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Final Fantasy XII: The Zodiac Age

Final Fantasy XII: The Zodiac Age

Vor über zehn Jahren besiegelte Final Fantasy XII das Ende der PS2-Ära. Nun erscheint die PS4-Neuauflage mit den japanischen Exklusivinhalten auch in Europa.

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Vor einigen Wochen hat mein Kollege Ford James eine Kritik über die neue Crash Bandicoot: Nsane Trilogy von Activision verfasst. Seine Review ist gut geschrieben, nachvollziehbar strukturiert und plausibel, doch im Gegensatz zu vielen anderen Redakteuren (auch hier bei Gamereactor) hat ihn das Gefühl der Nostalgie einfach nicht gepackt und er ist zu einem verhältnismäßig ernüchternden Fazit gelangt. Bevor ich Final Fantasy XII gespielt habe konnte ich nicht ganz nachvollziehen, wie jemand eine so strahlende Vergangenheit unbeachtet lassen kann. Doch nach fast 50 Stunden in diesem beeindruckenden Abenteuer finde ich mich in einem ähnlichen Dilemma wieder.

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Final Fantasy XII: The Zodiac AgeFinal Fantasy XII: The Zodiac Age
Wann die Gruppe Heilzauber und -Tränke einsetzt und welche Feinde priorisiert werden, das legen wir selbst fest.

Final Fantasy XII: The Zodiac Age ist ein überaus politisches Spiel mit einer erwachsenen Geschichte. Die magische Welt Ivalice ist vom Krieg gezeichnet, auch wenn die schlimmen Kämpfe längst beendet wurden. Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist das kleine Reich Dalmasca und dessen Hauptstadt Rabanastre, das zu Beginn des Abenteuers von einer kriegerischen Fraktion unterworfen wird. In einer solchen Umgebung wächst der Waisenjunge Vaan und seine Freundin Penelo auf, die wie viele andere einen hohen Preis für den Krieg zahlen mussten. Mit Herrschaftsantritt des neuen Stadthalters bringt sich der Unruhestifter Vaan in große Schwierigkeiten und findet sich schließlich in einer Reihe von Ereignissen wieder, die Ivalice für immer verändern werden.

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Ivalice ist eine einprägsame, wundersame Welt voller Magie, überdimensionalen Städten und gigantischen Luftschiffen. Aus heutiger Sicht übt diese Kulisse noch immer eine Faszination aus, der sich nur schwer zu entziehen ist. Die Straßen in den gewaltigen Städten sind bevölkert mit unterschiedlichsten Rassen und erzeugen eine unglaublich immersive Atmosphäre. Die in viele Bestandteile aufgeschnittene Weltkarte fällt trotz des schwierigen Wüsten-Settings unverhältnismäßig abwechslungsreich und groß aus. Von den vielen Geheimnissen und interessanten Details hätte sich Final Fantasy XV ruhig einiges abschauen dürfen. Zu wissen dass hier ein PS2-Spiel Modell stand, ist nur schwer zu glauben.

Obwohl bereits das Umherschlendern in den Städten und Karawanen ein Genuss ist, wird natürlich auch viel gekämpft. Im Gegensatz zu vielen alten Final Fantasy-Spielen erstmals auch in „nahtloser" Echtzeit, als FFXII vor zehn Jahren erschien war das eine große Sache. Der Kampf findet automatisch statt und wir treten als Puppenspieler in den Hintergrund. Um rechtzeitig auf neue Umstände einzugehen, pausieren wir das Kampfgeschehen jederzeit, um die nächste Aktion eines unserer Gruppenmitglieder zu bestimmen. Hier greift das ikonische Gambit-System ein, an dass sich sicherlich noch den meisten Spieler von damals erinnern werden. Mit diesem Feature bestimmen wir selbstständig die Verhaltensmuster unserer Kameraden und Spielfiguren und legen somit fest, wie sie auf spezielle Bedingungen reagieren.

