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Lost Horizon

Lost Horizon

Animation Arts bringt uns Indiana Jones and the Lost Horizon - könnte man denken. Nur leider gibt es in Lost Horizon weit und breit keinen Indiana Jones. Dafür viel Tempo, zu leichte Rätsel und zu wenig Spannung.

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Als ich die Eröffnungs-Sequenz von Lost Horizon sehe - eine Montage aus Reisebildern - ertappe ich mich beim Summen der Indiana Jones-Titelmusik. Die berühmte Melodie von John Williams ist auch so ziemlich das einzige, was dem Spiel zu einem Indiana Jones-Titel fehlt. Es könnte tatsächlich auf einem vergessenen George Lucas-Script basieren, das irgendwo tief verborgen in seinem Schreibtisch schlummerte. Da hätte es wohl auch besser bleiben sollen.

Wie passend, dass Lost Horizon ein Adventure ist. Wirklich alles in diesem Spiel ist eine unverhohlene Feier des Helden mit dem Hut und der Peitsche: Von der Hauptfigur, dem gutherzigen Fenton Paddock, bis hin zur Story von der Jagd nach einer mystischen Zivilisation und einem Schatz, verborgen in einem unerkundeten Teil von Tibet. Zu allem Überfluss spielt die Geschichte auch noch 1936, deswegen haben auch hier natürlich die Nazis ihren Auftritt und jagen ebenfalls dem Schatz hinterher.

Lost Horizon ist von derselben Begeisterung durchtränkt wie Abenteuer-Romane aus den 1950-er Jahren. Ich meine die Dinger, auf deren Covern reißerische Schlagworte wie "Fantastisches Abenteuer!", "Spannung!" oder "Rätselhafte Geheimnisse!" gedruckt waren.

Was mich an diesem Spiel am meisten beeindruckt hat, war das durchgehend hohe Tempo. Das Adventure-Genre ist eigentlich eine eher langsame und methodische Angelegenheit - man nimmt sich Zeit fürs Erforschen und Rätseln. Wenn sich der Gehirnknoten auflöst, wird die Aufgabe geknackt und weiter geht's. Bis zum nächsten Hindernis, das einen wieder für einige Zeit aufhalten wird.

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Lost Horizon
Ohne Hut und Peitsche - ansonsten ist Hauptcharakter Fenton Paddock Indiana Jones sehr ähnlich.

Lost Horizon vermeidet einige typische Fallen des Genres, was in einem höheren Tempo resultiert. Addiert man dazu die Indiana Jones-Formel des schnellen Reisens und den geringen Schwierigkeitsgrad der Rätsel, kommt ein sehr schnelles Spiel dabei heraus. Die Rätsel sind oft genug schlicht und einfach, zusätzlich zeigen kleine Symbole an, wie mehrere Gegenstände miteinander benutzt werden müssen.

Eine andere, weitaus größere Schwäche des Spiels ist die Schlichtheit seiner Story. Fenton Paddock hat durchaus seine Momente, im Ganzen gehen ihm aber jener Witz und Charme ab, die Harrison Ford's Indiana Jones zum sympathischen Helden machen. Da der Rest der Charaktere sogar noch dünner und weniger spannend ausfällt, bleiben einem nur die Schatzsuche und das Abenteuer.

Fenton Paddock bereist die ganze Welt in seinem Rennen gegen die Nazis. Er besucht dabei den Dschungel Indiens oder Berlin unter Nazi-Herrschaft während der Olympischen Spiele. Alle Orte sind einladend und betteln geradezu darum, erforscht zu werden. Aber das Spiel scheitert beim Versuch, echte Spannung und Dramatik während Paddocks Reisen aufzubauen. Das große Geheimnis, verborgen in Tibet, wird nur durch Zufall in einem Zeitungsartikel enthüllt. Ich fühle mich von den abstrakten Andeutungen und vagen Hinweisen eher belästigt.

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Lost Horizon
Einladende Kulissen vom indischen Dschungel bis zum Berlin der Nazizeit - sie betteln geradezu darum, erkundet zu werden.

Nach einer Weile komme ich mir wie ein verlorener Tourist vor. Ein Tourist, der von einem digitalen Urlaubs-Ressort ins nächste geschleift wird, ohne jedes Gefühl von Tiefe. Über die Rätsel lässt sich dasselbe sagen: Die sind oft so sinnlos, dass man nicht einmal versteht, warum man gerade Eiszapfen in einen Dampfkochtopf tun musste.

Während ich vor mich hin klicke, suche ich nach dem roten Faden in der Logik der Entwickler. Die fehlenden Herausforderungen ermöglichen ein schnelles Vorankommen, Frustration löst das Spiel daher nie aus - stattdessen aber ein konstantes Gefühl der Gleichgültigkeit. Meine Handlungen haben keinen Sinn. Es fehlt der Kontext, ich frage mich, was dieses Spiel eigentlich von mir will. Für einen leidenschaftlichen Videospieler ist das ein denkbar mieses Gefühl.

Im Gegensatz zu seinen Wurzeln ist Lost Horizon eines der ungefährlichsten Spiele, die mir seit langem untergekommen sind. Das heißt nicht, dass es schrecklich ist - mir gefällt die angedeutete Familien-Formel eines Adventures. Und die Momente, in denen ich eines der wenigen schwereren Rätsel löse, sind die schönsten Momente des Spiels.

Die Kluft zwischen Lost Horizon und den Filmen, durch die es inspiriert wurde, ist enorm groß. Ähnlich wie im letzten Indiana Jones-Film scheint es, als hätten die Macher zwar alle Zutaten auf eine Liste geschrieben - sich dabei jedoch nicht um deren Sinn und die Kontinuität geschert. Animation Arts hat versucht, das Spiel durch einen geringeren Schwierigkeitsgrad und höheres Tempo zu optimieren. Dabei vergaßen sie jedoch, was wirklich den Spaß an einem Adventure ausmacht.

05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
Temporeich, einladende Kulissen, gut für Anfänger
-
Kaum Herausforderungen, unlogische Rätsellösungen, Geschichte ohne Bindungskraft
overall score
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