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Star Trek Online

Star Trek Online

Star Trek ist ein kulturelles Phänomen, das die Menschen bereits seit 50 Jahren beschäftigt und fasziniert. Vieles aus den TV-Serien (und Filmen) hat mehr oder weniger unterbewusst Einzug in unser alltägliches Leben und sogar unsere Sprache gehalten: Mr. Spock und Captain Kirk sind mindestens so populär und bekannt wie Luke Skywalker und Darth Vader. Jeder kennt den Spruch "Beam me up, Scotty". Scotty ist mittlerweile leider tot. Und genau so schlecht stand es 2008 plötzlich um das Online-Rollenspiel Star Trek Online.

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Entwickler Perpetual Entertainment, der seit vier Jahren an dem Titel gearbeitet hatte, war pleite. Mit den Cryptic Studios fand sich jedoch schnell ein Unternehmen, das die Lizenz doch noch vergolden wollte. Nicht einmal zwei Jahre später ging das Spiel nach einer kompletten Neuentwicklung an den Start. Hat dieses enge Zeitfenster wirklich ausgereicht, um nicht nur einen konkurrenzfähigen Titel aus dem Boden zu stampfen, sondern auch den Star Trek-Spirit einzufangen?

Cryptic sind kein unbeschriebenes Blatt und haben mit MMOGs wie City of Heroes und Champions Online bereits Genre-Erfahrung nachgewiesen. Die Ergebnisse waren jedoch eher durchschnittlich bis ernüchternd. Insider verwundert es daher kaum, dass sich leider auch Star Trek Online in die Riege der halb garen Erzeugnisse einordnen muss und am Ende nur teilweise überzeugen kann. Doch der Reihe nach, worum geht es eigentlich?

Bei Star Trek Online handelt es sich um ein Online Rollenspiel, das Spieler gegen monatliche Abo-Gebühren an Abenteuern in den "unendlichen Weiten" des Weltalls teilnehmen lässt und in Bereiche vordringen lassen will, "wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist". Was kann es für Fans der Serie und Zocker Schöneres geben, als selbst als draufgängerischer Raumschiffcaptain oder Wissenschaftler den Warpantrieb anzuheizen, um das All als Spielwiese zu durchpflügen. Und als Bonus gibt es noch viele klassische Schauplätze aus dem bekannten Star Trek-Universum zu besuchen: die Raumstation Deep Space Nine, sich bei Wolf 359 eine Schlacht mit den Borg (nein, das sind keine Schweden ...) liefern oder von einem enttarnenden Bird of Prey überrascht werden und "Khaaaaaaaaaaaaaan!" rufen.

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Ein Wiedersehen mit vielen bekannten Orten und Rassen. Nicht alle wird man mögen.
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Und tatsächlich, all diese Orte haben den Weg ins MMOG gefunden, dessen Timeline 30 Jahre nach den Geschehnissen des Films Star Trek: Nemesis einsetzt und den Entwicklern damit höchstmögliche Freiheiten im Umgang mit bekannten Figuren erlaubt. Leonard Nimoy (Spock) wurde davon überzeugt, einige Gastauftritte in Form von Audioschnipseln zu absolvieren und dem Spiel auf diese Weise so etwas mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Es genügt jedoch nicht, einige bekannte Orte und Charaktere einzubinden und zu hoffen, dass sich der Star Trek-Spirit von selbst einstellt. Das riesige All will mit Leben gefüllt, die Community mit abwechslungsreichen und spannenden Abenteuern bei der Stange gehalten und die Vision des Star Trek-Erfinders Gene Roddenberry mit kreativen Ideen und angemessener Wahrhaftigkeit umgesetzt werden. Hätte Roddenberry jedoch erlebt, worauf sein Sci-Fi-Universum hier letztendlich reduziert wird - er würde sich im Grabe umdrehen, wenn seine Asche nicht schon längst um die Erde kreisen würde.

