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R.U.S.E.

R.U.S.E.

Zweiter Weltkrieg und Echtzeitstrategie in Kombination, das kann eigentlich nur furchtbar langweilig werden - wenn sich nicht Eugen Systems zur Aufgabe gemacht hätten, frischen Wind in das Genre zu bringen. Ihre Mission war es, das Genre für alle Plattformen so umzusetzen, dass die Steuerung kein Hindernis mehr darstellt.

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Um zu verstehen, was R.U.S.E. ist, muss man wissen, wie sich das Spiel steuert. Das nämlich ist Dreh- und Angelpunkt bei der Entwicklung gewesen. Eugen Systems wollten eine Oberfläche schaffen, die auf allen Plattformen eine leichte Bedienung ermöglicht und zudem die Essenz dessen, was Echtzeitstrategie-Spiele ausmacht, auf den Punkt bringt. Mit dem Ziel, diese Wünsche umzusetzen, haben sie die Iriszoom-Engine entwickelt.

Ein Blick ins Spiel verrät, was die Engine leistet: Aus großer Entfernung sieht man kein echtes Schlachtfeld, sondern eine Landkarte, die irgendwo in einer Kommandozentrale auf einem Tisch liegt. Stufenlos ist aber ein Zoom direkt ins Geschehen möglich. Einheiten, die aus der Entfernung nur als Stapel von Chips erkennbar sind, können in der Nahansicht unkompliziert auch einzeln angewählt und gesteuert werden. Trotzdem sind wir selbst eben kein Soldat in diesem Krieg, sondern befehligen lediglich die Armee. Dieses Gefühl der Distanz zwischen Truppen und uns, dem Kommandeur, wird dank der Engine bestens eingefangen.

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Aus der Ferne ist die Spielwelt nur eine Landkarte in einer Kommandozentrale.

Welche Vorteile bietet das Gelände, wo befindet sich der Feind und womit kann ich ihn überraschen? Bei Ansicht der Landkarte sind wir der kühle Stratege, der die meist wenigen Einheiten hin- und herschiebt und den Blick für das große Ganze haben muss. Trotzdem lehrt gerade die Kampagne, dass es dennoch jede einzelne Einheit ist, die zählt. Es geht nicht um eine Materialschlacht oder das Aussenden eines Himmelfahrtskommandos. Wohl überlegt sollte jeder Schritt sein, denn selbst das stärkste Panzer-Bataillon wird an einer guten Verteidigungslinie scheitern.

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Große Mengen Einheiten wird man sowieso kaum auf dem Bildschirm sehen. Zum einen fehlt das Geld, das nur mühselig aus auf der Karte verteilten Depots herbeigeschafft werden muss - und zu allem Überfluss liefern die Karten nicht unbegrenzte Mengen an Waren, die zu Geld gemacht werden können, sondern sind irgendwann aufgebraucht. Es gibt aber auch eine Beschränkung der Einheiten durch das Spiel selbst. Diese Grenze wird man zwar in der Regel nicht erreichen, jedoch bleibt so für solche Fälle trotzdem ein Gleichgewicht gewahrt.

Die im Spiel enthaltenen Einheiten sind gut ausbalanciert: Es gibt eine Infanterie, die sich zwar leicht in Wäldern und Städten für einen Überraschungsangriff verstecken kann, aber ansonsten recht schwach auf der Brust ist. Artillerie und Anti-Tank-Einheiten haben eine relativ große Reichweite, aber auch sie haben ihre Schwächen, die von Einheit zu Einheit variieren. Das geht so weit, dass beispielsweise die Panzer-Abwehr nicht in der Lage ist, die Infanterie anzugreifen. Das kann schnell tödlich enden und kostet den Gegner nicht einmal viel Geld.

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Es gibt Infanterie, Panzer, Flugzeuge, Artillerie und andere Abwehreinheiten - alle auch aus der Nähe zu betrachten.

Panzer hingegen sind stark, insbesondere die schweren. Sie sind allerdings teuer und je nach Größe sehr langsam unterwegs. Außerdem sind sie nicht nur gegen die Panzer-Abwehr anfällig, auch gegen Flugeinheiten können sie nichts ausrichten und sind für diese leichte Beute. Dazu gibt es noch ein paar spezielle Prototypen, die nur mit Hilfe eines Spezialgebäudes gebaut werden können. Sie besitzen besondere Eigenschaften, kamen aber im tatsächlich Krieg eher nicht zu Einsatz. So etwa der superschwere Panzer Maus, von dem tatsächlich im Krieg nur zwei Stück gebaut wurden. Ergänzt wird das Ganze durch Flugeinheiten, die Einheiten am Boden aufmischen oder aber ihresgleichen gefährlich werden.

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Die Besonderheiten hinsichtlich der taktischen Finesse erreicht das Spiel aber nicht unbedingt durch die Einheiten, sondern durch die spielbaren Kriegslisten, die Ruses. Sie füllen sich mit der Zeit selbstständig auf und unterstützen bei der Umsetzung von Strategien. Zehn gibt es insgesamt, darunter ein Ruse, dass einen Angriff mit Holz-Panzern oder Holz-Flugzeugen ermöglicht. Damit kann man den Gegner möglicherweise aus der Reserve locken, um sich danach einen perfekten Schlachtplan zu überlegen. Oder man greift von zwei Fronten an, wobei die eine eben nur aus der Holzarmee besteht.