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Final Fantasy XII: The Zodiac AgeFinal Fantasy XII: The Zodiac Age
Epische Szenen und kolossale Monster sind Fans der Final Fantasy-Spiele gewohnt und Teil zwölf bildet hiervon keine Ausnahme
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Das Gambit-System wird die Meinungen der Spieler zu Final Fantasy XII: The Zodiac Age spalten, das war schon beim Original der springende Punkte. Es ist eine essentielle Spielmechanik, ohne die das fantastische Abenteuer nicht vollends funktioniert und Spieler müssen sich einarbeiten, um es effektiv zu nutzen. Denn obwohl wir unsere Charaktere im Laufe des Spiels weiterentwickeln und spezialisieren, wenden die Figuren all diese neuen Talente nicht von sich aus an. Stattdessen müssen wir jedes Mal den Kampf pausieren und ihnen manuell den entsprechenden Befehlt erteilen, was sich sehr viel weniger rund und einnehmend gestaltet, als in vergleichbaren Japano-Rollenspielen. Mit Gambit automatisieren wir Prozesse, die immer wieder eintreten und es ist damit möglich, die Rollen spezialisierter Charaktere zu veredeln. Da wir mit steigender Spielzeit jedoch mehr und mehr Befehle an den Computer abgeben, spielt sich Final Fantasy XII: The Zodiac Age ab einem gewissen Punkt ein stückweit von alleine.

Die Charakterentwicklung findet über eine Mischung aus Erfahrungs- und Lernpunkten statt. Das Level steigert passiv die Werte unserer Gruppenmitglieder und mit den Jobpunkten schalten wir sogenannte Lizenzen für den Gebrauch einer gewissen Magieschule oder das Tragen von Ausrüstungsstücken frei. Früher wurde das alles auf einem einzigen schachbrettartigen Feld realisiert. In Japan wurde dieses Konzept später noch einmal überarbeitet und ausgebaut, allerdings erschien das (damals noch physische) Update niemals in anderen Ländern auf der Welt.

Für das PS4-Remaster wurde dieses Jobsystem jedenfalls implementiert und erleichtert die Entwicklung der zwölf unterschiedlichen Klassen. Square Enix hatte sich damals dazu entschieden dieses System aus dem Spiel zu schneiden, da sie fürchteten, es würde ihren Spielern zusammen mit den anderen Neuerungen von Final Fantasy XII zu viel abverlangen. Aus heutiger Sicht halte ich diese Entscheidung für richtig und absolut nachvollziehbar.

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Final Fantasy XII: The Zodiac AgeFinal Fantasy XII: The Zodiac Age
Mit dem Lizenz-System geben wir jedem Charakter vor, wie er sich im Kampf zu verhalten hat. Das muss man sich zwangsläufig genauer angucken.

Denn wer nicht bereits einen konkreten Plan für seine perfekte Gruppenkonstellation hat, der wird mit dem Lizenz-System und den Fleißpunkten ziemlich alleine gelassen. Unsere Charaktere haben individuelle Vor- und Nachteilen und wir dürfen sie unabhängig ihrer natürlichen Eignung in jede mögliche Richtung spezialisieren. Das Spiel erlaubt es uns, dass wir den magiebegabten Heiler in eine schwere Ritterrüstung stecken und an die Frontlinie schicken. Wir werden keinerlei Hinweise darüber bekommen, ob das eine gute Entscheidung ist oder nicht. Die spielerische und taktische Freiheit ist anfangs in der Tat überwältigend, bietet auf der anderen Seite jedoch natürlich eine gewisse Faszination. In The Zodiac Age ist es jedem Charakter zudem möglich, zwei dieser Berufe zu erlernen und Synergien daraus zu bilden. Die Entscheidung ist allerdings bindend und sollte daher genauestens bedacht werden.