Einer von zwei zentralen Gameplay-Pfeilern bei Star Trek Online sind die Weltraumgefechte, über die man alle paar Minuten und in fast jeder Mission stolpert. Wir kämpfen in Flottenmanövern mit anderen Starfleet-Offizieren (also Mitspielern) gegen computergesteuerte Klingonen und helfen an anderer Stelle Wissenschaftlern gegen Alien-Bedrohungen. Oder wir unterstützen mit unserem Schiff die Aufrechterhaltung des Friedens und patrouillieren in gefährlichen Raum-Sektoren. Die Phaser sowie Photonen- bzw. Quantentorpedos sind immer im Anschlag, die Schilde stets einsatzbereit. Krieg und Kampf sind allgegenwärtig, dabei war dies in allen Star Trek-Varianten stets nur der allerletzte Ausweg. Selbst mit den Borg wurde immer wieder verhandelt. Hier jedoch herrscht allein das Gesetz des Stärkeren. Der Forscher- und Entdeckeraspekt steht sehr, sehr weit im Hintergrund. Selbst bei ausgewiesenen Forschungsaufträgen und Außeneinsätzen des Away-Teams (der zweite Pfeiler des Spielablaufs) bestimmen Gefechte das sehr actionreiche Bild von Star Trek Online.

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In Star Trek Online geht es vor allem um Weltraumgefechte. Diese auch ganz gut gelungen.
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Die Schlachten im All können zumindest noch teilweise überzeugen und durchaus spannend sein. Sie bringen zudem Verbesserungen für das Schiff und stellen für Offiziere einen motivierenden Aspekt dar. Man merkt jedoch den Einsätzen auf der Oberfläche mehr oder weniger bekannter Planeten an, dass die zugrunde liegende Technik bereits existierenden Cryptic-Spielen entlehnt wurde. Die Protagonisten - der Captain mitsamt ausgewählter Crewmitglieder - wirken staksig, ihre Bewegungen arg hölzern. Der Einsatz der meist kriegerischen Fertigkeiten sorgt zwar für viel "bumm bumm". Doch das ganze Geschehen erweckt den Eindruck, als sei die Spieleentwicklung tatsächlich vor vier, fünf Jahren stehen geblieben. Es ist weder schön anzusehen, noch spielerisch überzeugend. Schlimmer noch: Star Trek Online ist nicht nur selten eine unterhaltsame Verkittung von Außeneinsätzen und Weltraumgefechten, wo es in 90 Prozent der Fälle nur ums Ballern geht. Die mangelhafte technische Umsetzung vergällt sogar die Spielinhalte, die Spaß machen.

Star Trek Online macht an allen Ecken und Enden einen höchst unfertigen Eindruck. Ständige Lags machen das Spielen zur Qual: Das Raumschiff fliegt ein und dieselbe Strecke mehrmals, die Spielfigur springt vor und zurück und häufige Verbindungsabbrüche zum Server sorgen für Frust. Weiterhin erlauben dicke Clippingfehler das Feuern durch massive Objekte hindurch, Schiffe bleiben sogar in Asteroiden hängen oder KI-gesteuerte Kameraden am Boden an Felsen.

Zu allem Überfluss ist die Übersetzung ins Deutsche eine Katastrophe: "Talk to Wissenschaftler" ist ein Beispiel für das hanebüchene Denglish, über das man in praktisch jedem Satz stolpert. Begriffe wurden gar nicht oder falsch übersetzt, deutsche Beschreibungen sprengen bisweilen die Sprachboxen und Missionen ergeben gar keinen Sinn mehr. Oder es kommt vor, dass die Beschreibungen so schlecht transferiert sind, dass nicht mehr klar ist, was überhaupt getan werden und wo der Einsatz fortgesetzt werden soll, weil Planetennamen den Übersetzungsprozess nicht unbeschadet überstanden haben.

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Die Präsentation gehört zu den vielen Schwächen. Die Bewegungen der Charaktere wirken hölzern.