Andere Ruses sorgen für Funkstille und verstecken die eigenen Einheiten und Gebäude vor dem Feind - dann hilft dann auch kein Ruse, das über einen Spion die Einheiten verrät und auch keins, das durch die Entschlüsslung der Funkverbindungen Aufschluss über die Feindbewegungen gibt. Entweder man greift dann trotz dieser beunruhigenden Ahnungslosigkeit an oder aber man schickt ein Aufklärungsfahrzeug zu Land oder in der Luft voran, das erst einmal die Lage ausspäht. Damit können übrigens auch Infanterie-Einheiten in Wäldern aufgespürt werden - durchaus praktische Einheiten.

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Das Menü ist simpel gehalten und enhält doch alles was man braucht. Auch die Ruses sind hier gleich an erster Stelle untergebracht.

Aufklärungseinheiten sind es auch, die von Haus aus eine bessere Sicht mit sich bringen. Ein Panzer etwa kann nicht durch einen Wald herumschauen, selbst wenn durch aus Strategiegründen bekannt ist, dass dort eine Einheit lauert. Genauso verhält es sich etwa mit Städten, die oft kleine Einbuchtungen haben, in denen sich der Feind versteckt hält. In diesem speziellen Fall kommt zwar ein Aufklärer am Boden auch nicht unbedingt sehr weit, aber zumindest hat er mit seinem erweiterten Sichtfeld die Chance, einen tieferen Einblick in die Straßen zu gewinnen, ohne selbst entdeckt zu werden.

Die Steuerung ist dabei erstaunlich einfach gelöst. Es gibt ein Menü, in dem alle verfügbaren Aktionen zum Bauen wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind - inklusive eines Ruse-Menüs übrigens. Man wählt also nicht auf der Karte ein Gebäude aus und schaut was dort gebaut wird, sondern das Spiel wählt automatisch je nach Zielpunkt das nächstgelegene Gebäude für den Bau der Einheit aus. Das vereinfacht viele Mechanismen ungemein, für die man sonst gerne eine Maus mit Tastatur gehabt hätte. Dennoch werden PC-Besitzer dank ein paar Tastaturkürzeln die Flinkeren sein.

In der Kampagne lernt man all dies, aus der Sicht eines kleinen Lichts beim Militär, das langsam aufsteigt. Anfangs besitzt man noch nicht einmal die Möglichkeit, eigene Einheiten zu bauen, sondern muss sich mit dem Wenigen begnügen, was einem zur Verfügung gestellt wird. Da wird eben mit geschickt platzierter Infanterie in Städten und Wäldern ein kräftiger Schlag in die italienische Magengrube ausgeteilt. Gespielt wird nämlich auf Seiten der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg. Und nachdem Hitlers Offensive in Afrika zurückgeschlagen wird, landet man im Anschluss natürlich in Italien. Hier wird man dann auch das erste Mal selbst als Baumeister tätig. Behutsam führt das Spiel an die vielen kleinen Details heran.

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Bei den Schlachten kann es trotz der Begrenzung von Einheiten heiß hergehen. Vielleicht noch ein Ruse, um die eigenen Einheiten bis auf's Blut kämpfen zu lassen?

Das Ziel aber, das wird schnell deutlich, ist nicht der Sieg über die Nazis im Zweiten Weltkrieg, sondern die Vorbereitung auf den Mehrspielermodus - und den Krieg gegen menschliche Gegner. Hier gibt es keine Beschränkungen mehr, was gebaut werden darf und auf den riesigen Karten können sich bis zu vier Spieler austoben. Sieger ist übrigens nicht nur der zuletzt Verbleibende. Man spielt gegen die Uhr und wenn die abgelaufen ist, werden die Punkte gezählt. Kassiert wird, wenn man Einheiten abschießt oder Gebäude plattmacht. Spieler, die also so lange auf den Gegner eindreschen, bis dieser nicht mehr kann, können am Ende trotzdem unterliegen, wenn sie beim Angriff zu viele Einheiten verloren und so wertvolle Punkte an den Feind abgegeben haben. Die Uhr bringt zudem Schwung ins Spiel, weil natürlich jeder Spiel so schnell wie möglich ausreichend Punkte gesammelt haben möchte.

Optisch schaut das Spiel ganz ordentlich aus, auch wenn natürlich die Qualität nachlässt, je näher man dem Spielgeschehen kommt. Dafür aber, dass stufenlos und ohne Ruckeln in jede Ansicht gewechselt werden kann, verschmerzt man die Qualität einiger Texturen auf den Konsolen. Am PC ist alles höher aufgelöst. Der Sound ist ganz nett, aber kaum herausragend. Das Gefühl, Teil des Kriegsschauplatzes zu sein, ist eine Sache, sich davon berühren zu lassen und ganz darin zu versinken, eine andere.

Murphys Gesetz sagt, wenn ein Plan dumm ist, aber funktioniert, ist es kein dummer Plan. Das ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Regeln, die das Spiel immer wieder in den kurzen Ladebildschirmen anführt. R.U.S.E. ist ein Strategiespiel, das zwar in Echtzeit abläuft, aber keinesfalls die Dynamik anderer Genre-Vertreter entwickelt. Vor allem geht es um die richtige Taktik, den richtigen Einsatz der richtigen Einheiten zum richtigen Zeitpunkt und um Himmels Willen darf man die Ruses nicht vergessen. Wer glaubt, sich einfach schnell mit Gewalt durchboxen zu können, der ist ein gefundenes Fressen für den Gegner. Wer kreativ ist und sich über sein Vorgehen Gedanken macht und im besten Fall die Kunst des Querdenkens beherrscht, der hat gute Chancen, in diesem Spiel zu bestehen.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
einfache Steuerung, viele taktischen Möglichkeiten
-
Texturen auf der Konsole teilweise schwach, spielt sich etwas träge
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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