titel der Reihe, doch er erscheint zu einer Zeit, in der die Reihe sehnsüchtig eine Wiederbelebung bräuchte. Und das kann Payback absolut nicht liefern, was das Spiel umso enttäuschender werden lässt.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Das Vegas-Setting von Fortune Valley ist abwechslungsreich und unglaublich schön; Raubmissionen sind eine willkommene Abwechslung; Wagen fahren sich toll und stammen aus vielen Sektionen.
-
Dem Mehrspieler fehlt es an Spieltypen; mit dem kartenbasierten Tuning-System geht die Reihe etliche Schritte zurück; Polizei fehlt in der offenen Welt.
overall score
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