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Papo & Yo

Papo & Yo

Videospiele helfen uns, der Realität zu entfliehen. Fiktive Welten, in denen wir der Held sind, die Welt retten und dabei alles um uns herum vergessen. Spiele haben in der Regel eine positive Grundaussage und beschäftigen sich nur selten mit ernsten Themen und realen Problem. Papo & Yo ist da anders, auch wenn Titel und Spieldesign das zunächst nicht erahnen lassen.

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An der Oberfläche ist das Spiel ein modernes Jump'n'Run mit einer Portion Adventure. Wir müssen Rätsel lösen, nehmen es mit einer bösen Kreatur auf und immer wieder brauchen wir ein wenig Geschick beim Springen von Plattform zu Plattform. Integriert wurden dabei auch wirklich verblüffende Aufgaben. Wir sehen ein Tor auf der anderen Seite eines tiefen Grabens und vor uns aufgezeichnet kleine Felder und drum herum Kisten. Der natürliche Instinkt sagt uns nun, dass die Kisten auf die Felder müssen. Überraschend ist aber, was dann passiert. Greifen wir die Kiste, taucht ein Haus im Hintergrund auf und bewegt sich so, wie wir die Kiste bewegen. Sind alle Kisten platziert, können wir den Abgrund überwinden.

Von diesen kleinen Wow-Effekten gibt es einige im Spiel, dass aber als reines Jump'n'Run etwas blass ist - trotz der kunterbunten Welt. Die Steuerung ist nicht perfekt und das Ende viel zu schnell erreicht. Aber schließlich ist alles nur Vehikel für die Handlung. Und obwohl uns eigentlich nur Brocken zugeworfen wurden, verstehen wir nach drei bis vier Stunden Spielzeit die Botschaft. Papo & Yo ist eigentlich kein fröhliches Spiel. Papo & Yo ist hinter der schönen Fassade tieftraurig.

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Papo & YoPapo & Yo
Die Welt ist kunterbunt, aber hinter der Fassade wird ein ernstes Thema behandelt.
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Es wird gern davon gesprochen, dass Videospiele erwachsener werden. Meist wird jedoch nur die bessere Grafik und die Technik dahinter gemeint. Viele Spiele funktionieren noch immer nach demselben Schema wie klassische Hollywood-Filme. Doch zur beschönigenden Bilderbuch-Welt gibt es eben auch einen Gegentrend. Inzwischen existieren bereits einige Titel, die Tiefgang bieten wollen - wie Journey oder die Spiele von David Cage.

Und obwohl wir keinesfalls auf Produktionen wie ein actionreiches Uncharted oder ein unterhaltsames Super Mario Galaxy verzichten wollen, so haben all diese Titel nur wenig mit der wirklichen Welt gemein. Es sind keine ernsthaften Themen, die in diesen Spielen behandelt werden. Nur selten gibt es eine Moral und noch viel seltener gelingt es ihnen, uns ernsthaft zu berühren.

Vander Caballero hat an vielen solcher Titel mitgearbeitet. Er war der Design Director für Army of Two und verantwortlich für Boogie. Er hat Serien wie FIFA, Need for Speed, Die Sims und Spore für viele Jahre begleitet. Doch irgendwann wollte er das nicht mehr und gründete Minority Media. Caballero wollte in Sachen Konzept und Design ganz neue Richtungen einschlagen. Und er wollte seine eigene Geschichte erzählen, die ihn schon viel zu lange beschäftigt hat. Vander Caballero wollte jenen helfen, die dasselbe Schicksal erleiden mussten wie er. Sein Vater war Alkoholiker.

Papo & Yo
Es wurden viele nette Ideen mit einem gewissen Wow-Effekt im Spiel verwirklicht.
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So offen darüber zu reden und damit ganz normal umzugehen, es ist der erste und wahrscheinlich wichtigste Schritt, den Betroffene gehen müssen. Für Vander Caballero war die Entwicklung des Spiels ein ganz essenzieller Teil der Aufarbeitung. Es hat ihm geholfen, seine schwierige Kindheit hinter sich zu lassen und seinen Frieden zu finden. Und wenn man heute mit ihm darüber spricht, dann wird deutlich, dass es ihn noch immer bewegt. Er muss sich zusammenreißen und wird vermutlich nie vergessen können. Doch dieses Spiel macht es leichter und einfacher für ihn, das alles zu begreifen. In gewisser Weise ist es Hilfe zur Selbsthilfe.

Alkoholismus ist nicht einfach nur eine Krankheit, die den Körper schädigt, sie zerstört ganze Familien und macht eine unbeschwerte Kindheit unmöglich. Gern wird es abgetan und verdrängt, doch für Betroffene ist es die Hölle. Papo & Yo gefällt daher vielleicht auch nicht jedem, denn Alkoholismus ist nur schwer nachzuvollziehen. Dabei gelten nach aktuellen Schätzungen der Bundesregierung etwa 1,3 Millionen Menschen als alkoholabhängig. Nur etwa 10 Prozent unterziehen sich einer Therapie - oft viel zu spät nach 10 bis 15 Jahren einer Abhängigkeit.

Dem Team von Minority Media ist es gelungen, ein derart sperriges Thema nahezu perfekt zu verpacken. Es bleibt nur zu hoffen, dass es vielleicht nicht nur Vander Cabellero geholfen hat, sondern auch vielen anderen helfen wird.

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
ernstes Thema großartig verpackt, tolle Ideen
-
Steuerung teilweise hakelig
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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Es ist ein kleiner Titel, der ein schweres Thema behandelt und damit zu einem wirklich erwachsenen Videospiel wird.



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