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Civilization: Beyond Earth

Civilization: Beyond Earth - Rising Tide

Oft schlagen die Erweiterungen für Civilization große Wellen, wenn sie ganze Spielmechaniken verändern. Rising Tide ist da keine Ausnahme.

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Mit Civilization: Beyond Earth hat Firaxis ein ganz besonderes Strategiespiel geschaffen. Das sechste Spiel der Reihe machte uns zu einem echten Entdecker. Wir sind aufgebrochen ins All und auf einem fremden, unbekannten Planeten gelandet. Wir mussten erst dessen eigene Gesetze und Regeln lernen. Und wir mussten entscheiden, ob wir das Fremde in uns aufnehmen wollten oder es bekämpfen. Zudem gab es eine neue Missionsstruktur, die dem ansonsten weiter offenen Spiel etwas hinzufügte, an dem wir uns festhalten konnten. Es war fast so, als würden wir einer Geschichte folgen. Das Team brachte reichlich neue Elemente ein, aber im Kern blieb es Civilization und so fühlte es sich auch an.

Mit den Erweiterungen geht das Team meist auf Defizite ein. Es werden oft ganz neue Mechaniken eingeführt, die den Ton des Spiels ändern können, statt einfach nur spröde weitere Inhalte zu ergänzen. Auch Rising Tide bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Doch obwohl eine der großen Neuerungen die Besiedelung des Wassers ist, bleibt ein großer Überraschungsmoment wie in Civilization: Beyond Earth verständlicherweise aus. Wir haben den Planeten schließlich bereits entdeckt, auch das Wasser. Diesen Teil der Oberfläche nun zu nutzen hat rein strategische Gründe. Zum einen können wir so an weitere, seltene Ressourcen kommen und zum anderen lassen sich die schwimmenden Städte bewegen. Die Erkundung aber tritt in den Hintergrund.

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Wir können nun Städte auf dem Wasser errichten. Diese dehnen ihren Einflussbereich aus, in dem sie bewegt werden.
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Für mich ist das eine kleine Enttäuschung. Die besondere Erfahrung hing mit der anfänglichen Funktion als Entdecker zusammen. Der Ozean allerdings ist nicht überraschend genug. Es ist eine nette Ergänzung, dass wir Städte per Produktion immer ein Feld weiter bewegen können. Dadurch erhöht sich auch der Einflussbereich, denn die Grenzen von Wasserstädten wachsen nicht natürlich. Und Wasserstädte haben weniger Probleme, Kultur und Energie zu produzieren, dafür aber einen Mangel bei der Nahrung. Trotzdem führt dies nur zu einer marginalen Änderungen am bekannten Spielprinzip. Wir haben nun eben auch stärker das Wasser im Blick, wenn es um Expansion geht.

Mit Duncan Hughes und der Nordsee-Allianz gibt es auch eine neue Fraktion, deren Städte und Einheiten sich schneller im Wasser bewegen können. Ähnlich stark auf dem Wasser ist Han Jae Moon von der Gruppe Chungsu, die ursprünglich von der koreanischen Halbinsel stammen. Hier kommt noch ein Bonus auf Spionage hinzu, welcher der Wissenschaft hilft. Arshia Kishk führt Al Falah an, die im Nahen Osten und Nordafrika beheimatet sind. Sie schätzen die Natur und sind es gewohnt, mit Mangel zu leben und wenigen Ressourcen auszukommen. Als vierte neue Fraktion können wir Integr mit der Anführerin Lena Ebner wählen. Sie steht für das deutschsprachige Mitteleuropa und all ihre Städte tragen deutsche Begriffe wie Weltgeist, Demut oder Eintracht. Ihr großer Vorteil ist die Diplomatie.

Damit kommen wir aber zum eigentlich interessanteren Teil der Erweiterung. Was die kulturellen Anpassungen für Civilization V waren, ist nun die Diplomatie für Civilization: Beyond Earth. Die Funktionsweise wurde komplett überdacht und vor allem transparenter. Zunächst gibt es Furcht- und Respektpunkte. Die einen hängen von der Größe unser Armee ab. Die anderen werden durch unsere Wirtschaft, Bevölkerung und Wunder beeinflusst. Dazu kommen diplomatische Entscheidungen. Das Team hat versucht, relativ realistisch abzubilden, was für Diplomatie wichtig ist. Jede Veränderung dieser Punkte zeigen uns die anderen Fraktionen an. Wir erfahren also sehr genau, warum eine diplomatische Beziehung möglicherweise auf eine Eiszeit zusteuert.

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Die anderen großen Neuerungen sind die flexiblen Affinitäten sowie das komplett überholte Diplomatiesystem.

Haben wir ein gutes Verhältnis, können wir Kooperationen und Allianzen schmieden. Verschlechtert es sich, führt dies fast automatisch zum Krieg. Sowieso ist diese neue Diplomatie zwar sehr gut nachvollziehbar, aber unglaublich stark gelenkt. In Dialogen mit anderen Anführern können wir gar nicht mehr zum Krieg gegen eine andere Nation aufrufen. Mir ist es mehrmals passiert, dass ich mit Verbündeten plötzlich im Krieg stand, weil eine andere Fraktion mit dem Gesundheitszustand meiner Bevölkerung unzufrieden war. Und dann wieder Frieden schließen zu können, ist nicht sehr einfach. Im Kriegszustand wird nicht nur die Furcht als Größe herangezogen, sondern es greift auch ein neues Punktesystem, das auf kriegerischen Erfolgen gegen die jeweilige Fraktion basiert. Als friedliche Nation haben wir es da nicht einfach.