Star Trek Online versagt jedoch nicht nur in technischer und "spiritueller" Hinsicht. Auch einer der Kernbestandteile eines Online-Rollenspiels, die kommunikative Seite, die Sozialisierung der Spieler untereinander, bleibt häufig auf der Strecke. Der wichtigste Grund dafür ist die ständige Instanzierung der Inhalte. Abgesehen von der Übersichtskarte des bekannten Weltraums, die zudem in Sektoren aufgeteilt ist, über die wir per Warpspeed zu den Missionen gelangen, gibt es kaum zusammenhängende Spielinhalte. Jeder Bereich steht für sich selbst. Selbst Gruppen sind nicht davor gefeit, plötzlich in unterschiedlichen Spielinstanzen zu landen. Andererseits werden wir häufig mit wildfremden Spielern in eine Gruppe geworfen. Kommunikation innerhalb dieser generischen und sehr repetitiven Aufträge vom Reißbrett gibt es meist nicht, es herrscht Totenstille auf allen Frequenzen. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht dabei nur höchst selten.

Noch schwerer als ihre Föderationskollegen haben es jedoch Klingonencharaktere. Für diese Fraktion von Star Trek Online existieren bisher kaum PvE-Quests (Spieler gegen Feind). Und in PvP-Gefechten (Spieler gegen Spieler) sind die Krieger meist hoffnungslos unterlegen. Gerade an diesem Beispiel wird klar, wie unfertig das Spiel wirklich ist. Wie ein Hohn wirkt es dagegen, dass bereits zum Start zwei Rassen (Ferengi und Förderationsklingone) gegen zusätzliches Micropayment freigeschaltet werden können, obwohl das Kernspiel noch nicht einmal fertiggestellt ist. Wenn auch Soundeffekte und bekannte Serien-Melodien immer wieder für ein "Hier bin ich zuhause"-Gefühl sorgen und die Eckpfeiler zumindest halbwegs solide funktionieren und in kleinen Dosen (Weltraumschlachten) Spaß bereiten, fallen vermeintliche Kleinigkeiten immer wieder negativ auf.

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Klingonen haben es derzeit noch schwer in Star Trek Online.

Warum sind die Raumschiff-Duelle so eingeschränkt? Anstatt volle Bewegungsfreiheit im vierdimensionalen Raum zu haben, steuern sich die Schiffe wie Autos - dazu noch höchst schwerfällig und mit immensen Wendekreisen. Wie in anderen Cryptic-Spielen verwirrt das Beute-System mehr als das es zum Sammeln motivieren würde. Unterschiede zwischen den Gegenständen sind kaum auszumachen, ihr Sinn oder Nutzen häufig unverständlich - das wird auch im lächerlich dünnen Handbuch nicht erklärt. Und das Aufsammeln ist zudem höchst umständlich. Muss man bei solch elementaren Problemen noch über Details wie viel zu kleine Stapelmöglichkeiten für viele der generischen Items, kaum vorhandene Nebenbeschäftigungen, unübersichtliches Interface, generische Planetenoberflächen oder auch das Fehlen einer zusammenhängenden Story sprechen?

Nein. Star Trek Online wirkt wie ein unvollständiger und unfertiger MMOG-Bausatz, dem in der Leere des Alls der Kit verloren gegangen ist. Es gibt kaum etwas, das das Online-Rollenspiels zusammenhält. Die ständige Instanzierung reißt die Community auseinander, ein Zusammengehörigkeitsgefühl will kaum entstehen. Selbst wenn man die vielen technischen Fehler und Ungereimtheiten außer Acht ließe (was wir nicht machen) bleibt ein langweiliges Korsett aus Weltraumgefechten und schnell ermüdenden Kämpfen auf Planetenoberflächen. Die Missionsstrukturen wirken generisch und belanglos. Den Star Trek-Spirit lediglich mit einigen bekannten Akteuren und Orten sowie Musikschnipseln einfangen zu wollen, wirkt schon fast etwas verzweifelt. Denn alles andere strahlt nur sehr selten das aus, was Star Trek ausmacht: die friedliche Erkundung des Weltraums, andere Welten zu erforschen und dorthin zu gehen, wo noch niemand zuvor gewesen ist. "Scotty, beam mich weg, bitte!"

05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
Nette Weltraumgefechte, vertraute Melodien und Orte, Raumschiffausbau
-
Ständige Lags, viele technische Fehler, kein Community-Feeling, fast nur Kampf und Krieg - kaum Star Trek-Spirit
overall score
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