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Botanicula

Botanicula

Mit Machinarium haben sich Amanita Design bereits ein Denkmal gesetzt. Das Spiel hat verzaubert und wurde zum großen Verkaufserfolg für den tschechischen Entwickler. Mit ihrem neuen Spiel wollen sie nun an diesen Erfolg anknüpfen.

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Was ist der Sinn des Lebens? Die Frage haben sich Philosophen, Dichter und Denker gestellt. Es ist eine Frage, auf die es keine abschließende Antwort gibt und mit der wir uns daher immer wieder gern auseinandersetzen. Auch Spiele greifen das Thema in regelmäßigen Abständen auf und setzen es mal mehr, mal weniger konkret um. In Botanicula geht es vordergründig nicht einmal darum. Und doch ist der Zyklus aus Leben und Sterben mit seinen vielen kleinen Wundern und Helden dazwischen das Leitmotiv.

Am Anfang steht ein Baum, der Früchte trägt. Doch ein schwarzes, spinnenartiges Wesen verleibt sich diese ein und greift den Baum und seine Bewohner an. Das Leben wird wörtlich aus allem herausgesaugt und niemand scheint diesen Prozess aufhalten zu können. Doch an dieser Stelle treten fünf Figuren auf den Schirm. Fünf kleine Helden, die alle repräsentativ für die lebendige Welt um einen Baum stehen - inspiriert von der Lampionblume, einem Pilz, einem Zweig, einer Feder und der Mohnblume. Sie versuchen gemeinsam die letzte Saat ihres Baumes zu retten und neues Leben entstehen zu lassen.

Erzählt wird diese Geschichte komplett ohne Sprache und Worte, sondern nur durch Bilder. Ebenso fehlen komplizierte Steuerung und Fähigkeiten. Alles wird mit der Maus auf einfachste Weise gesteuert und ist mehr oder weniger selbsterklärend. Jará Plachý und Amanita Design verstehen ihr Handwerk, denn trotz der Reduktion ist das Spiel nicht eintönig oder langweilig. Botanicula ist eine Mischung aus klassischem Adventure, Wimmelbild und interaktiver Geschichte. Und auch wenn diese Formen der Unterhaltung alle nah beieinander liegen mögen, so ist die Komposition doch etwas ganz eigenes.

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Fünf kleine, aber mutige Helden kämpfen gegen ein bösartigen Parasiten, um die letzte Saat zu retten.
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Tatsächlich erinnerte mich die Reise der fünf kleinen, aber mutigen Helden ganz oft an jene Reise, auf die mich Thatgamecompany mit Journey geschickt haben. Botanicula ist ein audiovisuelles Kunstwerk, viele Elemente sind nicht einmal Teil der Mission, sondern einfach nur Spielerei. Wir erzeugen Bilder und Töne, erleben kleine Überraschungen, Freude, Spannung und auch ein kleines bisschen Angst. Botanicula macht deutlich wie wertvoll Leben ist.

Die Welt besteht aus Schauplätzen, die alle Teile eines Baum betreffen - vom kleinsten Zweig bis tief in die Wurzeln. Es sind phantasievolle Orte, die zwar nie wirklich bunt und trotzdem farbenfroh sind. Genaugenommen ist die Welt nicht einmal besonders hübsch. Manches ist eigentlich sogar eher abstoßend. Doch die Schönheit der unwirklichen Umgebungen oder Charaktere in diesem Abenteuer liegt in ihrem besonderen, ganz eigenen Charme.

Dazu kommt die atmosphärische Musik der Band Dva, deren Namen vom tschechischen Wort für zwei kommt. Auch die ist weder wirklich schön, noch lässt sie sich irgendwo einordnen. Aber so beschreiben die beiden Musiker ja auch ihre Werke. Es ist nicht existenter Radio-Pop, Folklore für ein nicht existentes Land. Ein Sammelsorium aus allerlei Klängen, Geräuschen und manchmal sogar mit Gesang, aber trotzdem ohne Sprache. Die Musik entsteht aus Alltagsklängen, aus echten und selbstgebastelten Instrumenten.

Das sollte man sich jetzt nicht so vorstellen, wie Musikmachen im Garten von Peter Lustig. Auch wenn bei genauem hinhören, vielleicht der Ursprung mancher Töne zu erkennen ist, so ist das Zusammenwirken zwar experiementell, aber trotzdem ein durchkomponiertes Meisterwerk. Es ist ein Sound, in dem man sich verliebt, weil er so eigenartig, so merkwürdig ist. Und wie es bei den Veröffentlichungen von Daedalic inzwischen fast üblich ist, gibt es eine limitierte Erstauflage, die den Soundtrack enthält. Als wüssten sie bereits, dass wir ohne den sowieso gar nicht auskommen würden.

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Nun gehören zu einem Adventure natürlich auch die entsprechenden Aufgaben und tatsächlich setzt sich das Spiel an vielen Stellen dadurch zusammen, dass wir Gegenständen finden und sie an anderen Stellen einsetzen müssen. Das wirkt nicht immer optimal, aber Botanicula ist trotzdem so logisch aufgebaut, dass zumindest alles ineinander greift. Und nebenher gibt es - und hier glänzt Botanicula richtig - fantastische, kleine Minispiele. Es gibt ein Labyrinth, das an den heißen Draht erinnert, kleine Shooter-Sequenzen oder auch Wettrennen. Faszinierend, wieviel Kreativität dahinter steckt.

Botanicula
Die Welt ist absurd und besticht wie auch die Musik durch ihren ganz eigenen, besonderen Charme.

Botanicula ist ein audiovisuelles Kunstwerk. Es ist das, was wohl die meisten und Indie verstehen. Dieses Spiel ist anders, auch wenn es am Ende natürlich trotzdem sich vieler bekannter Elemente bedient. Allein die Form ist so ungewöhnlich, dass es manchem vielleicht schon wieder zu anstrengend ist. Aber Botanicula ist auch ein Spiel, dass definitiv für alle Altersstufen geeignet ist. Aufgemacht wie ein Bilderbuch, das wir entdecken, und so ganz ohne Sprache ist es sogar für jene geeignet, die noch gar nicht lesen können. Vielleicht sind manche Rätsel etwas schwer, aber vielleicht sind sie auch nur so schwer, weil einem Erwachsenen gar keinen unkonventionellen und doch so nahe liegenden Lösungen mehr in den Sinn kommen.

Und gleiches gilt wohl auch für die ungewohnte Präsentation. Das Entdecken und Erkunden, das Ausprobieren und Staunen - Botanicula spricht eigentlich ein ziemlich breites Spektrum von Menschen an. Und das begründete schließlich auch den Erfolg von Machinarium. Und wer weiß, vielleicht gelingt es, den wiederholen. Zumindest hätte es dieses Spiel wirklich verdient.

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09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
wunderschöne Präsentation, großartiger Soundtrack, liebevolle Charaktere, tolle Ideen
-
irgendwann ist die Geschichte zu Ende
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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KRITIK. Von Martin Eiser

Botanicula ist ein audiovisuelles Kunstwerk - aufgemacht wie ein wunderschönes Bilderbuch, das wir erkunden.



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