Das Charakterdesign ist aus heutiger Sicht interessant, da man insbesondere den weiblichen Figuren anmerkt, dass sich in den letzten zehn Jahren eben doch etwas in der Darstellung von Frauen in Videospielen getan hat. Ironischerweise ist mir das Latex-Hasenmädchen Fran am Ende dann aber doch am intensivsten im Gedächtnis geblieben. Das liegt vielleicht weniger an ihrem körperengen und sehr luftigen Outfit, als an ihrer übersinnlichen Wahrnehmung des mysteriösen Magie-Nebels und ihrem starken Auftreten. Neben der deutlich aufgehübschten Präsentation hat sich Square Enix auch daran gesetzt, die Verhaltensmuster, Stärken und Schwächen der Monster und Bosse zu überarbeiten und anzupassen.

Dazu gesellt sich ein neu-aufgenommener Soundtrack, einige Orientierungshilfen und die automatische Speicherung bei jedem Betreten eines neuen Gebiets (was sehr hilfreich ist). Ich bin Square Enix übrigens sehr dankbar für die Zeitraffer-Funktionalität von Final Fantasy XII: The Zodiac Age. Damit beschleunigen wir das Spielgeschehen auf die doppelte oder sogar die vierfache Geschwindigkeit und verkürzen lange Laufwege oder anstrengende Grind-Passagen. Übrigens gibt es neuerdings einen Herausforderungsmodus, in dem wir 100 Wellen von Feinden und Bossen besiegen müssen, um anschließend eine Option freizuschalten, mit denen sich Abenteurer daran versuchen dürfen, das ganze Abenteuer auf Level eins (und ohne Chance auf Levelaufstiege) abzuschließen.

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Final Fantasy XII: The Zodiac AgeFinal Fantasy XII: The Zodiac Age
Final Fantasy XII: The Zodiac Age ist ein grandioses Spiel und hat auf der PS4 endlich die Liebe bekommen, die es verdient hat.

Final Fantasy XII: The Zodiac Age ist ein wunderbares Abenteuer voller fantastischer Augenblicke, eingängiger Kämpfe, in Erinnerung bleibenden Schauplätzen und starken Charakteren. Die Einführung vieler Charaktere, Namen und verschiedener Interessen erschwert anfangs das Verständnis des Plots, doch die vielleicht politischste Geschichte der Final Fantasy-Reihe ist erwachsen und stolz und braucht sich selbst heute nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Das Playstation 2-Spiel ist würdevoll gealtert und hat mit dem Zodiac Age-Remaster einen frischen Anstrich erhalten. Der Sprung von PS2 auf die PS4 ist exzellent umgesetzt worden und bietet Kennern und Liebhabern des Originals einige neue Anreize, noch einmal in das Abenteuer einzusteigen. Neulinge werden ohne entsprechenden Hintergrund aber nicht unbedingt in diesem Fantasie-Rollenspiel aufgehen und das führt mich letztlich zu der Frage, für wen dieses Remaster eigentlich gemacht wurde.

Die freie Charakterentwicklung ist ein tolles Feature für Spieler, die sehr viel Erfahrung mit Rollenspielen und MMOs gesammelt haben. Das Gambit-System hingegen ist ein Argument der persönlichen Präferenz. Anfangs empfand ich es als störend, später wurde es unterhaltsamer, verlor danach jedoch seinen Reiz. Wer seine Konstellation festgelegt und sich einmal ausgiebig mit den Verhaltensmustern seiner Figuren auseinandersetzt, der wird nur noch sehr selten etwas daran ändern müssen. All diese Aspekte sind unzertrennlich an einem fantastischen Abenteuer in einer unglaublich liebevollen und detailreichen Welt gebunden. Wer das in Kauf nimmt oder darin sogar aufgeht, dem steht eine fantastische, unvergessliche Reise bevor. Die Erfahrung ist es in jedem Fall wert nachgeholt zu werden, auch nach zehn Jahren noch.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Zeitraffer-Funktion eignet sich super zum Farmen; starke Charaktere und eine lebendige Welt; Taktik-Rollenspiel-Fans werden im Kampfsystem aufgehen.
-
Kampf mir repetitiver Ader; einige stereotype Charaktere; wenige Hilfen im Gambit- und dem Klassensystem.
overall score
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