Alles innerhalb des Diplomatiesystems ist nun besser nachvollziehbar, aber von außen betrachtet nicht wirklich verständlich. Es ist toll, dass fast all unsere Handlungen zu direkten Veränderungen in den diplomatischen Beziehungen führen. Es macht die Erfahrung dynamischer und lockt uns aus der Reserve. Meines Erachtens nach ist das neue System aber weniger natürlich. Ich mochte an Civilization, dass die Künstlicher Intelligenz vergleichsweise clever agierte und ich das Gefühl hatte, wirklich mit anderen zu verhandeln. Ich gehöre nicht zu jenen, die mit dem alten System unzufrieden waren. Man kann hier also geteilter Meinung sein.

Mit dem neuen System gibt es aber noch eine weitere Ergänzung. Wir können mit anderen Anführern Verträge abschließen. Wir bekommen dafür Boni wie mehr Wissenschaft, Kultur, Gesundheit oder Energie. Vielleicht können sich aber auch unsere Arbeiter-Einheiten schneller bewegen oder unser Kolonist kann direkt Städte gründen, ohne erst einen Außenposten aufzupäppeln. Unser Partner bekommt im Gegenzug Diplomatiepunkte. Fünf aktive Verträge können wir abschließen. Die Zahl der Verträge, die andere mit uns abschließen ist nicht begrenzt.

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Es gibt viele kleine Neuerungen, wozu auch ein kühler Eisplanet und einer mit vielen Vulkanen gehört.

Was jeder Anführer anbietet, hängt von seinen Charaktereigenschaften ab. Auch die lassen sich mit Diplomatiepunkten kaufen, ausbauen und ändern. Bestimmte Gebäude produzieren übrigens ebenfalls solche Punkte und wenn wir im Laufe einer Partie viele solcher Punkte angesammelt haben, dann können wir damit auch den Sofortkauf von Gebäuden finanzieren. Dieser Teil der neuen Diplomatie ist zwar ebenfalls ein recht hölzernes System, aber wir haben mehr Freiheit und es sorgt für noch mehr Individualität beim Aufbau der Nation.

Es ist übrigens nicht ganz richtig, dass es keinerlei Veränderungen für das Element der Erkundung gibt. Zerstören wir ein Aliennest, erkunden alte Ruinen oder andere Relikte der Vergangenheit, gibt es nicht nur einen Sofortbonus, sondern wir finden manchmal auch Artefakte. Diese unterscheiden sich in Art und Qualität und lassen sich direkt zu weiteren Boni verarbeiten oder ab verschaffen uns im Trio kombiniert weitere, besondere Talente. Der Einfluss auf die Erfahrung ist aber eher gering.

Geschraubt hat Firaxis ebenfalls etwas an den neu eingeführten Affinitäten Harmonie, Reinheit und Vorherrschaft. Diese richteten sich danach, ob wir den Planeten an die Erde anpassen und mit viel mit Maschinen arbeiten, ob wir das Ökosystem schützen und für uns nutzen oder aber einen Mittelweg wählen. In Rising Tide fällt das Schwarz-Weiß weg und es gibt dazu Hybrid-Einheiten. Wir müssen uns also nicht unbedingt mehr für eine Seite entscheiden, sondern können Vorteile daraus ziehen, wenn wir verschiedene Wege einschlagen.

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Das neue Diplomatiesystem wird in der Community große Wellen schlagen.

Die angepassten Mechanismen sorgen für noch mehr Vielfalt bei der Wahl der Einheiten und stärken die seit Civilization V ohnehin recht starke militärische Komponente. Ob es nun gut ist, dass wir uns nicht mehr entscheiden müssen, darüber lässt sich natürlich streiten. Einerseits schreibt uns das Spiel nun nicht mehr vor, welchen Weg wir gehen müssen. Auf der anderen Seite machen es solche klaren Abgrenzungen auch interessant. Ich denke aber, die Mehrheit wird das neue System begrüßen.

Zunächst mag es so klingen, als würde die Besiedlung der Ozeane das Kernelement sein. Tatsächlich aber tritt Firaxis vielmehr eine politische Welle los, die sicherlich für viel Diskussion in der Community sorgen wird. Es gab viel Kritik an der Künstlichen Intelligenz, aber das neue System ist meiner Meinung nicht die beste Lösung. Während ich das diplomatische Kapital als Währung schätze, stört mich der starre, wenn auch transparente Ansatz bei Verhandlungen mit dem Gegner. Anfangs schien es noch ganz interessant, aber irgendwann störte es mich sichtlich.

Trotzdem bringt Rising Tide viel frischen Wind mit sich und neben den ganzen Änderungen bei den Spielmechaniken und den vier neuen Anführern gibt es auch zwei neue Planetentypen mit eisigen Gletschern und mit brodelnden Vulkanen. Es ist genug neuer Stoff, um Civilization: Beyond Earth wieder spannend zu machen und trotz der Kritik an einem Teil der neuen Diplomatie möchte ich auf all die anderen Funktionen nicht mehr verzichten.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Mit Wasserbesiedlung mehr Platz zum Austoben, diplomatisches Kapital als Währung, weniger starre Affinitäten
-
Diplomatie fühlt sich zu starr an, Wasserthema ändert nur wenig am Spiel
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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