Hue erwacht in einer Welt, dessen Farbe verwaschen wurde, auf der Suche nach seiner Mutter Anne. Sie ist eine spezialisierte Forscherin der Farbenlehre, doch sie ist verschwunden. Als wir über eine geheimnisvolle Notiz stolpern, erfahren wir von einem Ring, den sie erschuf, um ein breiteres Farbspektrum zu erfahren. Doch dieser Ring zerbrach und hat Anna in einen unmerklichen Schatten getaucht, der für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar ist. Nachdem wir die Bruchstücke des Rings entdecken, bereisen wir das Land auf der Suche nach dem Regenbogen der Farbfragmente, in der Hoffnung Anna zu finden.
Im Kern ist Hue ein traditioneller 2D-Puzzle-Plattformer, der sowohl mechanisch als auch ästhetisch durchaus mit Playdeads Limbo vergleichbar ist. Die Herangehensweise beim Lösen von Rätseln ist wirklich innovativ, da wir unsere Farb-Wahrnehmung manipulieren müssen, um potenzielle Bedrohungen zu bezwingen und versteckte Objekte und Türen aufzudecken. In einem Abschnitt mussten wir uns durch ein Feld von Spike-Gruben und turmhohen Spitzen manövrieren, während wir am Farbrad drehten, um entgegenkommendem Geröll auszuweichen. Da wir bis zu acht unterschiedliche Farben aufsammeln, werden die Puzzle stetig komplexer und verlangen besseres Timing und höhere Genauigkeit.
Einmaliges Drücken des rechten Analog-Sticks ist alles, was wir tun müssen, um das Farbrad aufzurufen. Damit wählen wir einfach und unkompliziert die gewünschte Farbe für eine bestimmte Situation aus. Das mag einfach klingen, doch manchmal taucht das Farbrad von ganz allein auf und ruiniert unfairerweise komplizierte Passagen. Da sich rosa und lila Schatten so furchtbar ähnlich sehen, verwechselt man die beiden Farben bei flottem Spieltempo leicht. Diese kleinen Problemchen führen regelmäßig zu Frustration, aber zum Glück gab es immer einen Kontrollpunkt in der Nähe, so dass wir uns nie zu betrogen fühlten.
Hue implementiert Elemente der klassischen Metroidvania-Titel, bietet dabei aber eine frische Abweichung von der in der Regel an Spannung verlierenden Rätselpassagen. Wenn sich unsere Farbpalette erweitert, müssen wir noch einmal in bereits bekannte Gebiete zurückkehren, um Zugang zu neuen Bereichen zu erhalten. Hues Welt ist ein kompliziertes Netz von miteinander verbunden Türen, weshalb es für uns keine allzu große Schinderei ist, zu einem bekannten Gebiet zurückzukehren. Diese Mechanik, also das Benutzen der Farben in einem Metroidvania-Stil, fühlt sich erfrischend und viel aussagekräftiger und organischer an, als verschüttete Wege mit neu entsperrter Artillerie freizubomben.
Auch wenn die vollständig geschwärzte Welt von Hue frei von jeglichem Ausdruck erscheint, sprudelt eine enorme Schönheit unter ihrer Oberfläche. Sobald wir einen Spritzer Farbe freisetzen, pulsiert der Himmel in einem hellen Neonlicht, das einen krassen Gegensatz zu den kalten, tristen Strukturen schafft. Dieser düstere Silhouetten-Stil, in dem sich Hue präsentiert, ist umgeben vom klirrendem Kettenrascheln, dem Zirpen einer lebendigen Tierwelt und dem Plätschern von sanft-fließendem Wasser. Ein beruhigendes Piano blüht in diesem Ambiente auf, während es den Charme und die Ruhe der Geräuschkulisse imitiert und uns dabei immer tiefer in die Immersion dieser friedlichen Traumwelt stürzt.
Gleichwohl die innovative Mechanik und die charmante Präsentation keinesfalls bemängelt werden kann, ist die pure Anzahl von Rätseln ermüdend und eintönig. Die Backtracking-Segmente treten zwar nicht so häufig auf, doch sie bleiben spannungslos. Abseits davon, dass wir einen anderen Pfad folgen, um ab Ende eine neues Farbfragment freizuschalten, gibt es wenig Variation. Doch obwohl sich die Rätsel zermürbend anfühlen, werden sie doch stets mit frischen und neuen Ideen ergänzt. Später gibt es fixe, schwarze Objekten oder destruktive Laserstrahlen, die unser Vorankommen im Puzzle erschweren. Dabei fällt mir ein weiterer Fehler auf, der in Hue überraschend leicht auftritt: Wer sich achtlos bewegt, driftet leicht von der Kante einer Plattform und stürzt womöglich in eine Todesfalle.
Obwohl es dem Spiel mit Leichtigkeit gelingt, uns einer ansehnlichen Scheibe Spielzeit zu entlocken, gibt es nur wenig Anreiz, nach Abschluss des Spiels noch einmal zurückzukehren. In Hue sammeln wir geheime Räume, doch in unserem ersten Spieldurchlauf haben wir bereits die Mehrheit dieser Geheimnisse ausfindig gemacht. Trotzdem bietet die Hauptgeschichte eine beachtliche Tiefe und es gibt viel zu sehen. Deshalb könnte es durchaus sein, dass ihr von selbst für einen zweiten Ausflug zurückkehren wollt.
Indem Hue der gesättigten Szene der Indie-Puzzle-Plattformer einen Spritzer Farbe hinzufügt, gibt das Spiel dem Gerne frischen Wind. Damit wird Hue zu einer würdigen Erfahrung, die so individuell, wie charmant ist. Es ist eine grandiose Idee, die Wahrnehmung der Welt durch den Einsatz von Farbe zu definieren. Die Silhouetten-Welt von Hue sieht atemberaubend aus, wenn sie von vibrierenden Neonfarben beleuchtet wird. Die mangelnde Variation und die schiere Flut an eintönigen Puzzles verwehrt dem Spiel die Perfektion, aber es ist trotzdem immer noch eine wirklich innovative Reise, die man als Kunstwerk bestaunen muss und in die wir vollkommen eintauchen sollen.